It's a present

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Liebes Tagebuch,

es ist der 19. Dezember und heute habe ich ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk bekommen. Vielleicht sind meine Eltern und Anna – hauptsächlich Anna – total irre, weil sie mir ein junges Dressurpferd geschenkt haben. Manchmal frage ich mich, ob die zu viel Geld haben oder mich total falsch einschätzen. Ich gebe es ja zu, ich weiß nicht, ob ich mit einem jungen, so talentierten Pferd klar komme. Natürlich will ich ihn, aber ich weiß einfach nicht, ob ich die richtige Reiterin für ihn bin. Anna dagegen ist sich totsicher, dass ich die richtige bin. Allerdings hatte ich auch noch nicht so viel Zeit, um ihn kennenzulernen. Das sollte ich wohl erstmal tun, um mir ein Bild von ihm zu machen. Morgen Nachmittag geht’s sofort in den Stall und dann werde ich mich mal mit ihm befassen und ihn kennenlernen.

Bis Morgen!

20. Dezember

Liebes Tagebuch,

puh, heute war… anstrengend. Himesh, das Pferd von dem ich gestern geschrieben habe, ist nicht einfach im Umgang. Aber irgendwo sehe ich auch das tolle Pferd, das er sein könnte. Anna meint, er bräuchte Vertrauen und einen festen Halt. In der letzten Zeit hat er wohl nicht viel Training und Zuwendung bekommen und wenn ich das nun ändere, sollte es besser werden. Es ist komisch, aber ich freue mich schon irgendwie darauf.

Achja, ich habe ganz vergessen dir von Gabe zu berichten. Mittlerweile reite ich sie sogar. Allerdings sind wir immer noch im Aufbautraining, ich will sie nicht überfordern. Jetzt habe ich ja auch ein Pferd, das ordentlich gefordert werden muss. Wünsch mir Glück, dass es morgen besser läuft als heute.

21. Dezember

Liebes Tagebuch,

heute bin ich den ganzen Tag im Stall. Da es morgens ist, kann ich noch nicht sagen, wie es wohl wird, aber ich hoffe auf ein ordentliches Ergebnis am Ende des Tages.

Jetzt geht es erstmal los zum Stall. Tyler fährt mich hin und kümmert sich auch ein bisschen um Gabe. Jetzt zu Weihnachten ist er nämlich zu Hause und hat mal frei vom Studium. Erwähnte ich, dass wir jetzt offiziell zusammen sind? Okay, es ist wohl eher eine Fernbeziehung, aber ich fahre so oft es geht nach Hamburg und er kommt immer wenn es klappt nach Schillig zu seinem Vater – oder eben zu mir.

Bis heute Abend, dann berichte ich weiter. 

Schnell packte ich das Tagebuch in die Schublade meines Nachttisches, schnappte mir mein Handy vom Bett und ließ es in meine Westentasche gleiten. Reißverschluss zu und ab ging es nach unten. Gerade rechtzeitig, denn als ich unten ankam, klingelte es an der Tür. Ohne zu sehen, wer dort stand, wusste ich es und ein Lächeln, das nur wenige Personen auf mein Gesicht zaubern konnten, öffnete ich die Tür. „Hi.“, sagte mein Gegenüber zur Begrüßung und die Nüchternheit seiner Worte stand im Gegensatz zu seinem verschmitzten Lächeln. Ohne Vorwarnung fiel ich ihm um den Hals und seine Arme und seine Wärme umfingen mich wie ein schützender Käfig, der mich vor allem beschützte, aber nicht einengte.

„Ich hab dich vermisst.“, flüsterte ich an seine Schulter und spürte wie ein kurzes Auflachen seinen Brustkorb vibrieren ließ. „Ich dich auch.“ Seine Stimme klang ehrlich und ganz anders als früher, wurde mir bewusst. Er hatte sich verändert, war erwachsener geworden. Vielleicht passierte das, wenn man studierte. Vielleicht passierte das, wenn man in einer festen Beziehung war. Ich hatte noch nie eine ernsthafte Beziehung geführt. Da war vielleicht mal die eine oder andere kindliche Liebe, doch das war Jahre her. Jetzt war es noch ein Jahr bis zur Volljährigkeit, eigentlich kaum zu glauben. Manchmal sehnte ich mich nach den alten Zeiten. Wie sagte man doch so schön: Früher hatten wir Zeit und Geld, heute haben wir Pferde und machen Abi.

NebelreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt