Kapitel 9: Der Aufstieg II

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Der schneidende Wind erschwert deinen Aufstieg. Du hast Mühe, einen wirklich festen Griff zu halten, so steif sind deine Finger mittlerweile gefroren. Die Wunde an deiner Hand sorgt noch zusätzlich für Schmerzen, das einzige Zeichen, dass du deine Hände noch spüren kannst. Stufe für Stufe kämpfst du dich weiter. Das Meer fest im Blick.

Erstens, kommst du dann nicht auf die Idee nach unten oder oben zu schauen, nur um festzustellen, dass es noch unglaublich weit ist. Und zweitens, was noch viel wichtiger ist, siehst du Wellen rechtzeitig auf dich zukommen. So auch jetzt.

Als du sie von weitem kommen siehst, stellst du dich sofort möglichst seitlich zur Wellenfront auf die Leiter. Du hältst dich so fest du kannst. Schließt die Augen. Und hoffst auf das Beste. Dann bricht die Wucht der Welle über dich herein. Aber sie ist weniger gewaltig, als du zuerst befürchtet hast. Einzig die klapprige Leiter schwankt unter ihrer Gewalt. Für einen Moment befürchtest du, sie könnte sich vom Gerüst lösen. Panisch siehst du nach unten. Könntest du einen Fall überleben? In deinem Kopf beginnt sich alles zu drehen. Du zwingst dich wieder nach vorn auf das Meer hinaus zu schauen. Und stellst fest, dass die Leiter aufgehört hat sich zu bewegen.

Erleichtert atmest du auf. Froh darüber, dass die Wellen dich nicht nochmal verletzt haben. Vermutlich liegt es daran, dass du jetzt weiter oben bist. Da kann nicht mehr ganz so viel Wasser ankommen, wie unten. Die brüchige Leiter macht dir dennoch Sorgen. Aber darüber kannst du dir ein andermal Gedanken machen! Entschlossen starrst du weiter auf das Meer hinaus und nimmst die nächste Stufe. Dir fällt auf, dass die Wellen jetzt in geringeren Abständen kommen als zuvor. Der Sturm scheint nach zu lassen. Das hoffst du jedenfalls.

Bei der nächsten Stufe rutscht du mit deiner gesunden Hand aus. Für einen Bruchteil einer Sekunde hängt dein ganzes Gewicht an deiner verletzten Hand. Dir wird leicht schwarz vor Augen, obwohl du deine Handfläche sofort wieder entlasten konntest. Erschrocken über diesen Schwächeanfall hältst du inne.

Dein Herz beginnt noch heftiger zu schlagen als zuvor. Angst durchströmt deinen Körper. Angst, dass du es nicht schaffen könntest. Angst, dass du zusammenbrechen könntest. Aber das darfst du nicht! Du würdest sterben. Und Mike auch! Das rufst du dir immer wieder in Erinnerung. Solange, bis du daraus neue Kraft schöpfen kannst. Dein Wille ist stärker als dein Verstand, der dich anschreit, dass die Situation aussichtslos ist.

Und so nimmst du die nächste Stufe. Und wieder die nächste. Eine Welle kommt auf dich zu, doch sie ist zu niedrig, um dich ernsthaft zu gefährden. „Die Wellen werden niedriger!", jubelst du innerlich. Dieser Gedanke spornt dich noch weiter an. Du schaffst noch eine Stufe und noch eine.

Plötzlich bist du oben angekommen. Völlig überrascht und erleichtert darüber, dass es dir tatsächlich gelungen ist, hievst du dich nach oben, auf die Plattform. Endlich kannst du dich hinsetzen! Jeder deiner Muskeln ist erschöpft und schmerzt vom Schwimmen und dem Aufstieg.

Du bist so unglaublich müde. Dein ganzer Körper schreit nach einer Pause. Doch ein Gedanke lässt dich nicht los, lässt dich wieder aufstehen und nach unten sehen. Mike. Er ist immer noch unten an der Leiter und hält die unterste Stufe fest umklammert.

Du schnappst dir das Seil an deinem Handgelenk undziehst mit aller Kraft daran. Sofort jagt ein stechender Schmerz von deinerverletzten Hand durch deinen ganzen Körper und dir wird wieder schwarz vorAugen.


So...Anita hat es nach oben geschafft. Und im nächsten Kapitel? Ich könnte Mike sterben lassen, damit Anita auf sich allein gestellt ist. Wäre das nicht dramatisch? Sie hat alles versucht, sein Leben zu retten und am Ende stirbt er doch? Aber vielleicht lasse ich ihn ja auch nicht sterben.  Antwort darauf gibt es im nächsten Kapitel. ;-)

Bis dahin, macht es gut!
LG Rivinia


ENTKOMM! Wind und WellenWhere stories live. Discover now