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"Ist bei dir eigentlich alles in Ordnung, Harry?"

Mit besorgtem Blick betrachtete Hermine ihren Freund. Nachdem sie ihm die letzten Wochen kaum Aufmerksamkeit geschenkt hatte, stellte sie nun überrascht fest, dass er übermüdet wirkte und nur lustlos in seinem Frühstück herum stocherte. Auch seine Reaktion auf ihre Frage sprach Bände: Seine Schultern sackten noch weiter nach unten, sein Blick wurde verzweifelt.

"Es ist Cho", flüsterte er ihr so leise wie möglich zu. Überrascht legte Hermine ihr angebissenes Brötchen zurück auf den Teller: "Aber, ich dachte, ihr wärt am Wochenende in Hogsmeade gewesen zusammen? Ist es nicht so gut gelaufen?"

Harry schüttelte nur den Kopf: "Wir waren in diesem furchtbaren Teehaus. Da war alles pink und überall verliebte Pärchen. Das war mir schon unangenehm genug. Aber dann hat Cho angefangen, über Cedric zu reden. Und ... ich wollte halt nicht, weil wir ja auf einem Date waren und so, da wollte ich nicht über ihren Ex-Freund sprechen."

"Oh je", kommentierte Hermine mitfühlend, "das fand sie vermutlich nicht so gut?"

"Sie ist in Tränen ausgebrochen!", flüsterte Harry erregt, "Aber was erwartet sie denn? Ich dachte, wir gehen auf ein Date. Sie kann doch mit einem Kerl, der in sie verliebt ist, nicht über ihren Ex-Freund reden!"

"Harry, du musst versuchen, sie zu verstehen", erklärte sie eindringlich, "Cho ist einfach nur überfordert. Ihr Freund ist gestorben. Ermordet. Und jetzt hat sie sich augenscheinlich in dich verliebt. Aber sie hat den Tod von Cedric noch nicht verarbeitet. Außerdem fühlt sie sich schuldig, weil sie sich in dich verliebt hat, so schnell nach Cedrics Tod. Und sie dachte, gerade mit dir kann sie darüber reden, gerade du würdest sie verstehen."

Sie konnte sehen, dass Harry mit ihren Ausführungen überfordert war, und nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob Jungs in ihrem Alter überhaupt zu komplexen Gefühlen fähig waren. Erst Ron, der lieber seinen Hormonen nachgab als seinen Gefühlen, jetzt Harry, der unfähig schien, die Probleme seiner neuen Flamme zu verstehen.

"Gib ihr Zeit", war alles, was sie sagen konnte, "sie mag dich wirklich, aber sie braucht Zeit, alles zu verarbeiten. Wenn sie soweit ist, wird sie sich dir auch öffnen. Bis dahin kannst du nur warten."

"Aber ich habe schon das ganze letzte Jahr gewartet!", gab Harry frustriert zurück, "Ich habe aus der Ferne zugesehen, wie sie glücklich mit Cedric rumgelaufen ist. Ich kann ja verstehen, dass der Verlust ihr nahe geht, aber wie lange, bitte, soll ich noch warten?"

"Wenn du sie ernsthaft magst, wartest du, bis sie bereit ist!", flüsterte Hermine erbost. Sie konnte einfach nicht glauben, wie wenig Einfühlungsvermögen ihre beiden besten Freunde an den Tag legten. Genervt von dem Gespräch ließ sie ihr Frühstück liegen, packte ihre Tasche und verschwand Richtung Unterrichtsraum.

Ginny, die ihr Gespräch mit Harry aus den Augenwinkeln verfolgt hatte, stand ebenfalls hastig auf und eilte ihr nach: "Hermine, warte mal!"

Seufzend blieb diese stehen, um Ginny die Möglichkeit zu geben, zu ihr aufzuschließen: "Ja?"

Ihre rothaarige Freundin lief rot an und fummelte erst an ihrer Uniform rum, ehe sie ein Wort rausbrachte. Hermine beschlich eine Ahnung, woher der Wind wehte: "Du willst wissen, worüber wir geredet haben?"

"Ja", gab Ginny verschämt zu, "weißt du, da waren all diese Gerüchte über Harry und Cho Chang ... und ... naja."

"Du kannst beruhigt sein, ihr Date lief nicht so gut. Harry ist ein Trottel."

"Oh", machte Ginny nur, unfähig zu verbergen, wie sehr sie diese Nachricht freute. Mit einem weiteren Seufzen ließ Hermine ihre schwere Schultasche von der Schulter gleiten und stellte sie auf dem Boden ab.

"Hör mal. Du bist doch jetzt schon seit Ewigkeiten in ihn verliebt. Warum sagst du nichts? Du bist doch sonst so selbstbewusst."

"Ja, schon", erwiderte Ginny, immer noch hochrot im Gesicht, "aber das ist irgendwie schwierig. Erst war er der große Harry Potter, der Held, unerreichbar für mich. Und jetzt ist er ein guter Freund, der beste Freund von meinem Bruder und ... naja. Ich kenne meine Brüder. Und außerdem hat Harry noch nie Interesse an mir gezeigt. Nicht so zumindest."

"Warum sollte er auch?", gab Hermine ernsthaft zu bedenken, "Seit du alt genug bist, hast du immer mal wieder einen Freund. Das kann einen schüchternen Jungen wie Harry auch abschrecken, immerhin bist du bei Jungs offensichtlich beliebt. Er kommt vermutlich gar nicht auf die Idee, dass du Interesse haben könntest."

"Oh", war alles, was Ginny dazu sagen konnte, "aber, ich kann doch nicht ewig auf ihn warten. Ich weiß doch gar nicht, ob ich jemals eine Chance haben werde. Soll ich meine Jugend wegwerfen, auf Liebe verzichten, nur in der vagen Hoffnung, dass er sich vielleicht eines Tages für mich interessieren wird?"

"Ehrlich, was ist denn mit euch allen los?", erkundigte Hermine sich aufgebracht, "Entweder, du liebst Harry wirklich, dann stellt es kein Problem dar, auf deine Flirtereien zu verzichten. Oder eben nicht, dann solltest du hier nicht so rumheulen. Wenn man liebt, ist man bereit, alle Zeitalter der Welt auf seinen Geliebten zu warten."

Verblüfft schaute Ginny ihre ältere Freundin an: So harte Worte hatte sie von Hermine nicht erwartet.

"Es liegt eben nicht jedem im Charakter, stumm rumzusitzen und abzuwarten", gab sie giftig zurück, "wenn das für dich in Ordnung ist, bitte. Wir sehen ja alle, wie weit dich das bei Ron gebracht hat."

Entsetzt schnappte Hermine nach Luft. Damit war Ginny eindeutig zu weit gegangen und obwohl Hermine sehen konnte, dass es ihr sofort Leid tat, war sie nicht bereit, darüber hinweg zu sehen. Mit einem scharfen "Schön!" packte sie ihre Tasche und ließ ihre Freundin an Ort und Stelle stehen. Offensichtlich hatten alle ihre Freunde über Nacht ein emotionales Fassungsvermögen in der Größe eines Teelöffels entwickelt.

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