Nächtliche Treffen

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Lux schulterte den Rucksack und ging zur Tür. Sie wusste nicht, ob sie diesen Raum jemals wieder betreten würde. Ihre Reise war gefährlich aber sie musste allein gehen. Sie könnte dich niemals verzeihen, wenn noch mehr Menschen ihretwegen verletzt wurden oder gar starben. Sie sah zu der kleine Galio Actionfigur hinüber und lächelte zaghaft. Ich kann das schaffen, mein Freund. Wünsch mir Glück!
Ihre Hände umfassten die geschwungenen Messingtürgriffe und sie zog die Tür vor sich zu.

Die Fackel in der einen Hand und die Armbrust in der anderen, schlich Lux in der stockfinsteren Nacht durch den Palast. Die winzigen Absätze ihrer Schuhe klackerten auf dem steinernen Boden und das Geräusch hallte leise von den Wänden wieder. Vorsichtig öffnete sie die Tür zum Krankenflügel. Mit einem, kaum merklichen Knarzen trat sie auf den Holzboden. Der Raum war von schwachem Kerzenschein erhellt und ließ die schmerzverzerrten Gesichter der Kranken und Verletzten wie gruselige Fratzen aussehen.
Ein Mann, dessen rechtes Bein bis auf einen Stummel gänzlich fehlte, wandte sein Gesicht zu ihr, als er das Leuchten der Fackel sah. Auf seinem Gesicht prangte eine riesige Schramme, die ihn daran hinderte, sein linkes Auge zu öffnen.
Schnell blickte sie wieder weg und richtete ihren Blick zielstrebig auf das letzte Bett in der Reihe. Sie konnte den Mann nicht ansehen, ohne nahezu an Schuldgefühlen zu Grunde zu gehen.
Neben dem Bett angelangt, stellte Lux die Armbrust neben das Bett an die Wand und setzte auch den Rucksack kurz ab.
Behutsam setzte sie sich neben ihren regungslosen Bruder auf die Bettkante. Sein Gesicht war so entspannt und friedlich, man könnte denken, er würde einfach schlafen. Aber Lux wusste, dass dem nicht so war. Seine Hände und der linke Arm waren in dicke Verbände gehüllt. Ihre Fingerspitzen strichen über seine Schläfe, wobei sie einige seiner weichen, braunen Haare aus seinem Gesicht berührte, weiter über seine Wangenknochen, zu seinem Kinn.
"Es tut mir so Leid, Garen." Ihre Augen wurden glasig und eine Träne kullerte über ihre blasse Wange. Schnell wischte sie sie weg und schniefte: "Ich bring das wieder in Ordnung. Versprochen."
Sie beugte sich über ihn und legte ihren Kopf auf seinen Brustkorb. " Ich liebe dich, großer Bruder."
Niemals hatte sie daran gedacht ihren Bruder so früh schon verlieren zu können. Es gab Dinge, auf die war man nicht vorbereitet. Dinge, gegen die man trotz starker Magie und unbändiger Muskelkraft gänzlich machtlos. Dinge, die den stärksten Krieger zum hilflosesten Lamm machten. Es lag nicht in ihrer Macht, ihm zu helfen. Niemand hatte diese Macht.
Aber er würde es schaffen. Er war stark. Ihr ganzes Leben war Garen an Luxannas Seite gewesen, seit sie denken konnte. Ein Leben ohne ihn hatte es nie gegeben und ein Leben ihn, wollte sie sich nicht mal in ihren schlimmsten Momenten vorstellen. Er war ihre zweite Hälfte, ihr
Anker während des Sturms, ihr Wind in den Segeln, ihre Sonne am dunkelsten Tag.
Ihre Finger schlossen sich um die seinen. Nun bemerkte sie auch, dass seine Hand benetzt von Tränen war. Sie schloss die Augen und nahm in Gedanken Abschied von ihrem Bruder.
Sie holte tief Luft und erhob sich von seiner Bettstätte. Sie sah noch einmal auf ihn hinunter. Dann schulterte sie den Rucksack und die Armbrust und verließ mit schnellen Schritten den Krankenflügel.

Eisige Nachtluft wehte durch ihr goldenes Haar, als sie die schützenden Mauern des Schlosses verließ und auch die Mauern um Demacia hinter sich ließ.
Den Zügel fest umschlossen, klopfte sie Mocha leicht in die Seite. Sofort setzte sich die Stute in Gang. Mit einem letzten Blick über die Schulter, sah sie den Lichtern Demacias dabei zu, wie sie immer kleiner wurden und schließlich ganz von der Nacht verschluckt wurden, als sie den Wald erreichten.



                                     —(•·÷[ In einem kleinen Dorf mitten im Wald ]÷·•)—


Schroff stieß er die Türe zu der Gastwirtschaft auf. Prüfend wanderte sein Blick über die Menge, auf der Suche nach einem Gefühl in seinem inneren, das ihm sagte, ob sich Magier unter ihnen befanden.
Tatsächlich nahm er das magische Leuchten, einer Personengruppe im hinteren Teil der Wirtschaft war. Kurz überlegte er, ob es eine gute Idee war, auf sie zuzugehen. Doch der Gedanke verflog schneller, als er gedacht hatte. Er brauchte sie. Und zwar nicht nur einen oder zwei, nein, was er brauchte, war eine Armee. Demacia war seine Heimat bis man ihn benutzt hatte um Magier ausfindig zu machen und ihn letztendlich eingesperrt hatte. Und das nur, weil er Magie in sich trug. Er wollte sie niemals gegen jemanden einsetzen, er hatte stets an sein Land und seine Stadt geglaubt doch nun trug er nur noch den Hass in seinem Herzen. Hass auf die Schweine, die ihm das angetan hatten. Jahre lang in einer dunklen, kalten Zelle, fernab von jedem Leben. Sein einziger Sozialkontakt war wohl der Wächter, welcher ihm jeden Tag seine Mahlzeit brachte und auch dieser war nicht besonders gesprächig.
Seine Gedanken schweiften wieder zu dem Mädchen ab. Diese kleine Lichtgestalt mit ihren langen blonden Haaren und diesen himmelblauen Augen. Sie tauchte eines Tages einfach auf.
"Du bist keine Magiesuchende, also was bist du?", hatte er damals gefragt.
"Ich... Ich bin niemand." Ihr hatte es bei seinem Anblick wohl die Sprache verschlagen.
Um ihr ein wenig angst zu machen hatte er durch die Gitterstäbe nach ihrer Fackel gegriffen. "Nein. Du bist bestimmt nicht 'Niemand'. Du hast was besonderes an dir." Er hatte die Fackel nun zu sich gezogen, sodass sie ihn erkennen konnte. "Komisch, nicht wahr? Dass du da draußen bist und ich hier drinnen..."
Ihr Gesicht war vor schrecken und Angst verzerrt gewesen. An diesem Tag hatte sie nicht gezögert, als die Panik über sie kam. Er hatte es gespürt. Sie hatte auf der Stelle kehrt gemacht und ihn wieder in der Dunkelheit allein gelassen.
Er dachte, er habe sie für immer verschreckt und dass sie nie wieder zurück kommen würde, aber dem war nicht so gewesen.
Sie hatte ihn wieder besucht, direkt in der darauffolgenden Nacht.
"Na, so was. Ich hätte nicht erwartet, dich wieder zu sehen, so schnell wie du weggerannt bist.", hatte er sie begrüßt.
Langsam war sie an die Gitterstäbe herangetreten, die ihn von der Freiheit getrennt hatten. "Ja. Ich... Ich bin wohl in Panik geraten."
Sylas hatte zaghaft gelächelt. "Das war womöglich meine Schuld. Meine Manieren haben hier etwas gelitten." Er machte eine kurze Pause um seinen Worten mehr Wirkung zu verleihen. "Also, nach was suchst du, Mädchen?"
Zu beginn hatte sie versucht ihn anzulügen und eine Maske aufzusetzen. Er hatte keine 5 Sekunden gebraucht um das zu durchschauen, denn Lügen gehörte offensichtlich nicht zu ihren Stärken.
Er wies sie in die Schranken und erzählte ihr, was er in ihr sah und er traf damit genau ins Schwarze. Sie war eine Adelige, die über Magie verfügte. Aber da Magie in Demacia verboten war, versuchte sie es unter allen Umständen vor jedem zu verstecken. Doch er hatte es sofort gesehen. Dieses Licht war nicht zu übersehen, nach der jahrelangen Dunkelheit. Und jetzt in diesem Augenblick war sie hier um eine Antwort darauf zu finden, wie sie ihre Magie los bekommen konnte.
Er brachte ihr bei, wie sie das Licht und ihre Magie kontrollieren konnte und sie versorge ihn im Gegenzug mit Lesestoff. Sie brachte ihm jedes Buch, nach dem er fragte. Und immer wenn sie sich nahe kamen zapfte er so viel von ihrer Magie ab, wie es ihm nur möglich war.
Denn seine magische Fähigkeit war es, die Magie anderer Magier aufnehmen und verwenden zu können, wenn sie ihn berührten.
Es erforderte harte Konzentration auch über eine gewisse Distanz hinweg ein kleines bisschen Magie aus ihr ziehen zu können. Sie war sein Schlüssel zur Freiheit, die er schon bald erringen würde.
Immer wenn sie gegangen war, hatte er seine Kräfte auf die gleiche Stelle in der Außenwand konzentriert. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis er genug Magie gesammelt hatte, um gerade mal ein drittel der Wand abzutragen.
Jeden Abend war sie bei ihm und sie verbrachten Zeit zusammen. Er lehrte sie die Magie und sie erzählte ihm Geschichten über die Welt außerhalb dieser Mauern. Er schloss die kleine Magierin in sein Herz. Ob es daran lag, dass er seit Jahren niemanden mehr um sich hatte, konnte er damals wie auch heute nicht sagen.
Doch dann blieb sie einen Abend weg von ihm. Dann den zweiten Abend. Am dritten Abend öffnete sich die Pforte wieder "Lux, ich...", er stockte. Das war nicht Luxanna. Es war der Wächter. "Oh. Wächter, ich dachte..."
"Ganz ruhig, Magier. Sie kommt nicht.", unterbrach der Wächter ihn schroff. "Du hast dir wohl die Falsche für deine Spielchen ausgesucht. Und morgen wirst du dafür mit deinem Kopf bezahlen."
Das war der Moment gewesen, als er sich gefragt hatte, wofür er so viele Jahre hier gesessen hatte, wenn er am Ende doch sterben würde.


Light in ChainsWhere stories live. Discover now