acht - die Favoritinnen

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Camille McNewson

Anschließend trat Diana wieder vor uns und teilte uns Ladys in drei verschiedene Gruppen ein.

Adria warf mir einen alamierten Blick zu. „Ich glaube, dass jetzt direkt eine Eliminierung stattfindet", flüsterte sie mir zu. Es wurden fünf Ladys aufgerufen, deren Namen ich nicht kannte und auch, als sie sich neben Diana stellten, erkannte ich sie nicht. Und Diana fuhr tatsächlich fort, indem sie ihnen mitteilte, dass ihre Reise an diesem Punkt bereits beendet war.

„Na das ist ja super", schnaubte Lennon neben mir, „Da fährt man durch das halb Land, um an diesem Casting teilzunehmen und dann sagen sie einem direkt, dass man wieder gehen kann. Wie dankbar."

Ich musste grinsen. Diana war gerade dabei, vier weitere Mädchen aufzurufen. Keine meiner Freundinnen oder ich selbst waren dabei, was mich erleichtert aufseufzen ließ. Zwar rechnete ich nicht damit, dass sie noch mehr heimschicken würden, doch aufgerufen zu werden, konnte nichts Gutes bedeuten.

„Lady Emery, Lady Jourdan, Lady Athena und Lady Malin sind basierend auf dem ersten Eindruck der Lords ihre Favoritinnen", kündigte Diana an und deutete auf die vier jungen Frauen neben sich.

In Ordnung. Ich hatte mich getäuscht: Es konnte doch etwas Gutes bedeuten, aufgerufen zu werden.

„Sie werden nun mit mir kommen, um ein erstes Interview abzugeben", fuhr sie fort, „Die Auswahl der Favoritinnen wird jede Woche nach einem Bericht erfolgen und verleiht denjenigen Ladys eine Immunität für die nächste Entscheidung. Das bedeutet, dass diese vier glücklichen Damen sich keine Sorge machen müssen, in der nächsten Woche gehen zu müssen."

Adria und ich tauschten einen Blick und sahen dann wieder nach vorn. Erneut kannte ich die vier nicht persönlich, sondern konnte mich nur vage an ihre Gesichter von der Begrüßungszeremonie erinnern. Eine von ihnen war allerdings das Mädchen, welches gemeinsam mit Rayna und Lennon als Letzte die Eingangshalle betreten hatte. Also drehte ich mich zu Lennon um.

„Kennst du sie?", fragte ich sie im gedämpften Ton.

Lennon folgte meinem Blick und nickte schließlich. „Malin", ihre Stimme blieb neutral. Anscheinend hatte sie nicht wirklich eine ausgeprägte Meinung zu dem Mädchen oder hatte nur nicht die Muße, mir länger von ihr zu erzählen.

Typisch Lennon.

Lady Malin war sehr hübsch auf eine zierliche, beinahe fragile Art. Sie sah tatsächlich so aus, als stammte sie aus einem Schaufenster oder einem Keramikladen. Ich hatte Angst, dass sie bei dem nächsten Windstoß zerbrechen würde. Ihre langen schwarzen Haare waren dick und strukturreich, während ihre mandelförmigen dunklen Augen endlos zu sein schienen.

Sie trat lächelnd auf einen schlaksigen Mann zu, welcher anscheinend das Interview leiten würde. Ich war überrascht, als er sie bedeutete, sich auf einen Stuhl zu setzen und anscheinend umgehend mit dem Interview beginnen wollte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass wir restlichen Ladys dabei sein würden.

Auch Malin schien unsere Anwesenheit zu verunsichern. Ihre Augen flackerten nervös an dem Mann vorbei und beim Interview schien sie nicht ganz bei der Sache zu sein. Sie war leise und unsicher. 

Unwillkürlich fragte ich mich, welcher der vier sie wohl ausgewählt hatte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es John gewesen war. Dafür war er zu aufgeweckt und lebhaft gewesen, wohingegen Malin reserviert und hübsch war. Möglicherweise war es allerdings auch nur die Eifersucht, die aus mir sprach. Ich war keinesfalls in John verliebt oder verspürte einen Besitzanspruch auf ihn, doch ich hatte mich gut mit ihm verstanden und obwohl ich es nicht wollte, traf es mich doch, dass er anscheinend mit einer anderen ein noch unterhaltenderes Gespräch gehabt hatte. Ich fühlte mich, wie im Zoo. Alle unsere Taten wurden beobachtet und bewertet.

Als der Mann sich dem nächsten Mädchen zuwandte, erlebte er einen vollkommen anderen Charakter. Malin war reserviert und zurückhaltend gewesen. Aus Athenas Augen hingegen strahlte ein helles sturmgrau, welches gut zu ihren hellblonden Haaren passte. Auch ihr Kleid umspielte ihre Beine und ließ sie aussehen, wie eine schwebende Wolke. Oder ein bewegter Sturm. Ich konnte mich noch nicht entscheiden, welches der beiden Athena war. Sie sah wild aus. Selbst als sie sich setzte, majestätisch wie ein Löwe.

„Lady Athena", begann der Interviewer, „Sie sind unter den vier Favoritinnen nach einem ersten Treffen. Wie fühlt es sich an, direkt zu Beginn eine solche Bestätigung zu fühlen?"

„Bestätigt", erwiderte Athena und zog eine Augenbraue hoch, als wäre die Frage vorhersehbar gewesen. Das war sie natürlich auch. Doch anders als Lennon es getan hätte, fuhr Athena nun fort. „Ich habe gleich von Anfang an gewusst, dass es hier ein harter Kampf werden würde. Umso glücklicher war ich natürlich, als ich mitbekommen habe, dass ich eine der Favoritinnen bin."

Das Interview ging weiter und Athena zeigte weiterhin ihre selbstbewusste und dennoch sehr charmante Art. Sie wirkte wie ein Naturtalent, ohne überheblich oder agehoben zu wirken.

„Wie schafft sie das nur?", seufzte Adria.

Ich lächelte leicht und ergriff ihren Arm. „Du solltest dich lieber auf dich selbst konzentrieren", riet ich ihr und zog sie ein wenig weiter nach hinten in den Raum, damit wir uns ungestört unterhalten konnten.

„Ich frage mich bloß, von wem jede von ihnen gewählt wurde oder meinst du, dass es eine gemeinsame Entscheidung war?", mutmaßte Adria und zwirbelte sich eine Haarsträhne um einen Finger.

Ich schüttelte langsam den Kopf. „Ich denke nicht, ehrlich gesagt. Dazu blieb ihnen viel zu wenig Zeit. Wahrscheinlich hat jeder von ihnen einfach eine Favoritin ausgewählt."

„Bist du enttäuscht, dass du nicht dabei bist?", fragte Adria und sah mich dabei direkt an. Ich hatte lachen wollen, doch die Ernsthaftigkeit in ihrem Blick ließ mich innehalten. War ich enttäuscht?

„Nein", sagte ich schließlich, „Und wenn überhaupt dann nur um des Castings Willen. Ich stehe auf keinen von ihnen genug, um es den vieren irgendwie zu missgönnen oder eifersüchtig zu sein."

Adria nickte. „Ich wünschte, mir ginge es genauso. Vielleicht liegt es daran, dass ich sehr ehrgeizig bin. Schon als kleines Kind, konnte ich nie verlieren und bin wütend in mein Zimmer gelaufen, wenn ich eine Runde Brettspiel mit der Familie verlor."

Ich lachte leise. „Vergleichst du gerade wirklich ein Brettspiel mit diesem Casting?"

„Genau so schnell und unvorbereitet kannst du jedenfalls rausfliegen", sie zuckte grinsend mit den Schultern, „Aber du sagtest vorhin, du stehst auf keinen der vier genug. Welchen von ihnen findest du denn gut?"

Ich zögerte abermals. Es war etwas anderes, Gefühle zu haben, als sie auszusprechen. Natürlich konnte man auf keinen Fall von Liebesgefühlen sprechen, ich fühlte mich nicht einmal besonders zu einem von ihnen hingezogen, aber neugierig hatten sie mich doch gemacht. „Ich finde sie alle nett", sagte ich, „Aber mit John hatte ich am meisten Spaß."

Adria legte für einen Moment den Kopf schief, als versuchte sie nachzuvollziehen, ob wir ein gutes Paar abgeben würden. „Er verdreht den Ladys reihenweise den Kopf", stellte sie fest.

Ich lachte. „Du brauchst dich um mich nicht zu sorgen. Ich könnte eine Abfuhr eindeutig verkraften. Aber ich bin einfach gespannt, ihn genauer kennenzulernen."

Mit dieser Antwort schien Adria sich zufrieden zu geben. Wir sahen, dass auch das Interview mit Lady Jourdan beendet war. Ein Mädchen mit schokoladenbrauner Haut, Emery, und seidigen Haaren trat als Letzte vor, um sich dem harmlosen Interview zu stellen.

„Ich hatte ehrlich gesagt damit gerechnet, dass man ziemlich unangenehme Fragen beantworten muss", sagte ich, „Immerhin wird man als Königin auch immer wieder mit schwierigen Situationen und Fragen in einem Interview konfrontiert und muss damit professionell und neutral umgehen."

„Meinst du nicht, dass man in echt die Fragen vorher gesagt bekommt, damit man sich auf sie vorbereiten kann? Und wenn nicht, dann können sie jedes Interview mindestens zehn Mal aufnehmen", Adria zuckte mit den Schultern.

Ich nickte abwesend und schloss dann die Augen. Vielleicht waren einige Dinge im Schloss anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Doch ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war - das galt es noch herauszufinden.

The Selection - never give upOnde histórias criam vida. Descubra agora