Kapitel 2

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Nicolas fluchte.

Er stand mitten auf einem Dach eines Mehrfamilienhauses und fror sich die Eier ab, weil der Wind ihm unangenehm ins Gesicht blies. Er schlug den Kragen seines Mantels höher und suchte sein Handy. Wie sollte er vom Dach in das Haus kommen, verfluchte Scheiße?

Er wählte die Nummer seines Dads und es dauert ungewöhnlich lange, bis er abnahm.

"Aloha, Kleiner! Bist du schon unterwegs? Du bist aber früh dran!"

Aloha?

"Nein, Dad. Ich bin nicht unterwegs. Ich stehe hier auf einem verdammten Dach und soll zu dieser Lisa kommen."

Sein Vater lachte dröhnend.

"Na, dann würde ich vorschlagen, dass du in die Wohnung gehst. Es ist verdammt kalt dort wo sie wohnt!"

Witzbold!

Nicolas schnaubte.

"Deswegen rufe ich an, Dad! Wie komme ich in die verdammte Wohnung?"

Wieder lachte sein Vater. Wenigstens einer amüsierte sich.

"Durch den Kamin, Sohn! Blöde Frage. Hör mal, ich kann nicht so lange mit dir plaudern. Deine Mutter und ich wollen gerade einen Limbo-Wettbewerb gewinnen und wir haben gute Karten. Deine Mutter ist so verdammt beweglich! Aber das wusste ich ja schon."

Nicolas rieb sich die Nasenwurzel. Das waren Informationen, die er jetzt nicht unbedingt von seinem Vater haben wollte.

"Hier ist kein Kamin, Dad! Nur irgendwelche Rohre!"

Man hörte ein leises Oh und dann rief sein Dad offenbar seiner Mutter zu, dass er gleich kommen würde. Als Antwort erhielt er jede Menge Alohas und irgendwelche kitschige Musik.

"Hör zu, Nicolas. Ich habe dir doch meine Gaben übertragen."

Nicolas schnaubte.

"Für die besagte Nacht!"

Sein Vater lachte.

"Nein! Du kannst es auch schon vorher gebrauchen. Gehe zu den Rohren, sage den Namen und du kommst in ihre Wohnung. Ist ganz einfach. Und nun muss ich auflegen. Deine Mutter wird ungeduldig!"

Bevor Nicolas noch was sagen konnte, hatte sein Vater schon aufgelegt.

"Dein Ernst, Dad?", brüllte er, doch dann holte er tief Luft und ging zu den Rohren.

Unschlüssig sah er sich um. Sollte er es wirklich wagen? Funktionierte das überhaupt? Er hatte seinen Vater nie begleitet, wenn der die Geschenke verteilt hatte.

Noch einmal holte er tief Luft.

"Ich möchte zu Lisa, bitte!"





Lisa ließ beinahe die Tasse mit der heißen Schokolade fallen,die sie sich gerade aus der Küche geholt hatte.

Da stand ein Mann mitten in ihrem Wohnzimmer und sah sich neugierig um. Schnell stellte sie Tasse ab und nahm sich den erstbesten Gegenstand, den sie greifen konnte.

"Wer sind sie? Und was machen sie in meinem Wohnzimmer?"

Ihre Stimme klang leider nicht so fest, wie sie es gerne gehabt hätte.

Er drehte sich um und Lisa riss die Augen auf.

Meine Güte! Sie hatte ja keine Ahnung, wie ein Einbrecher sonst aussah, aber sie hatte wohl ein sehr ansehnliches Exemplar ergattert. Hellblaue Augen, perfekt frisiertes Haar und ein gepflegter Bart. Außerdem war er groß und seine Kleidung sehr exklusiv. Im Moment schien es ihm allerdings etwas zu warm zu sein, was Lisa nicht wunderte. Immerhin trug er einen kurzen Mantel und ihre Wohnung war gut geheizt. Sie sah die kleinen Schweißperlen auf seiner Stirn und hätte sie am liebsten abgewischt, aber sie riss sich zusammen und drohte ihm mit dem Gegenstand, den sie gegriffen hatte.

Verflixt!

Es hätte bestimmt etwas bedrohlicher gewirkt, wenn es nicht unbedingt eine große Zuckerstange aus Pappmache gewesen wäre.

