Kapitel 7 ~ Verstecke

105 9 5
                                    

Sofort springt Freya auf, um zur Tür zu eilen und fällt der Person, die sie dahinter erwartet, überschwänglich um den Hals. Tatsächlich ist es ihre Kindheitsfreundin. Und sie ist noch ganz, also hat sie zumindest körperlich keinen Schaden genommen. „Ich habe dich so sehr vermisst! Dir geht es gut, oder? Bitte sag, dass es dir gut geht!", wimmert Freya verzweifelt und drückt die Andere noch enger an sich. Meliana lässt es sogar relativ lange über sich ergehen, bevor sie sie wegdrückt. „Mit meiner Hülle ist alles in Ordnung", antwortet sie daraufhin kühl und tritt ihren Weg zu dem Rest der Gruppe an.

„Ich bin erfreut über unsere Zusammenkunft. Seid ihr gesund?", bringt Meliana hervor und setzt ein Lächeln auf. Nur eine Fassade. Man sieht ihr an, wie sehr sie sich dazu zwingen muss. Aus dem Sitzkreis kommt nicht mehr als ein einstimmiges Brummen. Einige werfen dem Neuankömmling skeptische Blicke zu. „Nun denn, wahrscheinlich wurde euch bereits von meiner Entdeckung berichtet, deshalb können wir uns Erzählungen - und damit Zeit - sparen", fährt Meliana fort, während sie vor der Gruppe steht. Freya hat es derweil geschafft sich aus ihrer Starre zu lösen und sich zurück auf ihren Platz zu begeben, überrumpelt fühlt sie sich trotzdem noch. Sie kennt zwar Meliana, doch sie hätte nicht erwartet, dass sie so kühl sein könnte.

„Sybilla entnahm den Karten, ich könne hier einen Hinweis auf die Lösung meines Problems finden. Zwar hat er sich mir noch nicht eröffnet, allerdings ist, auf einen Impuls zu warten, im Moment die einzige Möglichkeit." Aurea sieht besorgt zu Freya hinüber und überlegt, wie sie ihr helfen kann, um über Melianas Gefühlskälte hinwegzusehen. Immerhin hat die Ältere sie auch jedes Mal aufgemuntert, wenn es ihr schlecht ging. Etwas unbeholfen legt sie also ihre Hand auf Freyas und beobachtet, wie sie beginnt schwach zu lächeln. Ist das ein gutes Zeichen? Unsicher blickt Aurea zu Seonghwa, der auf der anderen Seite sitzt, um sich zu versichern, dass sie keinen Fehler macht. Er bemerkt sie anfangs gar nicht, zu fixiert ist er auf Freya. Offensichtlich sieht er ihr ebenfalls, wahrscheinlich noch viel mehr an, wie perplex sie ist.

Gleichzeitig vernimmt Aurea dumpf das Gespräch, welches sich nun abspielt. Was besprochen wird, bekommt sie allerdings nicht mit, denn sie ist zu abgelenkt. Sie bricht innerlich bereits in Verzweiflung aus, als Seonghwa auch nach gefühlten Ewigkeiten noch nicht zu ihr sieht oder ihr nur das kleinste Zeichen übermittelt, ob sie richtig gehandelt hat.

Noch bevor sie diesen Gedanken zu Ende denken kann, wendet er sich ihr zu und nickt unauffällig. Jedoch hält Aureas Erleichterung nicht lange an; sie fühlt sich beobachtet. Nicht nur von Seonghwa. Vorsichtig blickt sie in dem Kreis herum, um festzustellen, dass ihre Vermutung stimmt. Wieso sehen sie plötzlich alle an? Hat sie in ihrer Abwesenheit etwas von sich gegeben, ohne es selbst bemerkt zu haben?

„Aurea", durchschneidet Melianas Stimme das Schweigen. Beim Erklingen ihres Namens zuckt Aurea leicht zusammen und wagt es kaum, der Älteren in die Augen zu sehen. Sie hat größten Respekt vor ihr. „Gibt es in diesem Haus irgendetwas, das in Bezug mit Sternbildern stehen könnte?" Eingeschüchtert sieht sie Meliana nun direkt an und schüttelt leicht den Kopf. Wieso sollte sie etwas derartiges besitzen? Sie kennt ja noch nicht einmal ihr eigenes Sternzeichen. Ihr Vater lästerte immer über Himmelsbeobachter und verbot es ihr, auch nur das geringste darüber zu erfahren.

„Bist du dir sicher? Es muss irgendetwas hier sein", bohrt Meliana ohne jegliche Gefühlsregung weiter und kommt ein paar Schritte auf sie zu. „Nein, Papa hielt das alles für Irrsinn", bringt Aurea gerade so hervor und blickt nun wieder auf den Boden. Auf ihre Aussage hin vernimmt sie ein entsetztes Schnaufen. Das ist doch nur die Wahrheit. Hätte sie es lieber für sich behalten sollen? „Keine Geheimfächer? Keine Verstecke? Nichts?"

Dem Funkeln in ihren Augen nach zu urteilen wird Meliana langsam wütend. Mit zusammengepressten Lippen versucht Aurea dem erneuten Blickkontakt standzuhalten und schüttelt ein weiteres Mal den Kopf. „Er erwähnte so etwas nie", fügt sie hinzu. Wieso hätte er es ihr auch verraten, wenn es - wie Meliana es selbst formulierte - doch geheim sein sollte? Jedoch spricht sie das nicht aus. Bestimmt wäre es zu offensiv und einen Streit möchte sie auf keinen Fall auslösen.

„Wir können aber nach einem suchen, Papa hatte einen Hang zu kleinen Verstecken", schlägt Aurea vor und schielt instinktiv zu dem kleinen Wohnzimmertisch hinunter. „Und ich denke, dass ich nicht einmal einen Bruchteil davon gefunden habe." So viel Enthusiasmus auch in ihrer Stimme steckte, so wenig zeigt sie davon, sobald sie ausgesprochen hat. Eigentlich möchte sie nicht nach ihnen suchen. Selbst wenn sie etwas finden, wollte ihr Vater das? Umsonst hat er diese Geheimfächer ja nicht erschaffen.

Meliana wendet sich ruckartig dem Tisch zu und sucht die Stelle mit ihren Augen ab. Offensichtlich hat sie Aureas Blicke bemerkt. „Da brauchst du nicht nachsehen. Diese Ablage ist leer. Ich habe sie vor Jahren aus Zufall entdeckt."

Irgendetwas in ihr sträubt sich dagegen, nach Hinweisen zu suchen. Es ist so, als solle sie nichts derartiges wissen, immerhin gab es ja einen Grund, weshalb ihr Vater es ihr verschwiegen hat. „In der Küche gab es auch mal ein Versteck. Und in der Goldschmiede. Mein Zimmer kam nie infrage. Gäbe es etwas in dem Schlafraum meiner Eltern, hätten Seonghwa oder Freya es bestimmt schon gefunden und Sans hat selbst Papa nie betreten - was uns beim Einzug ein wenig zum Verhängnis wurde", zählt Aurea ruhig auf und sieht zu Meliana. Jene hat die Augen weit aufgerissen und scheint völlig sprachlos zu sein. 

Aufgebracht rauscht sie zum Bücherregal im Wohnzimmer und begutachtet jeden Buchrücken genau. Ist dort der Titel nicht zu finden, zieht sie die Werke heraus und sucht diesen auf der Vorderseite. Anfangs stellte sie sie noch säuberlich zurück, doch mittlerweile ist sie so frustriert, dass sie sie zu Boden fallen lässt. Aus der Gruppe ertönen Aufforderungen, sie solle aufhören - aber sie ignoriert es. Als es ihr zu viel wird, springt Freya auf und hält ihre Kindheitsfreundin von dem Regal fern, während diese sich vehement wehrt. Ein paar der Anderen eilen derweil ebenfalls hinzu, um die Bücher wieder an ihren Platz zu stellen.

Aurea sitzt nur da. Ihr war es bis vor wenigen Augenblicken egal, ob Meliana ihren ach so begehrten Hinweis findet. Eigentlich wollte sie sogar davon ablenken und verhindern, dass sie ihn entdeckt. Die Jüngste hat nämlich eine Vermutung, wo sich die Lösung befindet. Denn sollte sie dort nicht sein, hätten die Karten gelogen.

„Unter einem der Beine des Esstisches ist eine Diele locker."

---

Habt ihr einen Lieblingscharakter bzw. mehrere Lieblingscharaktere? Und wenn ja, gibt es einen Grund dafür?

Passt auf euch auf 💛

[11.04.2020]

❀ endless questions ² || ATEEZWhere stories live. Discover now