Kapitel 53

750 51 39
                                    

Aufgeregt ging ich von der Bushaltestelle zu meiner ehemaligen Schule. Meine hohen, schwarzen Schuhe erschwerten mir das Gehen, aber ich hatte es mir nicht nehmen lassen, im selben Outfit wie bei meinem eigenen Abschlussabend zu kommen. Mein Kleid hatte die perfekte Länge, denn der Saum berührte nur gerade so den gepflasterten Boden. Dadurch, dass es keine Ärmel hatte, waren die Narben an meinen Unterarmen, die über die Jahre hinweg entstanden waren, entblößt.

Als ich bei dem großen Gebäude ankam, das nur wenig von dem fahlen Licht der umliegenden Laternen und den wenigen, letzten, warmen Strahlen der Abendsonne erhellt wurde wurde, wirkte alles noch ruhig. Das lag wahrscheinlich daran, dass der Hauptteil der Abschlussfeier noch stattfand. Ich erinnerte mich noch gut an die verschiedenen Programmpunkte und die langweiligen Reden, die damals gehalten worden waren. Jedoch sollte alles in wenigen Minuten enden, denn es war schon recht spät.

Ich wippte von einem Fuß auf den anderen und konnte kaum stillhalten, so aufgeregt war ich. Meine Finger spielten mit ein paar Pailletten des Kleides und ich musste mich dazu zwingen, es nicht zu tun. Als ich von ihnen abließ, bemerkte ich, dass meine Hände zitterten. Eigentlich musste ich nicht aufgeregt sein, denn seitdem ich mit Tine zusammen war, hatte ich ihre Kollegen schon öfter gesehen. Aber daran lag es nicht. Ich gehörte eigentlich nicht auf diese Abschlussfeier. Niemand der Lehrer hatte jemals seinen Partner oder Partnerin mitgebracht, zumindest wusste ich nichts davon. Wie Tine dazu gekommen war, mich einzuladen, hatte ich mich schon die ganze Zeit gefragt, aber keine Antwort darauf gefunden.

Dann sah ich plötzlich auf, weil ich hörte, dass drinnen geklatscht wurde. Gleich war es so weit. Durch die zwei Glastüren und den Glasgang konnte ich erkennen, dass die Leute inzwischen aufgestanden waren. Ich machte mich darauf bereit, Tine endlich sehen zu können. Bevor sie losgegangen war, hatte sie mir nicht gezeigt, welches Kleid sie tragen würde, aber ich war mir sicher, dass ich irgendeine Erinnerung mit ihr hatte, in der sie es getragen hatte.

"Elea." Tines Stimme, die ich unter Tausenden wiedererkennen würde, stach aus den angeregten Gesprächen heraus.

"Tine." Meine Lippen verzogen sich automatisch zu einem Lächeln, als ich meine wunderschöne Freundin auf mich zukommen sah.

Sie trug dasselbe schwarze, eng anliegende, knielange Kleid und dieselbe schwarze Strumpfhose zu den gleichfarbigen Stöckelschuhen wie an meinem Abschlussabend. Anscheinend hatten wir beide an das Gleiche gedacht. Wir wollten meinen Abschlussabend noch mal erleben, aber dieses Mal sollte er besser verlaufen als vor drei Jahren.

"Du bist wunderschön", hauchte ich, bevor sie ihre Lippen auf meine legte.

Ich schloss meine Augen instinktiv und genoss das warme Gefühl, das meinen Körper durchzog. Ihre Hand lag für einen Moment sanft auf meiner Wange, bevor sie sich wieder langsam von mir löste.

"Du auch", erwiderte sie und ließ ihre Hand noch einen Moment an ihrem Platz verweilen, bevor sie sie mit meiner verband.

Dann gingen wir ein Stückchen, um abseits der ganzen Leute zu sein. Vor dem Eingang der Schule standen nämlich die ganzen Abschlussschüler zusammen mit ihren Familienmitgliedern, die sich von ihnen verabschiedeten. Bis der Ball beginnen würde, hatten wir sicher noch ein paar Minuten, die wir alleine verbringen konnten.

"Wie war der Abend?", fragte ich, als wir ein paar Meter gegangen und um die Ecke zum großen Innenhof gebogen waren. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand und ich stand ihr gegenüber.

"Bis jetzt ziemlich schön, ich habe ein paar Geschenke von den Schülern bekommen, die ich in Mathematik und BWR hatte", erzählte sie und ich musste lächeln.

Sie war schon immer ziemlich beliebt unter den Schülern und natürlich auch Lehrern gewesen. Das war aber kein Wunder.

"Und was ist das Thema von diesem Jahr?"

Ingo love |girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt