#Misanthrop & Philanthrop (TEIL 1) || Kpop BTS

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Misanthrop lässt sich als einen Menschenhasser definieren, wohingegen Philanthrop das genaue Gegenteil ist, also ein Menschenfreund.



Min Yoongi schlurfte müde durch den Bahnhof, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, die Schultern eng aneinandergepresst und Musik in den Ohren, welche aus weißen, abgenutzten Kopfhörern wummerte. Er hielt in seiner Bewegung inne, als der Zug endlich auf Gleis 4 einfuhr. Erleichtert stellte er fest, dass der Zug nicht überfüllt war und sogar noch ein Fensterplatz frei war. Der grünhaarige Miesepeter war auf dem Nachhauseweg von der Arbeit, müde und kaputt. Nicht, dass sein Auftreten einen besseren Eindruck gemacht hätte, wenn er putzmunter gewesen wäre. Er war nicht gerade der gesellige Typ Mensch und genau deshalb hasste er es auch von anderen angesprochen zu werden. Der dunkelhaarige junge Mann, vielleicht sogar noch ein Jugendlicher, welcher sich neben ihm niedergelassen hatte, schien dies jedoch relativ wenig zu interessieren. Ihn schreckten weder Yoongis mangelhaftes Äußere noch dessen genervte Blicke ab. Als dann Jimin, so hatte er sich selbst ungefragt vorgestellt, den Älteren in ein wohl längeres Gespräch verwickeln wollte, musste sich Yoongi wirklich, wirklich doll zusammenreißen, um den anderen nicht an die Gurgel zu springen. Sah dieser denn nicht, dass er überhaupt nicht zum Plaudern aufgelegt war und lieber schweigsam und in aller Stille - am besten schlafend - von dem Zug nachhause befördert werden wollte? „Ist das Wetter nicht schön heute?", sprudelte es nur aus dem, für Yoongis Geschmack viel zu fröhlichen, Jimin heraus. „Hhmm", antwortete der Grünhaarige langgezogen.

Das Wetter, einer der wohl bekanntesten Gesprächs-Starter. Wie Yoongi diesen Smalltalk verabscheute. Er überlegte zweimal, ob er den anderen als „gottlose Kreatur" beschimpfen, ihn aus seiner Zweierreihe rausschubsen und danach friedlich seiner Musik weiter lauschen sollte, aber er entschied sich letztlich doch dagegen. Schließlich wollte er keine Anzeige riskieren. „Also ich finde ja, für einen Herbsttag ist es ziemlich war. Ich mag die Sonne", plapperte der Fremde ungehalten weiter. Yoongi würde ihm am liebsten in die Fresse schlagen, doch er hielt sich weiterhin zurück. „Weißt du, ich bin im Sommer geboren, vielleicht mag ich die Wärme deshalb so gerne", philosophierte dieser Jimin. Yoongi, seine Hände zur Faust ballend, konnte nicht länger an sich halten und schrie - zumindest beinahe – den aufdringlichen Jungen an: „Halt deine verdammte Klappe! Keinen interessierts!"

Jimin starrte ihn überrascht, ein wenig schockiert sogar, an und blinzelte einige Male, bevor er sich abrupt von Yoongi abwandte. Offensichtlich schwer bemüht, den anderen weder anzusehen, geschweige denn wieder ein Wort an ihn zu richten. Aus einem unerfindlichen Grund fühlte sich Yoongi etwas, wirklich nur etwas, schuldig und rollte genervt mit den Augen.

„'Tschuldige", nuschelte der Miesgelaunte in seinen nicht vorhandenen Bart. Iinnerlich hoffend, der andere hätte es vielleicht nicht gehört und würde dementsprechend auch nicht darauf reagieren. „Macht doch nichts", strahle dieser stattdessen. Jimin hatte ein wahrhaft ansteckendes Lachen. Beinahe ansteckend genug, um auch Yoongis Mundwinkel nach oben zucken zulassen. Die strahlenden Augen seines Sitznachbarn formten sich zu Halbmonden, wenn er lächelte. Es war schön anzusehen, wie der Ältere widerwillig feststellte.

Nun, da das Gespräch wiedereröffnet war, ließ Jimin auch nicht lange auf seinen Einsatz warten. „Ich mag deine Haarfarbe, sieht man nicht oft".

„Danke".

„So was würde ich mich nie trauen", lachte der fremde Junge. Das abartig fröhliche Lächeln von eben wich jedoch einem leiseren, bitteren Lachen. Eine ganz andere Emotion, die auf Jimins Gesicht fremd und fehl am Platz wirkte, breitete sich auf den weichen Gesichtszügen des anderen aus. Etwas kühles, etwas Trauriges. „Warum nicht? Färb' sie dir doch einfach", schlug plump Yoongi vor, als wäre es keine große Sache. „Nein", stieß der andere schnell aus. „Nein, das geht nicht." Wenn Yoongi es nicht besser wüsste, hätte er fast einen Anflug von Interesse für den anderen in sich aufkeimen spüren, doch er hakte nicht weiter nach. Es war nicht sein Leben, nicht seine Angelegenheit und er würde sich sicherlich nicht einmischen in etwas, dass ihn rein gar nichts anging. Doch genauso schnell wie Jimins Lächeln verschwunden war, genauso schnell kam es wieder. Es kam sogar so schnell wieder, dass Yoongi sich im Nachhinein gar nicht sicher war, ob es überhaupt jemals das Gesicht des jüngeren verlassen hatte. Die beiden verfielen in ein kurzes Schweigen, bevor Jimin, wie sollte es auch anders sein, die Konversation wieder aufnahm. „Gehst du studieren?"

Yoongi konnte ihm seine Annahme, er würde studieren, nicht wirklich übelnehmen, da er schon öfter von anderen gehört hatte, er hätte den „typischen Studenten-Look". Dunkle Ringe zeichneten stets seine Augen, er hatte eine schlechte Haltung, als würde er den ganzen Tag über seinen Büchern hängen, er war abgemagert und wirkte mittellos – was zugegebenermaßen nicht ganz an den Haaren herbeigezogen war.

„Ich arbeite bei MusicLounge", ersparte er sich eine ausführlichere Erklärung. „Cool", kommentierte Jimin. „Was machst du da genau?"

Yoongi seufzte tief, zog die Kopfhörer aus den Ohren – er hatte die ruhige Zugfahrt inzwischen aufgegeben – und erzählte von seinem unzufriedenstellenden Job. „Ich arbeite hinten drin, nicht im Verkauf, um Gottes Willen", lachte er abfällig auf, „ich...". Weiter kam er auch nicht, denn Jimin fiel ihm direkt ins Wort: „Um Gottes Willen? Ist der Verkauf so schlimm?"

„Ich bitte dich...sehe ich aus wie jemand der gerne im Verkauf arbeitet?"

„Auch wieder wahr", musste Jimin zugeben.

„Jedenfalls arbeite ich dort nur am Computer, beantworte Emails, trinke Kaffee, beantworte Emails."

„Sehr begeistert klingst du ja nicht gerade".

„Da hast du wohl Recht." Yoongi hatte den Blick gesenkt, beobachtete seine eigenen Hände dabei, wie sie das Kabel der Kopfhörer zwirbelten. Der Grünhaarige liebte Musik über alles und auch wenn seine Arbeitsstelle Musik in dessen Name hatte, so hatte sein eigener Aufgabenbereich rein gar nichts damit am Hut. Er würde ja nichts lieber tun, als seine Brötchen mit seiner Leidenschaft zu verdienen, aber das war eben nicht so leicht, wie er sich das als Kind ausgemalt hatte. Wenigstens musste er kaum mit jemandem reden, was ein kleiner, aber immerhin ein, Vorteil war.

„Ist auch egal, ich muss hier raus", erklärte Yoongi das Gespräch für beendet und deutete auf die Anzeigetafel, welche in blinkenden Buchstaben seine Haltestelle verkündete. Jimins Blick folgte seinem Finger und formte ein ‚Oh' mit den Lippen. Er stand hastig auf, sodass Yoongi an ihm vorbeikonnte. Dieser drehte sich ein letztes Mal zu dem Dunkelhaarigen um, erwiderte Jimins Mondlächeln - auch wenn es die Strahlkraft der Sonne besaß – mit einem viel milderem Anheben der Mundwinkel und stieg aus dem Zug aus. Yoongi lief einige Schritte und blieb stehen, drehte sich jedoch nicht um. Erst als er hörte, wie der Zug wieder ins Rollen kam und davon ratterte, schaute er dem Gefährt hinterher. Ein weiteres, kleines Lächeln schlich sich auf dessen Lippen. Auch wenn er froh gewesen war, Jimins vollen, redseligen Lippen entkommen zu sein, so hatte er doch einen nachhaltigen Eindruck auf ihn gemacht. Kopfschüttelnd stöpselte er die Kopfhörer zurück in seine Ohren und machte sich schließlich auf den restlichen Weg, der noch vor ihm lag, bevor er sich auf sein Bett fläzen konnte.

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