Auch er schien das zu denken, denn er begann zu grinsen, was Lisa resigniert aufgeben ließ.

"Okay, Mister. Nehmen sie sich, was sie wollen. Viel ist es sowieso nicht."

Er legte seinen Kopf schräg.

"Das ging ja einfach. Na, dann komm, Lisa! Zieh einen Mantel an.  Wir sollten uns beeilen. Ich darf nicht trödeln und bis ich dich am Nordpol eingewiesen habe, dauert es eine Weile."

Sie riss die Augen auf.

"Wie bitte?"

Er kreuzte seine Arme vor der Brust. Der Stoff seines Mantels spannte sich an den Oberarmen und Lisa sah sich schon nach Nadel und Faden suchen, weil der Stoff bestimmt bald platzte.

"Na ja. Mein Name ist Nicolas Clause. Ich bin der Sohn von Santa Clause, der sich in den Kopf gesetzt hat, statt Geschenke zu verteilen, sei es sinnvoller, wenn er an einem Limbo Tanz Wettbewerb teilnimmt. Und ich soll ihn vertreten. Aber er meinte, du würdest mir helfen!"

Lisa schüttelte kurz den Kopf.

Wenn sie es nicht besser wüsste, dann hätte sie geschworen, dass der Kerl gerade gesagt hatte, er wäre der Sohn des Weihnachtsmannes. Und als ob das nicht alles wäre, wollte er sie auch noch zum Nordpol mitnehmen.

Lisa kicherte leise, dann steigerte es sich in ein hysterisches Gelächter, was ihn die Augenbrauen zusammenziehen ließ.

"Was ist daran so lustig?"

Sie gluckste ein paar Mal, dann legte sie die blöde Zuckerstange weg.

"Selbst, wenn das alles stimmen würde..Santa Clause tanzt Limbo? Echt jetzt?...Aber mal ehrlich, Mister Clause!" Wiederkicherte sie. "Ich kann doch nicht einfach von hier fort. Ich habe einen Job und muss arbeiten."

Er nickte, dann sah er zur Decke.

"Du hast den Dienst von Georg übernommen, weil du viel zu nett bist. Aber der Scheißkerl hat dich nur ausgenutzt, weil er die Kleine von der Buchhaltung flachlegen will."

Nun war er es, der den Kopf ungläubig schüttelte.

"Woher weiß ich das, verdammte Scheiße?"

Sie riss die Augen auf.

"Ja? Woher?"

Er zuckte mit den Schultern.

"Keine Ahnung. Aber du bekommst gleich eine Nachricht. In 3...2...1..."

Ihr Smartphone vibrierte und Lisa nahm es in die Hand.

Hallo, Lisa. Du hast nun doch Urlaub an Weihnachten. Meredith hat Durchfall und kotzt sich die Seele aus dem Leib. Außerdem hat die Chefin erfahren, dass ich dir meinen Dienst aufdrücken will und ist mega sauer. Genieße also deine freien Tage. Georg

Sie starrte zuerst auf das Display, dann zu Nicolas.

"Wie hast du das geschafft?"

Er zuckte mit den Schultern.

"Kohle fand ich nun nicht bei ihm angebracht. Und Meredith war auch auf der Unartig-Liste. Und irgendwie ist es lustig und du hast frei! Also, was ist nun?"

Sie starrte ihn an?

"Was ist was?"

Er lächelte sie an und einen Moment setzte ihr Herz aus.

Himmel, er sah wirklich gut aus, wenn er lächelte.

"Bereit für den Nordpol? Ach ja, Eddy nehmen wir selbstverständlich mit. Das wolltest du mir doch gerade entgegnen."

Er schnippte mit den Fingern und Eddys Katzenkorb, in den man ihn so gut wie nie ohne viel Fluchen hinein bekam, erschien auf dem kleinen Wohnzimmertisch. Eddy starrte sie überrascht und auch etwas vorwurfsvoll an.

"Also los!"

Lisa starrte Nicolas an, dann tat sie, was ihr am vernünftigsten in dem Moment erschien.

Sie fiel in Ohnmacht.

Santa liebt dich!Where stories live. Discover now