Robin

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Name: Robin Kirschner
Alter: 23
Eingewiesen wegen: Panikattacken (dazu dauerhafte Nervosität, Misstrauen)

Nicht lange nachdem Sara eingeschlafen war, ging auch Elliot, der Mann, dem die Unterkunft gehörte. Maxi hatte sie einander notdürftig vorgestellt; Elliot war ein Profihacker und außerdem im kriminellen Bereich tätig.
Robin hatte schon an dem Tag, als Maxi ihn befreit hatte erfahren, dass die Flucht aufgrund von Gefallen stattgefunden hatte.
Er wusste nicht, was Maxi vor seiner Zeit in Valos getrieben hatte, aber er hatte bei einer Menge Menschen einen guten Gefallen übrig, die er alle für diese Flucht eingefordert hatte.
Gefallen wie die Motorräder, die Elektriker, die den Zaun lahmgelegt hatten, das Abschütteln der Polizei und die Übernachtung in zwei Unterkünften.
Nun forderte er einen Gefallen von Elliot zurück. Jetzt aber, ließ der schweigsame Kerl sie in Ruhe und verließ das Gebäude, nachdem er ihnen eine Thermoskanne voll mit Tee gemacht hatte.
Erschöpft ließen die beiden Flüchtenden sich auf eine schmutzige Matratze nieder, die hinter einem kaputten Vorhang von den technischen Geräten abgeschottet lag. Maxi füllte den Deckel der Thermoskanne und reichte ihn Robin. Dieser konnte sehen, dass der junge Mann zitterte, ob vor Erschöpfung oder doch tatsächlich Angst? Auch wenn er bei Maxi diese Emotion noch nie gesehen hatte.
Er umklammerte den heißen Becher und suchte den Blickkontakt seines Gegenübers.
"Ich habe dir noch gar nicht gedankt."
Er konnte Maxis Gesicht in dem schlecht beleuchteten Raum kaum sehen, auch, weil dessen rotes Haar ihm strähnig ins Gesicht fiel.
"Du musst mir nicht danken.", murmelte er.
Robin schüttelte beharrlich den Kopf.
"Natürlich, sei kein Narr. Sowas macht man nicht aus guter Laune. Danke, dass du mich da raus geholt hast, wirklich. Es war schrecklich."
Maxi lächelte und zum ersten Mal, sah es echt aus. "Das habe ich mir gedacht, weil es mir genauso ging. Wir sind keine Menschen für enge, graue Räume."
Robin musterte ihn nun scharf.
"Ich bin dir wirklich unendlich dankbar und kann das nicht oft genug sagen...aber warum? Warum hast du das getan? Das war ein riesen Aufwand, für dich und alle Beteiligten. Warum hast du mich rausgeholt, obwohl wir uns kaum kennen?"
Maxi schwieg und drehte dann leicht den Kopf weg.
Erst nach einer langen Weile, in der sie dem Summen der Computer gelauscht hatten, antwortete er.
"Weil ich sonst niemanden habe. Nicht hier draußen, nicht in der Klinik. Du bist der einzige Mensch, der mich in Valos noch als seinesgleichen gesehen hat - als Mensch, nicht als Monster. Ich dachte...scheiße, keine Ahnung was ich dachte." Er fuhr sich durch das rote Haar, wirkte aufgebracht.
Maxi sagte ihm nicht die ganze Wahrheit und er wusste nicht wieso.
Robin trank seinen Tee in einem Zug aus, ignorierte den Schmerz, als das Getränk ihm Zunge und Rachen verbrannte.
"Man, mir geht es nicht anders. Deshalb bin ich froh hier zu sein."
Wieder schwiegen sie eine ganze Weile, in der Maxi seinen Blicken auswich und Robin ihn genau musterte.
"Danke auch, dass du dazu bereit warst Sara zu retten. Ich weiß das zu schätzen."
Nun lächelte Maxi wieder, nur leicht.
"Du hast es verdient."
Robin zog die blonden Augenbrauen hoch und starrte auf den Boden.
"Hab ich das?", murmelte er leise.
Maxi klopfte ihm auf die Schulter.
"Wir sollten uns auch hinlegen. Es war ein langer Tag und morgen wird vielleicht noch länger."
Robin starrte etwas angewidert auf die Matratze, die sie sich wohl teilen würden.
Unwillkürlich musste er an Runde 3 in Valos denken, als er Maxi beinahe an die von Alex verursachte Wunde verloren hatte.
Er hatte sich in jener Nacht an ihn geklammert wie an einen Rettungsring und das war Maxi schließlich für ihn geworden.
Und hier in einem düsteren Wrack von Haus, sollte die Flucht in die letzte Etappe gehen.
Die beiden jungen Männer legten ihre Jacken als Kopfkissen hin und ließen sich erschöpft in den schmutzigen Stoff der Matratze sinken.
Auch wenn beide nun schwiegen, wusste Robin, dass Maxi ebensowenig schlafen konnte wie er.
Es waren wohl die Gedanken, die sie wach hielten, die Sorgen, die Pläne.
Robin drehte leicht den Kopf und sah zu Maxi.
In dem fahlen Gegenlicht sah er nur dessen Seitenprofil.
"Wir schaffen das schon.", murmelte Robin leise.
"Wir haben ja auch Valos geschafft."
Maxi antwortete nicht, aber griff kurz nach Robins Hand, drückte sie und drehte sich dann mit dem Rücken zu ihm.
Das, so vermutete Robin, war wahrscheinlich das emotionalste wozu Maxi sich im gesamten letzten Jahr bewegt hatte.
Er spürte noch die Wärme, die Maxis kräftige, schwielige Hand hinterlassen hatte.
Er vertraute Maxi voll und ganz, war froh das Sara bei ihnen war und konnte doch nicht ganz seine Gefühle und Emotionen sortieren. Der Kuss, die Flucht, Maxis Geständnis...
So viel war passiert, so viel Schreckliches. Jetzt lag er hier im Dunkeln, lauschte auf Maxis gleichmäßigen Atem.
Ihm wurde plötzlich bewusst, dass der junge Mann ihm vorher gestanden hatte, dass er der einzige Mensch war, der dem Tiger noch etwas bedeutete.
Und das, wog verdammt viel.

Der Geruch von Regen Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt