Kapitel 5

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Ich hatte beschlossen, gemütlich spazieren zu gehen, bevor die Schule begann, was ich seit Ewigkeiten nicht mehr getan hatte. Die frische Morgenluft war zuerst wegen ihrer Kälte unangenehm, aber ich gewöhnte mich schnell daran. Schließlich ging ich, ausnahmsweise mal wach, zur Schule, die ein renovierter Bau aus den 1970ern war. Sie war zwischen mehreren Häusern eingelassen und hatte einen zugehörigen Kindergarten und eine Krippe, mit denen wir uns die Turnhalle teilten. Der große Innenhof war ein beliebter Ort, um in den kleinen Pausen, nach draußen zu gehen, aber eher in den wärmeren Monaten.

"Hey Elea", begrüßte mich Tiffany, als ich im Gang zu unserem Klassenzimmer auftauchte, "hübsche Sachen, sind die neu?"

Ich sah an mir herunter und mir fiel erst dann wieder ein, dass ich Tines Klamotten trug.

"So ungefähr", lächelte ich und hoffte, dass sie nicht automatisch darauf schloss, dass ich mir die Klamotten von einer anderen ausgeliehen hatte, wobei sie sicher dachte, ich wäre mit Manuela zusammen, denn sie wusste wahrscheinlich noch nichts davon, dass wir kein Paar mehr waren.

Wir lösten uns aus unserer Umarmung und um die Ecke kam gerade Mareike, die zusammen mit Tiffany und mir seit ein bisschen mehr als zwei Jahren dieselbe Klasse auf der Berufsschule besuchte. Witzigerweise hatten wir uns alle für den Beruf Erzieherin interessiert und waren auch noch in derselben Klasse gelandet. Immerhin hatte es den Vorteil, dass wir uns untereinander kannten und selbst wenn unsere Mitschüler nicht so toll gewesen wären, hätten wir wenigstens uns gehabt.

"Was ist eigentlich gestern mit Manuela gewesen? Hattet ihr Streit?", fragte Mareike, nachdem wir ein wenig Small-Talk gehalten hatten.

"Ähm, wie kommst du darauf?", stammelte ich peinlich berührt und überlegte krampfhaft, woher sie das wissen konnte.

"Manuela hat mich gestern Abend verheult angerufen und gesagt, dass Schluss ist. Mehr auch nicht, zumindest habe ich den Rest nicht verstanden, weil sie ständig geschluchzt hat." Mareikes Blick war finster, jedoch neugierig. Damit hatte sich meine Frage geklärt.

Tiffany beteiligte sich an der Konversation nur noch, indem sie mich schockiert ansah. Das bestätigte meinen Verdacht, dass sie nichts von alledem gewusst hatte.

"Ich ... es. Also irgendwie ... ich ... ich liebe eine andere", brachte ich hervor und wurde von Wort zu Wort leiser.

Ein betretenes 'Oh' war die Reaktion meiner beiden Freundinnen und eine unangenehme Stille breitete sich aus.

Ich fühlte mich schuldig, wegen Manuela, die sich eine gemeinsame Zukunft erhofft hatte. Ich hatte sie einfach sitzengelassen und hatte sie, seitdem ich sie gestern verlassen hatte, so gut wie aus meinen Gedanken verbannt. Ein wenig nach dem Motto: aus den Augen, aus dem Sinn. Es tat mir leid, denn sie schien immer so fröhlich, wenn wir beieinander waren. Ich wünschte, ich hätte dasselbe Glück und die Erfüllung bei Manuela gespürt und nicht immer noch nur bei Tine.

"Wer ist es?"

Tiffanys Frage ließ mich aus meinen Gedanken aufschrecken und ich überlegte krampfhaft, ob ich es ihnen sagen sollte. Ich ahnte zwar, dass sie schon damals auf irgendeine Art und Weise gewusst hatten, wie ich zu unserer Lehrerin stand - schließlich war ich nicht gerade unauffällig gewesen im Bezug auf meine Gefühle - , aber vielleicht hatten sie an Bewunderung oder einen leichten Crush gedacht und nicht Gefühle wie Liebe.

Der Gong nahm mir zum Glück die Entscheidung und wir gingen in den Klassenraum, der schon gut besetzt war.

"Elea, egal wer sie ist. Rede noch mal mit Manuela, ich will nicht, dass es ihr so scheiße geht. Du rufst sie am besten noch heute an und klärst das mit ihr", machte mir Mareike klar, bevor wir uns dem Unterricht widmeten und ich mir vornahm, nach der Schule bei Manuela anzurufen.

Ingo love |girlxgirlWhere stories live. Discover now