Kapitel 24 - Überraschung !

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Schon längere Zeit lag ich wach und schaute an die Decke. Es hätte keinen Sinn gemacht, sich noch weitere dreitausend Mal zu drehen und doch nicht einzuschlafen. Ich wusste, dass man mir diese Nacht ansehen würde, aber was sollte ich schon machen? Immer wenn ich zu sehr über etwas nachdachte, wollte sich mein Körper nicht erholen, geschweige denn schlafen.

In den vielen ruhigen Stunden hatten meine Gedanken langsam wieder eingesetzt und somit auch die Gefühle. Ich konnte nicht leugnen, dass es mir schlecht ging, weil man es mir einfach ansah. Es half alles nichts.

Also stemmte ich mich auf meine Unterarme und schaute rechts neben mich. Marie lag friedlich schlafend da und hatte ihre Decke als zweites Kopfkissen missbraucht. Leicht hoben sich meine Mundwinkel an. Ihre langen Wimpern warfen einen Schatten auf ihre süß geröteten Wangen. Wenn ich sie nicht hätte, dann wäre ich oftmals verloren.

Gestern hatte ich sie gebraucht und wie immer war sie da gewesen. Ohne ein Wort zu verlieren, hatte sie mich vor einigen Stunden abends einfach so in ihr Zimmer gezogen. Am Anfang hatte ich mich gewundert, wo Tim sei, aber ich hatte nicht so großes Interesse, um wirklich nachzufragen.

Wieder legte ich mich hin und diesmal so, dass ich meiner besten Freundin in das Gesicht sehen konnte. Was wir schon alles gemeinsam erlebt hatten. Schon seit der ersten Begegnung waren wir für den anderen da. Ich weiß noch, mit was für einem guten Gefühl ich meiner Mama erzählt hatte, dass ich nun endlich eine Freundin gefunden hatte. Ich war so glücklich, weil ich für mich die Person gefunden hatte, die mich in einer Welt voller übernatürlicher Wesen immer unterstützen würde.

Ich hatte mich während meines Gedankenganges wieder auf meinen Rücken gerollt und beobachtete nun wieder, wie das Sonnenlicht an bestimmten Stellen die weiße Farbe der Decke strahlen ließ. Trotzdem konnte es die leicht dreckigen Flecken nicht verdecken, was darauf hindeutete, dass diese Akademie auch schon einige Zeit existierte.

Auf einmal wurde leicht an meiner Bettdecke gezogen und als ich rüber sah, bemerkte ich, dass Marie wach war und mich musterte.

Ergeben seufzte ich und sagte mit einer noch rauen Stimme vom Schlafen: "Na los, frag schon."

"Was ist passiert?" Sie sprach sehr leise und einfühlsam. Marie war klar, dass es sich nicht um eine Nichtigkeit handelte, sondern etwas viel Wichtigeres. 

"Ich wollte gestern mit Kiyan über uns reden. Ich dachte, dass er mich danach verstehen würde und wir endlich eine Chance hätten, aber anscheinend habe ich das totale Gegenteil erreicht. Immerhin wollte er mich am Ende gewaltsam markieren."

Entstetzt schaute sie mich an. "Deswegen ist Tim gestern abend aufgesprungen und rausgerannt. Er meinte zu mir nur, dass er jetzt zu seinem Alpha müsste. Irgendwas würde nicht stimmen."

Traurig nickte ich. "Weißt du, wie es ist, wenn du den Menschen, mit dem du vorher die ganze Zeit zusammen warst, nicht mehr wieder erkennst? Sein innerer Wolf war so entschlossen, mich zu seinem zu machen. Ich war so machtlos und hatte Angst. Ich will gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn meine Flucht nicht geklappt hätte."

Ich dachte eigentlich, dass ich keine Tränen mehr hatte, aber anscheinend lag ich da falsch. Schon wieder fing ich an mit weinen. Diesmal war aber kein Wolf neben mir, der mich tröstete, sondern meine beste Freundin.

Sanft kuschelte sie sich an mich und nahm mich, so gut es ging, in ihren Arm. "Amalia, ich weiß, dass das nicht einfach für dich war, aber willst du denn jetzt schon aufgeben? Normalerweise gibst du doch nie auf, wenn du weißt, dass es sich lohnt, darum zu kämpfen. Auch, wenn du es jetzt noch nicht sehen magst, aber die Matebindung kann etwas so schönes sein. Es wird immer Probleme geben. Auch bei mir und Tim wird irgendwann eine Zeit kommen, in der wir uns nicht einig sein werden, aber ich bin mir sicher, dass wir das durchstehen, da wir nicht aufgeben. So, wie du es damals zu Viola und mir gesagt hast, als wir dachten, dass unsere Mates weg wären. Gib nicht auf. Ich bitte dich lediglich, deine eigenen Ratschläge zu befolgen."

Langsam hob ich meinen Kopf und erwiederte: "Ich will ja nicht aufgeben, aber ich muss das Ereignis erst einmal verdauen. Ich dachte immer, dass mein Mate mir nie etwas antun würde. Gestern habe ich in seinen Augen gesehen, dass er bereit war, seinen Willen durchzusetzen. Ich habe nicht Angst vor Kiyan. Ich habe Angst vor dem Monster, das in ihm steckt."

"Ich weiß, Amalia." Am Ende seufzte Marie noch einmal und dann schwiegen wir wieder.

Es war alles gesagt.

Irgendwann hatte ich mich dann wieder beruhigt und wir waren aufgestanden und hatten uns fertig gemacht. Immerhin war heute Mittwoch und wir hatten trotzdem Schule. Ich wollte eigentlich jetzt noch keine Gedanken daran verschwenden, wie es werden wird, wenn Kiyan und ich uns das erste Mal wieder begegnen. Diese Situation würde schon früh genug kommen.

Warum musste uns diese Akademie auch unbedingt lehren, wie wir als Mates gemeinsam funktionierten. Nur so, wären wir angeblich in der Lage ein gutes Rudel zu führen und unsere späteren Rollen pflichtbewusst zu erfüllen.

Wir schlossen die Tür hinter uns, ohne das Bett gemacht zu haben und gingen zum Frühstück. Innerlich versuchte ich mich zu wappnen und ging in Gedanken schon einmal jede mögliche Situation durch. Ich wusste nicht, was auf mich zu kam und manchmal war die Unwissenheit ein schwieriges Los.

Wir kamen den Saal immer näher und automatisch wurden meine Schritte immer langsamer. Mein Herz schlug ein kleines bisschen schneller und so wusste ich, dass Kiyan schon auf mich wartete. Unwillkürlich wollte ich die Begegnung noch mehr hinauszögern. Marie machte mir da jedoch einen Strich durch die Rechnung, nahm meine Hand und lief wieder zügig los.

Schon wieder zog sie mich mit sich. Vor den Flügeltüren hielt ich an, drückte ihre Hand noch einmal kurz, bevor ich sie dann losließ. Sie verstand mein Danke und, dass ich stark genug war, dass allein durchzustehen.

Ich richtete mich gerade auf und atmete tief durch. Dann trat ich einen Schritt nach vorn und die schweren Türen glitten durch die Magie geschmeidig auf.

Erhobenen Hauptes lief ich herein. Marie folgte mir und stand zu mir. Mehr brauchte ich nicht.

Schnell erblickte ich Viola, Zain, Tim und meinen Mate. Kiyan hatte mich sofort bemerkt und in sekundenschnelle erhoben. Seine eisblauen Augen beobachteten jeder meiner Bewegungen, als ich auf den Tisch zu lief. Je näher ich kam, desto mehr sah ich, dass der gestrige Tag Spuren bei uns beiden hinterlassen hatte. Seine schwarzen Haare standen in alle Richtungen ab, was ich so noch nie an ihm gesehen hatte und seine Augen zierten leichte Ringe.

Ich sagte dazu jedoch nichts, da ich nicht besser aussah. Der Spiegel hatte mir die Wahrheit gezeigt und schlimme Augenringe, sowie blasse Wangen präsentiert.

An dem Tisch angekommen, schaute ich nur Kiyan an und er auch nur mich. Wir beide warteten auf eine Reaktion des jeweils anderen. Unsere Freunde hatten taktvoll ihren Blick abgewandt und Marie war wieder an Tims Seite, worüber er sich sehr zu freuen schien.

Langsam kam er auf mich zu. Kurz durchzuckte mich Angst, die ich jedoch schnell unterdrückte, als ich sah, dass seine Augen nicht dunkel schimmerten.

Er wollte meine Hand in seine nehmen, jedoch zog ich sie nach einiger Zeit zurück. Ich wollte noch keinen Körperkontakt. Nicht, wenn ich mir nicht zu hundert Prozent sicher war, dass er mich bei der nächsten Umarmung nicht in den Hals beisen würde.

Traurig schaute er kurz auf meine Hand, verstand es aber und  blickte mir dann wieder in die Augen. "Es tut mir leid." Seine Worte glichen einem Flüstern und ich hatte Mühe, sie zu verstehen, da ich zudem ja auch noch ein Mensch war.

Ich lächelte ihn leicht an und ein kleiner Hoffnungsfunken zeigte sich in seinen Augen. Ich würde nicht aufgeben und kämpfen. Wir hatten vielleicht Startschwierigkeiten, aber wir würden das schon schaffen. Jeder Paar stritt sich doch mal.

Gemeinsam setzten wir uns an den Tisch und die anderen fingen an, über verschiedene Dinge zu reden. Ich achtete darauf, Kiyan nicht zu berühren und nahm meinen Löffel in die Hand. Ich rührte meinen Joghurt um, da ich es nicht mochte, wenn die Blaubeeren nicht genug verteilt waren.

Da öffneten sich die magischen Flügeltüren wieder und ein blonder Haarschopf kam zum Vorschein. Die so bekannten braunen Augen meines besten Freundes wanderten durch den Raum auf der Suche nach jemanden. Als sein Blick an unserem Tisch hängen blieb, warf er seine Arme in die Luft und rief: "Überraschung!"



Soulmate - into the unknownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt