Stadtbesuch

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Ich lief davon. Ich lief so schnell mich meine kurzen Beine tragen konnten. Warum oder wohin ich lief, wusste ich nicht. Ich wusste nur, dass meine Mutter mir befohlen hatte zu laufen. Im Laufen blickte ich hinter mich und erschrak. Vor unserer Hütte, die sich am Anfang des kleinen Dorfes befand, standen unzählige Gestalten, die ich nicht zuordnen konnte. Und aus der Mitte dieser Gestalten kam ein junger Mann mit weißen Haaren und roten Augen, die zu glühen schienen. Der Blick in seinen Augen jagte mir einen Schauer über den Rücken. Obwohl er viel menschlicher als die Gestalten, die ihm folgten, aussah, spürte ich dennoch irgendwie, dass er nichts Gutes versprach. Obwohl ich weiterlaufen sollte, beobachtete ich gebannt, was weiter passierte. Meine Mutter stellte sich ihm in den Weg. Ihre Haltung war kämpferisch, aber sie zitterte, das konnte ich sogar aus der Entfernung erkennen. Die beiden redeten, aber ich konnte natürlich nicht hören was sie sagten. Plötzlich nahm der Mann das Gesicht meiner Mutter in die Hände. Seine Augen leuchteten kurz blau auf. Dann ließ er meine Mutter los und sie sackte zusammen. Ein Schrei entrang sich meiner Kehle. Ich drehte mich um und lief weiter. In meinem Kopf hörte ich meine Mutter, wie sie mir versprach, dass sie nachkommen würde. Sie hatte gelogen. Verzweifelt rannte ich Richtung Wald. Aber bevor ich dort ankam, stellte sich eine hochgewachsene Gestalt mir in den Weg. Ich sah auf und blickte in ein Paar rote Augen.

Keuchend fuhr ich hoch. Die Angst, die ich in dem erschreckend realistischen Traum verspürt hatte, klammerte sich immer noch in meiner Brust fest wie eisige Klauen. Nur langsam konnte ich den Schreck, der mir in allen Gliedern saß, abschütteln. Auch mein Atem brauchte eine Weile, bis er sich normalisiert hatte. Ich wusste, dass es nur ein Traum gewesen war, aber er war mir so real vorgekommen. Es war, als hätte ich das alles wirklich erlebt. Aber das konnte nicht sein. Meine Großmutter hatte mir erzählt, dass meine Mutter mich als kleines Kind bei ihr vorbeigebracht hatte, da ihr das sesshafte Leben einer Hausfrau nicht behagt hatte. Sie wollte frei durch die Welt ziehen. Natürlich hatte es mich oft traurig gestimmt, dass meine Mutter mich nicht wollte, aber meine Großmutter hatte mich so sehr geliebt, dass sie mir kaum fehlte. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass dieser Traum eine tiefere Bedeutung hatte. Ich schüttelte den Kopf über mich selbst und stand auf. Ich schnappte mir meine Tasche und verließ das Haus, in dem ich die Nacht verbracht hatte.

Das Pflaster war nass und es hatten sich einige Pfützen gebildet. Scheinbar hatte es während des Gewitters geregnet. Ich schaute gen Himmel und stellte fest, dass dort noch immer dicke, graue Wolken hingen. Der Geruch des vergangenen Regens hing noch in der Luft. Ich liebte den Duft des Regens. Es beruhigte mich immer, wenn dieser schwere Duft in der Luft lag. Doch diesmal verfehlte er seine Wirkung auf mich. Dieser Traum und allgemein dieser Ort wühlten mich auf. Deshalb ging ich mit schnellen Schritten durch das Dorf. Erleichterung machte sich in mir breit, als ich es endlich hinter mir lassen konnte. Vom Dorf weg führte eine kleine, mit Kies bedeckte Straße. Irgendwann einmal war sie sicher viel benutzt worden, aber heute war der Kies teilweise schon abgetragen und lag in der Wiese und Pflanzen drängten sich ihren Weg durch den Belag. Ich versuchte zu erkennen, wohin die Straße führte, aber noch konnte ich nichts als Einöde erkennen. Nur Wiesen und Hügel und vereinzelte Baumgruppen waren zu sehen. Der Teil der Straße, den ich erkennen konnte, endete oben auf einem der größeren Hügel, der sich beinahe über den gesamten Horizont erstreckte. Wahrscheinlich ging die Straße auf der anderen Seite des Hügels wieder bergab. Vielleicht verbarg sich dahinter endlich eine Stadt. Ich würde es herausfinden.

Es dauerte den halben Tag, bis ich auf dem Hügel angekommen war. Jeder Schritt weiter vom Dorf weg fühlte sich fantastisch an. Auf meinem Weg konnte ich Stück für die Stück die bedrückte und aufgewühlte Stimmung, die dieser Ort in mir hervorgerufen hatte, loswerden. Auch der Traum geriet in den Hintergrund. Es war eben nichts weiter als ein ungewöhnlich realistischer Traum gewesen. Auf dem Hügel angelangt blieb ich erstmal stehen und ließ meinen Blick schweifen. Am Fuße des relativ weitläufigen Hügels befand sich eine Stadt. Unzählige Häuser, die von einer hohen Steinmauer umgeben waren, tummelten sich auf der Ebene. Und auf eine kleinen Anhöhe stand ein imposantes Haus. Schon aus der Ferne wirkte es gigantisch. Ich fragte mich, wer dort wohl wohnte.

Die letzte Kitsune [wird neu geschrieben]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt