Kapitel 11

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Auch wenn die Tage bei ihrer Pflegefamilie toll gewesen waren und Lisa auch klar war, dass sie das gebraucht hatte, fühlte sie sich etwas erschlagen. Es war gut gewesen, dass Brandon sie mit sich genommen hatte. Sie hatten sich alle lange miteinander unterhalten und Lisa war zu der Erkenntnis gekommen, dass sie sich die ganzen Jahren umsonst irgendwelche Sorgen gemacht hatte. Ihre Pflegeeltern liebten sie wirklich und sie hätten nie von Lisa verlangt, dass sie ihre verstorbenen Eltern vergaß. Peter, ihr Papa, wie sie ihn nun nannte, hatte sogar bei der alten Nachbarin Fotos und Erinnerungen besorgt, so dass Lisa gar keine Chance gehabt hätte, ihre Eltern und ihre Heimat zu vergessen. Das Geld, das Lisa jedes Jahr geschickt hatte, lag auf der Bank und Mama Angela bestand darauf, dass mal ihre Enkel, also die Kinder von Lisa, dieses Geld bekommen würden. Sie selbst hatten es nie angerührt.

Natürlich war auch die Sprache auf Nicolas gekommen. Lisa hatte nicht alles erzählt. Ihr Papa hätte auch nie geglaubt, dass Nicolas Santas Sohn war und Brandon auch nicht. Die beiden fluchten auf Nicolas, weil er Lisa weh getan hatte und sie malten sich die schrecklichsten Dinge aus, die sie mit ihm zu tun gedachten, wenn er ihnen begegnen sollte. Da wäre es wohl eine schlechte Idee zu erzählen, dass er jedes Jahr bei ihnen vorbei schaute. Das nächste Jahr würden sie bestimmt auf ihn warten.

Nur ihrer Mutter und Savannah erzählte sie alles und wie man es vermuten konnte, hatten die beiden geseufzt. Savannah hatte sie auch auch gegen den Arm geschlagen und gefragt, wie man nur so dämlich sein könnte, einen Mann, der ganz offensichtlich Interesse an einen hatte, so zu vergraulen. Ihre Mama hatte sie einfach nur in den Arm genommen und getröstet. Aber einen Rat wussten sie auch nicht.

Lisa hatte auch so verstanden, dass sie Nicolas nicht mehr sehen würde.

Sie blieb noch einen weiteren Tag, dann fuhr sie mit Benny wieder nach Hause und begann die ganze Weihnachtsdeko auf zu räumen. Sie hatte genug von Weihnachten und es wurde Zeit, dass sie sich wieder dem Alltag stellte.

Die kitschige Deko von Nicolas Weihnachtsbaum legte sie allerdings mit allergrößter Sorgfalt in eine Kiste, bevor sie den Baum auf die Straße stellte, damit man ihn mitnehmen konnte.

"Sie sind aber heute früh dran mit aufräumen.", stellte Mr. Sullivan, ihr netter älterer Nachbar fest, als sie gerade wieder ins Haus wollte. Er saß oft am Fenster und beobachtete die Leute. Aber es war nicht so unangenehm wie bei manch anderen, denn er schimpfte nicht, sondern lächelte jeden an.

Lisa lächelte ihm entgegen. Sie mochte den alten Mann, der immer ein paar Weisheiten parat hatte, ob sie nun passend waren oder nicht.

"Ich muss ab morgen wieder arbeiten, Mr. Sullivan. Dann werde ich keine Zeit mehr dazu haben!"

Er lachte leise.

"Das meinte der junge Mann gestern auch, der sie gesucht hat."

Sie runzelte die Stirn.

"Junger Mann? Sie müssen sich täuschen, Mr. Sullivan. Mich suchen keine junge Männer."

Er nickte mit seinem Kopf leicht zur Seite.

"Oh. Mädchen. Da unterschätzt du dich aber. Wenn ich nur ein paar Jahre jünger und dieser junge Mann von gestern nicht so hartnäckig gewesen wäre, könnte sich bei mir schon der Jagdtrieb einstellen. Vor allem jetzt. Sie sehen wirklich sehr hübsch aus. Nicht so verbissen wie sonst. Ich könnte wetten, dass sie Weihnachten viel gelacht haben, richtig?"

Lisa schluckte einen Moment hart.

Sie hatte verbissen ausgesehen? Das war ihr nie aufgefallen.

"Der Mann gestern..."

Mr. Sullivan nickte.

"Ja, ich habe ihn noch nie hier im Ort gesehen. Ich bin mir auch nicht sicher, warum er stundenlang auf der anderen Straßenseite gestanden war. Irgendwann habe ich ihn gefragt und er meinte, er würde auf sie warten. Ich habe ihm dann erklärt, dass sie wohl nicht so schnell wieder kommen würden, da sie Benny mitgenommen hatten. Er war wohl etwas enttäuscht, aber als ich fragte, ob ich etwas ausrichten soll, murmelte er, dass es wohl zu spät sei. Er hat mir wirklich leid getan. Ich nehme mal an, dass er einer der Bauarbeiter war. Die haben nämlich jetzt einiges zu tun. Vielleicht haben sie ihm unbewusst schöne Augen gemacht."

Santa liebt dich!Opowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz