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Ich war in einem hellen Raum. Überall war Licht. Ich war mir nicht einmal sicher, ob es wirklich ein Raum war, oder doch eher ein endloses Etwas. Es war angenehm warm. Nicht zu warm, nicht zu kalt. Es war kein Wind. Einfach schön. Es war einsam. Ich mochte es nicht einsam zu sein. Mit alleinsein hatte ich noch nie ein Problem, aber ich hasste Einsamkeit. Ich drehte mich ein paar Mal um. In der anderen Richtung sah es genauso aus. Plötzlich veränderte sich die Farbe. Aber nicht in Blau, Rot, Grün oder Schwarz. Nein es waren mehrere Farben. Ich drehte mich wieder zurück. Dort war ein Viereck erschienen. Es erinnerte mich an das Bild eines Beamers. Langsam fingen dort an, Bilder zu erscheinen. Zuerst war ich verwirrt. Sehr sogar. Aber dann erkannte ich sie. Es waren Bilder aus meiner Kindheit. Wie ich in den Kindergarten gekommen war. Eingeschult wurde. Mein 5. Geburtstag. Mein 10. Geburtstag. Meine Umschulung. Ein Bild von meiner besten Freundin und mir. Dann wurde der Bildschirm schwarz. Ich wusste zwar nicht genau, was dies bedeutete, konnte es mir aber vorstellen. In dieser Zeit fing ich an nach meinem Vater zu suchen. Nach einer langen Pause ging es weiter. Diesmal waren es keine Bilder. Es waren Videos. Von traurigen Momenten. Von glücklichen Momenten. Von wahnsinnigen Momenten. Von einmaligen Momenten. Von lustigen Momenten, alle die mein Leben ausgemacht hatten. Dann war alles wieder schwarz. Aber nicht nur der Bildschirm. Auch alles um mich herum war schwarz.

Alex hatte sich keinen Meter bewegt, seit er sich gestern auf den Stuhl gesetzt hatte. Er hatte sich noch nicht einmal einen Kaffee geholt. Er wollte auf keinen Fall weg sein, wenn Hannah aufwachen würde. Davon war aber noch kein Anzeichen. Er schreckte hoch. Seine Hand wurde feucht. Mittlerweile lag sich nicht mehr auf der Decke. Er hatte sie unterbewusst auf ihr Gesicht gelegt. Sie weinte.

Sie begann zu blinzeln. Ihre Augen öffneten sich langsam.

Ich spürte, wie etwas an mir zog. Wie ein Seil. Aber ich konnte es weder sehen noch fühlen. Ich konnte ein helles Licht sehen. Dieses Mal aber bläulich. Das von meinem Krankenhausbett. Ich konnte meine Augen nur langsam öffnen. Nicht weil ich zu schwach war, nein, es war einfach zu hell. Als sie ganz geöffnet waren, sah ich in das Gesicht von Alex. War er die ganze Zeit hier gewesen? Durfte er eigentlich hier sein? Es war mir egal. Ich musste ihm von dem Brief erzählen. Gerade als ich meinen Mund öffnen wollte, sagte er sanft: „Hey." Und lächelte mich an. Ich kam nicht dazu, etwas zu sagen, da in diesem Moment der Doktor reinkam. „Gut, dass sie wach sind. Es war sehr leichtsinnig von Ihnen einfach aufzustehen. Aber sie hatten Glück. Wir mussten Ihnen eine weitere Infusion legen, da ihre Messwerte sehr hochgestiegen sind." Er ging wieder. Währenddessen sagte er noch: „Sie haben übrigens fast 24 Stunden geschlafen." Auch wenn mein Vater ausdrücklich geschrieben hatte, ich solle es niemandem zeigen, musste ich es tun. „Alex, der Brief." Meine Stimme keineswegs undeutlich oder schwach, Dennoch hackte er nochmal nach: „Der was?" „Der Brief. Ich habe einen Brief bekommen. Du musst ihn lesen." Er nahm den Brief. Wie als ob er ihn gescannt hätte, nach besonderen Zeilen, sagte er direkt: „Ich darf das nicht lesen." „Doch. Der Brief gehört mir und somit darf ich auch bestimmen, was damit passiert. Er hat nie seine Versprechen gehalten, warum sollte ich also auf ihn hören?" Er zog die Augenbrauen kurz nach oben. Was genau er damit aussagen wollte, war mir allerdings unklar. „Woher wusste er, dass du im Krankenhaus liegst, wer das war und wann?" „Ich habe keine Ahnung. Du musst mir was versprechen." „Klar." „Du darfst ihn niemandem zeigen. Ich habe ihn dir gezeigt, weil ich dir sehr vertraue, aber sonst darf davon erstmal keiner erfahren." „Okay. Weißt du was er meint mit es werden viele Menschen sterben?" Ich schüttelte den Kopf. Für mich war dieser Brief ein einziges Rätsel. Ich wusste auch nicht, ob er mir half. Ich war zum Teil sogar ratloser als vorher. Das einzige, was ich nun wusste, war dass ich meinem Vater nicht egal war. Aber ist das gut? „Kümmere dich nicht um den Brief. Du musst erstmal gesund werden. Dann kannst du über solche Sachen nachdenken." Er stand auf und ging ohne ein Wort zu sagen. Den Brief ließ er neben meinem linken Fuß auf der Decke liegen.

"Von der Schüchternen zum Verbrecherziel"Where stories live. Discover now