Kapitel 4: Von Freude und Angst. Und wie nah alles beieinander liegt.

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Wie versprochen war Frau Held am Donnerstag wieder da. Voller Elan kam sie in ihr Büro und teilte dem kleinen Häufchen Elend eine sehr freudige Nachricht mit: „Ich habe beschlossen, dass du, also natürlich nur wenn du möchtest, gerne bei mir im Büro wohnen darfst. Wir müssten dann selbstverständlich ein paar Regeln aufsetzen und so weiter und so fort, aber ich habe die letzten zwei Abende viel darüber nachgedacht und eigentlich spricht da nichts dagegen. Du hättest endlich ein Zuhause und ich habe sowieso das größte und schönste Büro im ganzen Haus, das kann ich wirklich gerne mit dir teilen. Und wenn ich, wie so oft, bis spät abends arbeite, hätte ich zumindest etwas Gesellschaft, so profitiere ich also selbst auch davon, also brauchst du nicht mal ein schlechtes Gewissen zu haben."

Das kleine Häufchen Elend war sprachlos. Frau Held hatte sich wirklich Gedanken zu seiner Situation gemacht. Zwei Abende. In ihrer Freizeit. Und sie hatte eine super Lösung gefunden. Und dazu noch alles so gut durchdacht, dass das kleine Häufchen Elend sich bei der ganzen Sache nicht als zu aufdringlich oder lästig fühlen musste und quasi gar nicht nein sagen konnte – was es aber ohnehin auch nicht wollte.

Noch während es sich freute, überkam es jedoch eine Angst. Niemals, in der Geschichte aller Häufchen Elends war einem Häufchen Elend so viel Gutes auf einmal passiert ohne dass unmittelbar danach der totale Super-GAU eingebrochen war. Auf jede noch so kleine positive Sache folgte immer eine umso größere negative. Wie das Paradies auf dem Dach und die anschließenden Wochen alleine im dunklen Regenrohr. Das kleine Häufchen Elend wagte es gar nicht, daran zu denken, was wohl nach einer so positiven Erfahrung wie die, die es grade durchlebte, an schlimmen Geschehnissen folgen würde. Natürlich schossen ihm trotzdem direkt alle möglichen Katastrophen durch den Kopf und ehe es sich versah, war es mittendrin in einer seiner Mini-Panikattacken, die Häufchen Elends von Natur aus halt so haben. Irgendwas mit Genetik und Erziehung und so.

Also saß das kleine Häufchen Elend einfach so ganz elendig da und wartete ab, dass die Panik vorbei ging. Das war so ein doofes Gefühl, selbst wenn einem klar wurde, dass man grade eine Panikattacke hatte, konnte man nichts dagegen tun. Das kleine Häufchen Elend war wie gelähmt. Es konnte nicht sprechen, nicht atmen, es fühlte seinen kleinen Körper überhaupt gar nicht mehr.

Ein weiteres und wahrscheinlich auch nicht letztes Mal tat Frau Held etwas, dass das kleine Häufchen Elend verwunderte: Sie setzte sich neben es und fing an, in einem angenehmen Rhythmus geräuschvoll ein und aus zu atmen. Dabei legte sie dem kleinen Häufchen Elend die Hand auf den Rücken und bei jedem Ausatmen erhöhte sie leicht den Druck ihrer Hand, während sie beim Einatmen eher locker ließ und den Rücken dann nur ganz sanft berührte. Schon nach kurzer Zeit bemerkte das kleine Häufchen Elend, wie es im selben Rhythmus mit atmete und sich nach und nach langsam beruhigte. So saßen sie eine ganze Weile da, ganz in Ruhe, ohne jeglichen Druck.

Als das kleine Häufchen Elend sich wieder etwas besser fühlte, schaute es zu Frau Held auf und fragte: „Was haben Sie da grade gemacht? Und wie? Ich bin noch nie so schnell aus einer Panikattacke wieder raus gekommen." Frau Held erklärte ihm, dass es verschiedene Methoden gibt, sich selbst oder andere in einer Panikattacke zu beruhigen. Nicht jede Methode wirkt bei jedem und meistens erfordert es viel Übung und Ausdauer um die richtige Methode zu finden und in einer Notsituation auch anwenden zu können. Aber wenn man regelmäßig trainiert, kann man sich einen ganzen Werkzeugkasten an Hilfestellungen aneignen und ist im Fall der Fälle einer Panikattacke nicht ganz hilflos ausgeliefert. Das waren ganz neue Informationen für das kleine Häufchen Elend und es wollte unbedingt mehr dazu lernen. Wie es schien war es dafür im schönen alten gelben Haus genau an der richtigen Stelle gelandet und es glaubte jetzt immer mehr daran, dass die 3% Glückspilz, die es im Blut hatte vielleicht doch eher 13% oder 30% waren und dass das in seiner Familie einfach nur falsch überliefert worden war, wie so vieles. Und mit 13 oder 30% Glückspilz-Genen konnte doch wirklich weitaus weniger schief gehen, dachte sich das kleine Häufchen Elend, und beschloss, Frau Helds Angebot anzunehmen, in ihr Büro zu ziehen und diese glücklichen Ereignisse glücklich sein zu lassen und, zumindest vorerst, zu versuchen, sie zu genießen statt direkt Angst vor dem nächsten Tief zu haben.

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Das kleine Häufchen Elend - Band 1: Das kleine Häufchen Elend sucht ein ZuhauseTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang