Kapitel 13: Sei gut zum Meer

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Schon seit Ewigkeiten hattest du etwas für Mike übrig. Aber jetzt, hier und heute hast du das Gefühl, ihm so nahe zu stehen wie nie zuvor. Du widerstehst dem Drang, ihn zu umarmen. Du möchtest ihn jetzt nicht bedrängen. Mike senkt den Blick.

„Barnabas ist dann nicht mehr lange bei uns gewesen. Eines Tages war er einfach weg, für immer. Ist wahrscheinlich abgehauen. Meine Eltern waren furchtbar wütend und hatten sich nie wieder gut mit ihm verstanden. Sie wollten, dass ich trotzdem Schwimmen lerne, aber immer wenn ich Wasser gesehen habe, wollte ich mich irgendwo festhalten, damit man mich nicht hineinschubsen kann. Es ist wie eine Art Schalter der sich bei mir umlegt. Wie ein Instinkt. Und den bin ich bis heute nicht losgeworden.", am Ende seiner Erklärung schaut Mike wieder zu dir auf.

Du weißt nicht was du sagen sollst. „Das ist...wirklich furchtbar.", meinst du schließlich. Mike lächelt matt. „Am liebsten würde ich ihn vergessen.", gesteht er. „Deshalb erzähle ich auch nie jemand von ihm." – „Aber...du bist doch bei allen beliebt? Rufus und deine Freunde würden das bestimmt verstehen.", sagst du in einem schwachen Versuch, ihn aufzumuntern.

„Würde er das? Nachdem er mich auf der Windrose im Stich gelassen hat bin ich mir da nicht mehr so sicher.", sagt Mike und sieht zu dir herüber. Du nickst langsam, als er noch etwas hinzufügt: „Weißt du, wie beliebt man ist, sagt eigentlich nicht so viel aus. Es ist mehr so etwas wie eine Show, man versucht, sich möglichst cool zu geben. Ich denke, das muss so sein. Bei mir war es eher Glück, dass die richtigen Leute mich witzig finden. Es mögen mich nicht so viele Leute, wie du denkst. Und du bist auch nicht so verhasst wie du glaubst. Weißt du, ich denke, dass einige Leute dich insgeheim mögen."

Der letzte Satz trifft dich bis ins Mark, wie ein Blitz durchzuckt er dein Gehirn. Verbunden mit der einen Frage: Hatte Mike gerade gesagt, dass er dich insgeheim mag? Oder war es nur so dahingesagt? Konnte es wirklich sein, dass es ihm so geht wie dir? Aber das ist unmöglich, so wie er gestern noch mit dir geredet hatte, oder? War es möglich?

Dein Herz beginnt zu rasen. Du bist furchtbar aufgeregt, als du zu Mike aufschaust. Gespannt wartest du auf seine nächsten Worte. Doch Mike scheint das gar nicht zu bemerken, er meint nur: „Du hast bestimmt noch nie schlechte Erfahrungen mit dem Wasser gemacht."

Enttäuscht von diesem plötzlichen Themenwechsel wendest du dich wieder ab. Eine Erinnerung aus deiner Kindheit taucht wieder in deinem Kopf auf. Du hattest sie lange Zeit vergessen, doch Mikes Frage hat sie wieder hervorgeholt. Einfach so.

„Doch, da gab es mal eine Situation. Als ich schlechte Erfahrungen mit dem Wasser gemacht habe, meine ich.", beginnst du deine Erzählung. „Ich war sechs Jahre alt, als ich mit meinem Onkel wieder mal am Strand war. Da gab es einen langen Steg, der auf das Meer hinausgeführt hat. An seinem Ende konnte ich gerade so meine Füße ins Wasser halten, wenn Flut war und ich mich hingesetzt habe. Jedenfalls fand ich es an dem Tag lustig, das Wasser zu treten. Immer wieder stapfte ich mit meinen Füßen gegen die Oberfläche und liebte das Kitzeln, das dabei entstand.

Plötzlich kam eine große Welle und hat mich ein kleines Stück mitgerissen. Ich bin über den Holzsteg geschleift und habe mir mehrere Splitter zugezogen. Es hat ziemlich weh getan. Zum Glück war mein Onkel gleich mit seinem erste Hilfe Set da. Nachdem ich ihm erzählt hatte, was passiert ist, meinte er: ‚Nur wenn du gut zu dem Meer bist, wird es auch gut zu dir sein.' Ich hätte es nicht treten sollen. So hat das Meer zurückgeschlagen.", schließt du.

„Tja. In einem Punkt hat sich dein Onkel geirrt! Wenn wir gut zum Meer sind, ist es trotzdem nicht immer gut zu uns.", meint Mike. „Jedenfalls war es das gestern ganz bestimmt nicht." – „Findest du? Ich denke, man könnte es schon so sehen. Klar, der Sturm das war schlecht. Aber das lag nicht daran, dass wir schlecht zum Meer waren. Und das Meer hat uns ja auch hierher geführt oder? Damit hat es uns doch gerettet, oder?", erwiderst du unsicher.

„Da wär ich mir nicht so sicher. Klar, es hat uns neChance gegeben. Sonst wären wir wohl gestern schon draufgegangen. Aber dieBohrinsel ist absolut ausgestorben. Ich hab alles durchsucht. Aber gefundenhabe ich nur den Haufen Süßigkeiten.", er deutet zurück auf die Süßigkeiten,die er zuvor in der Ecke abgeladen hatte. Du hattest sie ganz vergessen.Nachdem du Mike erkannt hattest gab es so viel zu erzählen, dass du dich nichteinmal mehr darüber gewundert hattest. Mike sieht dich düster an: „Und was nochviel schlimmer ist: Ich habe nicht einen Tropfen Trinkwasser gefunden."


Hier das neue Kapitel mit etwas Verspätung. Ich hoffe sehr, weiterhin wöchentlich veröffentlichen zu können. Aber ich muss auch sagen, dass der Vorsprung, den ich hatte als ich mit dem Veröffentlichen begonnen habe, aufgebraucht ist. Ich hoffe also, ihr seht es mir nach, wenn ich es mal nicht schaffen sollte, denn eigentlich war geplant diese Geschichte ähnlich kurz zu halten, wie ENTKOMM! Feuer und Flammen aber dann habe ich spontan beschlossen, den Charachteren etwas mehr Tiefe zu geben und durch das Schreiben der letzten beiden Kapitel, die Geschichte in die Länge gezogen. Ich hoffe, euch gefällt, was aus den Charachteren während dieser beiden Kapitel geworden ist. Dann hätte sich das Risiko wenigstens gelohnt.;-)
VG
Rivinia

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⏰ Last updated: Apr 13, 2020 ⏰

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