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Die Schicht im Tracys schien kein Ende nehmen zu wollen. Zwar hatte machte mir das stundenlange Stehen nichts aus, doch das hieß nicht, dass ich mir meine weiche Matratze nicht herbeisehnte. Ich war seit sieben auf den Beinen und langsam machte sich die Erschöpfung bemerkbar.

Ich seufzte, griff nach den zwei Tellern, die mir meine Mitarbeiterin entgegenhielt und brachte sie zu dem jungen Paar, das eingequetscht zwischen zwei großen Sechser-Tischen saß. Es war schon nach halb zehn, aber das Tracys begann gerade erst voll zu werden. In Gedanken schickte ich meiner Mitarbeiterin, die die Schicht nach mir übernehmen würde, schon einmal mein herzliches Beileid. Das Tracys würde mit Sicherheit nicht vor zwei zumachen.

»Bitte sehr.« Meine Lippen zierte ein aufgesetztes Lächeln, als ich dem Paar ihr Essen vor die Nase stellte. Sie bedankten sich herzlich und bestellten gleich noch zwei Biere. Ich notierte es mir und wünschte ihnen einen guten Appetit.

Mein eigener Magen würde sich auch über etwas zu essen freuen. Irgendetwas mit viel Gemüse, viel Kolenhydraten und gut gewürzt. Gott, allein bei dem Gedanken lief mir das Wasser im Mund zusammen.

Ich schüttelte die Gedanken aus meinem Kopf und wandte mich von dem Tisch ab. Doch gerade als ich mich auf den Weg zurück zur Theke machen wollte, tippte mir plötzlich jemand auf die Schulter.

»Kommst du mal eben mit?«

Verdattert sah ich mich um und erkannte George, wie er sich an mir vorbeischob. Mein Blick folgte seinem Rücken, wie er zwischen den Tischen hindurch Richtung Küche lief und schließlich hinter dem Regal verschwand, das den hinteren Bereich vor den Gästen abschirmte.

Ich runzelte die Stirn, versuchte mir nichts weiter anzumerken und folgte meinem Chef nach hinten. Als ich zu ihm aufgeschlossen hatte, war eine seiner Hände in die Seite gestützt, während er sich mit der anderen im Nacken kratzte.

»Was ist los?«, fragte ich, verschränkte die Arme und trat näher an ihn heran. Mein Magen verkrampfte sich bei seinem ernsten Blick. Das hier würden keine guten Neuigkeiten werden.

»Ich muss dich entlassen.«

Entgeistert starrte ich George an. Was?

»Was?« Das konnte nicht sein Ernst sein. »Wieso?«, fragte ich und spürte wie die Verzweiflung Besitz von mir ergriff. Ohne diesen Job war ich aufgeschmissen. Ich konnte ihn nicht verlieren. Wovon sollte ich dann leben? Wie sollte ich meinen Unterhalt, meine Miete bezahlen?

Doch statt mir eine Antwort zu geben, griff er nach dem Namensschild an meinem Kragen und riss es an sich.

Ich schnappte entrüstet nach Luft und zog verärgert meine Augenbrauen zusammen. Ernsthaft? So ging er mit mir um, nachdem ich mir über sechs Monate für ihn den Hintern abgerackert hatte? Was für ein Arsch!

»George!«

Doch er blickte mich schon gar nicht mehr an. Er ließ mich stehen und kehrte zurück zu den Gästen. Dabei war die Sache für mich noch nicht gegessen. Er konnte mir nicht einfach eröffnen, dass er mich entließ und dann kein weiteres Wort dazu sagen. Ich wollte wenigstens einen Grund! Ich hatte ein Recht den Grund zu erfahren. Er konnte mich nicht einfach so kündigen.

»Hey! Was soll das? Warum feuerst du mich?«, fuhr ich ihn an, während ich ihm nachlief. Aber er drehte sich nicht um. Zumindest nicht bis ich ihn leicht gegen den Oberarm boxte. Er konnte mich nicht einfach so abbügeln, das ließ ich nicht auf mir sitzen.

»Lyra«, murrte er und baute sich vor mir zu seiner ganzen Größe auf. Er war ein Riese. Mit seinen knapp zwei Metern, die er in die Höhe ragte und den gefühlt drei Meter breiten Schultern, war er ein Kollos von Mann. Und auch wenn nicht alles daran aus Muskeln bestand, war es genügend, um verdammt bedrohlich zu wirken.

Smallest HeroesWhere stories live. Discover now