Felicitas

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Der knospende Tag, der nie zu Ende gehen schien, ließ Felicitas träumen.
Sie hatte ihre bonbonrosanen Haare zu zwei Zöpfen geflochten und schloss ihre Augen. Felicitas blickte gen Himmel, während sie sich ausmalte, was die Wolke seien. Sie hob ihren kalten Finger in die Höhe und umkreiste die große, flauschige und pummelige Wolke, die sich wie ein Wattebausch über alles, was unter ihr stand, legte.
„Du", flüsterte Felicitas, „du bist ein Pudel." Ihre Arme waren nun ganz in der Höhe und zeichneten die Rute von dem vermeintlichen Pudel ab, bis hin zu der Schnauze und den Beinen.
Das junge Mädchen ließ sich in das Gras fallen, das in ihrem Gesicht kitzelte, und in diesem Augenblick kam er. Er sah sie mit seinen großen Kulleraugen an und erhob seine Stimme, um Liebeslieder zu singen.
Es war kein Junge, der Felicitas kennenlernen wollte, sondern ein Vogel.
Doch es war kein gewöhnlicher Vogel. Die Weisheit in seinem Blick, mit dem er einen anschaute, glich den eines alten Ehepaares, so viel Glückseligkeit strahlte er aus. Obwohl sein Schnabel eine unangenehm schmutzig aussehende Farbe hatte, war sein Gefieder das, was man wohl unter dem Wort „atemberaubend" verstehen konnte. Es war grün, schimmerte so lebendig, und hatte die leichte Ähnlichkeit von einem paradiesischen Pfau.
Felicitas merkte, dass ein Blick auf sie ruhte, und schaute sich um. Weit und breit war dort keine Menschenseele, doch sie sah in einem Pfirsichbaum den Vogel.Sie stand auf, um ihn sich näher zu betrachten. Es war merkwürdig, denn er sah nicht scheu aus. Ganz im Gegenteil, er wirkte menschlich.In ihrem weißen, sauberen Sommerkleid tappte sie durch das feuchte Gras und legte den Kopf schief.
Woher kam er?
Genau diese Frage, die ihr durch den Kopf ging, stellte sie ihm: „Woher kommst du?"Und er antwortete.Er zwitscherte in einem hohen Ton etwas, was Felicitas nur erahnen konnte.
„Wie heißt du, kleiner Vogel? Deine Mutter hat dir doch einen Namen gegeben."
Hätte das jemand gehört, dann hätte er höchstwahrscheinlich den Kopf geschüttelt. Ein Vogel könnte keinen Namen haben, würden sie sagen. Doch für Felicitas war jedes Geschöpf gleich und deswegen konnte man sie kaum mit jemand anderen verwechseln.Er zwitscherte wieder und diesmal schoss ihr nur eines durch den Kopf.Charlie.„Charlie, das ist dein Name?"Der Vogel schaute sie an und etwas glückliches spiegelte sich in seinen Augen. Er zwitscherte wieder. Sie fasste es als ja auf.
„Gut, Charlie. Möchtest du mein Freund sein, vom heutigen Tage ab?"
Charlie zwitscherte, lauter als vorher, und sie nickte eifrig.
„Dann bist du jetzt mein Freund, vom heutigen Tage ab, Charlie."


September 2015

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