Er wird schon nicht beißen

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Tag 49, 2.1.

"Darf ich auch mit?", erkundigt sich Sebastian von der Couch aus und legt sein Comicheft beiseite. Hilfesuchend blickt mich Jenni an und schüttelt kaum merklich den Kopf.
"Ähm..." Ich überlege kurz und wechsle einen Blick mit Julia.
"Bitte! Ich war noch nie da und ihr sprecht so oft davon", argumentiert Sebastian und setzt einen schmollenden Blick auf. Julia scheint dasselbe zu denken wie ich.
"Jenni", sage ich zu ihr, sodass es Sebastian nicht hören kann, "Es ist besser, wenn er mitkommt." "Aber...." "Ich weiß, dass du Zeit für dich brauchst und du den Weg zum Wasserfall kennst, aber es ist besser, wenn du nicht alleine gehst." Immer noch blickt sie mich an und scheint nachzudenken.
"Na schön", seufzt sie dann und wendet sich an Sebastian, "Du darfst mit." Dieser springt freudig auf und beginnt, sich anzuziehen.
"Er wird schon nicht beißen", meint Julia zuversichtlich und klopft Jenni auf die Schulter. "Hoffe ich doch", gibt diese zurück und zieht sich ebenfalls an. Sebastian steht schon ungeduldig an der Tür.
"Viel Spaß euch zweien und verirrt euch nicht", wünsche ich und grinse, woraufhin Jenni mir nur die Zunge herausstreckt. "Und brecht nicht ins Eis ein", fügt Julia hinzu.
"Werden wir schon nicht", versichert Sebastian und zieht Jenni förmlich zur Tür hinaus. "Bis später!", ruft er noch und schließt die Tür hinter sich.
"Ich denke, wir haben Jenni keinen Gefallen getan, ihr Sebastian aufzuhalsen", meint Julia und setzt sich auf die Eckbank. Ich setze mich neben sie.
"Besser als wenn sie alleine geht oder?" "Ja", stimmt mir Julia zu. Ich blicke aus dem Fenster und dann zu Julia. "Und was machen wir jetzt?"
Wir blicken uns an. Die Jungs sind im Proberaum und wir wollen sie nicht stören. Das Geschirr ist auch schon gespült.
"Das kommt davon, wenn man keine Hobbys hat", lacht Julia, die genauso planlos zu sein scheint wie ich. Auf stundenlanges Kartenspielen haben haben wir beide keine Lust und es macht eh keinen Spaß, nur zu zweit zu spielen. Da fällt mein Blick auf die Matratze und ich grinse.
"Oh Gott, sie hat eine Idee", murmelt Julia und stützt ihren Kopf in ihre Hände. "Was heißt hier oh Gott?", frage ich grinsend und stehe auf. "Los, wir üben jetzt einen Handstand!", verkünde ich.
Ich ziehe sie von der Eckbank, ohne ihre Antwort abzuwarten.
"Können wir nicht lieber schlafen?", fragt sie.
"Motivation und Freude! Jetzt komm schon." Ich verfrachte Jennis Zeug auf die Couch, sodass wir Platz haben. "Ich habe nichts davon", entgegnet Julia und ich rolle mit den Augen. "Jetzt sei nicht so, fällt dir etwas Besseres ein, was wir machen könnten?" "Schlafen." "Außer das", füge ich noch hinzu. Julia brummt nur und ich grinse siegreich.
"Wir machen es wie früher, du zeigst mir erst noch mal, wie das geht und dann versuche ich es." Julia nickt und ich stelle mich neben die Matratze. "Na schön", seufzt sie und macht einen Handstand, bei dem ich ihre Beine halte. "Darf ich jetzt schlafen?", fragt sie, nachdem sie wieder auf ihren Füßen steht und sich ihre Haare richtet. "Nein, ich will auch noch."
Julia versucht nun, mir zu helfen, doch ich scheitere kläglich.
"Du musst dein linkes Bein höher schwingen."
Ich blicke Slash an, der grinsend im Wohnzimmer steht. "Pff, mach es doch besser", entgegne ich mit einem gespielt beleidigten Tonfall und trete beiseite. "Gerne."
Er kommt zu uns, tritt vor die Matratze und vollführt einen Handstand, ohne dass Julia oder ich ihm helfen. Als er wieder auf den Füßen steht, klatschen Julia und ich anerkennend.
"Wo sind denn Jenni und Sebastian?", fragt er dann und blickt sich im sonst leeren Wohnzimmer um. "Sie gehen zum Wasserfall", erkläre ich. "Ah okay." Er nickt und verschwindet dann wieder im Proberaum.
"Was hat er jetzt eigentlich grade gewollt?", frage ich Julia etwas verwundert. "Angeben vermutlich", antwortet sie, "Kann ich jetzt schlafen?" "Nein, da musst du dich noch gedulden."

