~Kapitel 68~

495 47 52
                                    

"Bis dann" gab ich von mir und verließ den Sportraum, ohne auf eine Antwort von Shawn zu warten.

Ich war gerade dabei die Treppen zu meinem Zimmer hinauf zu laufen, wobei mir jeder Schritt weh tat, als mir einfiel, dass ich mein Buch für die Schule unten vergessen hatte, also drehte ich um und verfluchte mich dafür, die ganzen Stufen nochmal laufen zu müssen.

Unten angekommen war die Tür noch immer nur angelehnt und ich hörte Shawn's gedämmte Stimme, die mich dazu veranlasste mich näher an die Tür zu drücken und durch den kleinen Schlitz zu schauen.
Normal war es untypisch für mich, Andere zu belauschen und nun tat ich es schon zum zweiten Mal in kürzester Zeit.

Durch die Spiegel an den Wänden erkannte ich, wie er aufgebracht hin und her lief, sein Handy an sein Ohr gedrückt. Ich sollte wirklich gehen und nicht zuhören.

"Vergiss es", knurrte Shawn und fuhr sich verzweifelt durch die Haare. Er ging zur Hantelbank und nahm das kleine schwarze Handtuch, das darauf lag, um sich damit die Stirn abzutupfen.

"Mir scheiß egal, such dir ne andere Geldquelle, es ist mir so fucking egal, du scheiß Bastard. Sie bleibt bei mir, egal für welche Summe. Sie wird diesen widerlichen Schuppen nie wieder betreten", antwortete er nun lauter und ich sah, wie sich sein kompletter Körper anspannte.

Moment mal, sprach er etwa über mich? Nein, das konnte nicht wahr sein.
Mit wem sprach er? Etwa mit meinem Vater? Verdammt, nein! Das darf nicht wahr sein.

"Sie gehört mir, du wirst sie nie wieder sehen!", brüllte er nun beinahe und ich schreckte von der Tür zurück, stolperte und konnte mich gerade noch fangen.
Wenn Shawn mich ausgerechnet jetzt beim Lauschen erwischt hätte, würde er mich doch freiwillig zurück geben.

"Und wie wir das werden!", knurrte er noch aggressiv, bevor er das Handy auf eine der Trainingsmatten fallen ließ und die Hände auf die Knie abstützte.
Er schien komplett ruhig zu sein, bis er plötzlich aus seiner Starre erwachte und gegen einen der großen Spiegel schlug, welcher daraufhin in alle Richtungen einriss.

Geschockt hielt ich mir die Hände vor den Mund und taumelte einige Schritte nach hinten.
Was soll das bedeuten? Konnte ich mich in der Bedeutung dieser Worte wirklich so sehr täuschen?
Hatte ich Alles nur falsch interpretiert und es hatte nichts mit mir zu tun?
Aber fuck, was sollte es denn sonst bedeuten?

Die einzig logische Erklärung ist, dass Shawn mit meinem Vater telefoniert hatte.
Wollte er mich wirklich zurück? Wurde ich gar nicht verrückt? Hatte ich ihn wirklich immer wieder gesehen?
War er dabei mich zu beobachten und wartete den perfekten Moment ab, um mich zurück zu holen? Shawn würde das doch nicht zulassen oder?

Scheiße! Nach Allem was ich ihm an den Kopf geworfen hatte, wie ich mit ihm umgegangen bin, wird er sicher kein Interesse mehr daran haben, mich vor meinem Vater zu beschützen.
Er wusste doch noch nicht einmal, dass mein Chef mein Vater war.

Was würde er wohl mit mir anstellen, wenn er mich zurück hatte? Was wollte er denn überhaupt von mir? Ich dachte er war froh, mich nicht mehr bei sich haben zu müssen?
Was ist, wenn er ein noch besseres Angebot bekommen hatte? Wenn ich bei Theodore oder einem anderen Perversen landen würde?

Was ist, wenn mein Vater mich dafür bestrafen wollte, ein relativ normales Leben bekommen zu haben? Oh mein Gott, er würde gar nicht mehr von mir ablassen können.
Ich konnte das nicht wieder aushalten! Ich würde es doch gar nicht überleben, ich bin viel zu schwach, verdammt!

Die Welt begann sich unangenehm schnell um mich herum zu drehen und es fühlte sich an, als würden sich unsichtbare Schlingen um meinen Hals legen, die mir die Luft zum Atmen abschnitten.
Panisch griff ich an meinen Hals und versuchte sie zu lösen, doch es wollte keine Luft hindurch kommen.

Ich taumelte unkoordiniert die Treppen hinauf. Ich musste allein sein. Ich musste mich verstecken und vor allem musste ich mir einen verschissenen Plan überlegen, wie er mich nicht finden konnte.
Was ist wenn er längst auf dem Weg hierher war?

"Fuck!", stieß ich panisch aus und spürte wie mir plötzlich eisig kalt wurde. Meine Zähne klapperten und meine Beine fühlten sich bleischwer an, als ich die zweite Etage hinauf lief.
Immer wieder hatte ich das Gefühl gleich auf die Knie zu fallen, doch ich schaffte es die restlichen Treppen hinauf und taumelte durch den Flur.

Ganz nebenbei bemerkte ich, wie sich eine Tür neben mir öffnete und kurz darauf knallte ich gegen Jemanden und taumelte zurück.

Unsicher sah ich auf, hatte bereits Panik das Gesicht meines Vaters sehen zu müssen, doch zum Glück stand lediglich Cameron vor mir und musterte mich verwirrt und gleichzeitig überfordert.
Ich weiß selbst nicht, was mich in diesem Moment überkam, doch aus Erleichterung nur ihn zu sehen und Erschöpfung andererseits, fiel ich Cameron um den Hals und begann gegen seine Schulter zu heulen.
Dass er mich dafür hassen und es mir die nächsten Jahre vorhalten würde, war mir in diesem Moment so unglaublich egal.
Ich konnte sowieso an nichts Anderes denken, als an meinen Vater und die Strafen, die er sich in den letzten Wochen für mich vermutlich ausgedacht hatte.

"Was ist los?", fragte Cameron, anstatt irgendeinen dummen Kommentar loszulassen, doch ich konnte nicht antworten.
Ich konnte ja noch nicht einmal atmen und Alles was mein Körper verließ, waren erstickte Schluchzer.

Und die Hoffnung.
Die Hoffnung darauf, endlich in einem normalen Leben angekommen zu sein, in dem ich mir nur über die verschobenen Gefühle zwischen Shawn und mir, meinen Schulabschluss und meine berufliche Zukunft Gedanken machen musste.
Doch plötzlich war die Wahrheit meines Lebens wieder so präsent wie nie zuvor.

All die blutigen Verletzungen tauchten vor meinem inneren Auge auf und ich schrie verzweifelt auf.

"Fuck was geht denn jetzt ab?! Kannst du mir bitte sagen, was los ist?", fragte Cameron erneut und drückte mich ein Stück von sich weg, um mir ins Gesicht sehen zu können.

Trotzdem hielt er mich fest, denn ansonsten würde ich vermutlich einfach zu Boden fallen wie ein lebloser Sack.

"Ich kann nicht dahin zurück!", gab ich erstickt von mir und er schüttelte verwirrt den Kopf.

"Niemand schickt dich zurück", wollte er mir einreden, doch selbst, wenn Shawn mich nicht zurück geben wollte, würde mein Vater einen Weg finden, mich zurück zu holen.

Er bekam immer das was er wollte. So was das im Leben eben mit Gewinnern und Verlierern.

"Er wird mich holen", schluchzte ich und ließ mich wieder gegen meinen eigentlichen Feind in diesem Haus fallen, der mich entgegen meiner Erwartung zurück umarmte und mir über den Kopf strich.

"Ich bring dich in dein Bett", sagte er ruhig und setzte sich in Bewegung, weshalb ich ihm stolpernd in mein Zimmer folgte und mich von ihm auf mein Bett setzen ließ.

"Bleib einfach hier sitzen, okay? Ich bin gleich wieder da", sagte er und hielt seine Arme nach vorne ausgestreckt, während er langsam rückwärtsging und mich kurz darauf alleine ließ.

Hektisch schnappte ich mir mein Stofftier und drückte es mir gewaltsam gegen die Brust, vergrub meine Nase darin in der Hoffnung ein bisschen des Geruchs meiner einzigen Familie aufzusaugen, doch auch dieses Andenken, konnte mir den Schmerz nicht abnehmen.

Ich weinte einfach hemmungslos weiter in das Stofftier und kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung ich könnte mich einfach in Luft auflösen.

Die Tür wurde wieder aufgerissen, weshalb ich einen kurzen Schrei ausstieß und wieder damit rechnete, meinen Vater zu sehen, der mich mit nach Hause nehmen wollte. Doch Shawn stand mit offenem Mund im Türrahmen und starrte mich mit weißem Gesicht an.

"Wie viel hast du gehört?", wollte er atemlos wissen und Cameron tauchte hinter ihm auf.

+++
Was wird Shawn sagen?
Und denkt ihr, Nova's Vater will sie echt zurück holen? Wenn ja, wird er es schaffen?
Und was sagt ihr zu Cameron's Reaktion?

S.M.|| Sinners - Shawn Mendes FanfictionWhere stories live. Discover now