"Sind wir bald da?" "Nein, da musst du dich noch gedulden." Sebastian grummelt etwas Unverständliches.
Wieso haben Juli und Sarah mir ihn nur aufgehalst..?
"Außerdem laufen wir erst seit zwei Minuten", ergänze ich.
"Ja, ja...." Er stapft neben mir her und beginnt, ein Lied zu singen. Ich spiele mit dem Gedanken, wie ich ihn loswerden kann, da ich meine Ruhe möchte. Ich möchte nachdenken und da ist ein singender Begleiter nicht das beste. Als Sebastian auch noch beginnt, während wir laufen zu tanzen, blicke ich nur genervt zu ihm, doch er bemerkt es nicht.
Kann ich ihn nicht irgendwie im Wald aussetzen oder so?
"Magst du Hulk?", fragt er mich nach einer Weile. "Nein, nicht wirklich", antworte ich mit einem Schulterzucken. "Mist...", murmelt er und zieht plötzlich einen Schmollmund, was mich etwas schmunzeln lässt. Als er erneut ansetzt, um etwas zu sagen, unterbreche ich ihn: "Wehe du fragst, wie lange es noch dauert." "Äh, nein... ich, äh, ich wollte nur..." Er überlegt. "Ich wollte..." Ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Du wolltest?" "Ich wollte...ähhhahhh!" Er war über etwas gestolpert und lag nun im Schnee. "Aua."
Ich bin stehengeblieben. "Du wolltest ähhahhh aua?", frage ich ihn und muss mir ein Grinsen verkneifen, um den Ernst in meiner Stimme zu behalten.
"Genau das wollte ich", brummt der Sänger genervt, mit dem Gesicht immer noch im Schnee.
"Aha", mache ich nur und schaue mit verschränkten Armen zu, wie er sich aufrappelt. "Ist das kalt...", murmelt er und klopft sich den Schnee von seiner Kleidung. "Können wir weiter?", frage ich ihn bloß. Ich hätte einfach weiterlaufen sollen. Zwar war es witzig gewesen, ihn stolpern zu sehen, doch noch immer nervt es mich, dass er mitkommen musste.
"Ja", meint er knapp und wir laufen weiter. Ich merke, dass er ernsthaft etwas beleidigt und wütend wirkt, doch ich versuche, mir nichts daraus zu machen.
Nun schweigend stapfen wir weiter durch den Wald, bis wir am Wasserfall ankommen. Er ist immer noch zugefrohren und der See ist von einer frischen Schneeschicht überzogen.
Ich seufze innerlich auch, hier ist es perfket zum Nachdenken, wäre da nicht...
"Wow ist das schön!", freut sich Sebastian mit großen Augen undhat  ein breites Grinsen auf den Lippen. "Ja, ist es", stimme ich ihm genervt  zu und kann nicht anders, als mit den Augen zu rollen. Er blickt mich an und ich ihn.
"Was ist denn?", fragt er mit ruhiger Stimme, als ich schnell wieder wegblicke. "Ach nichts, sorry, dass ich so pampig zu dir war", entschuldige ich mich, kann aber nicht ganz verdrängen, dass ich immer noch genervt bin.
"Ich weiß, dass du Ruhe haben willst", sagt er mit fast schon sanfter Stimme und ich blicke etwas erstaunt auf. "Wenn du willst, dann gehe ich mich ein wenig umsehen und du hast Zeit für dich, ja?", lächelt er.
Irgendetwas lässt mich zögern und ich kann langsam verstehen, warum Sarah und Julia darauf bestanden haben, dass Sebastian mitkommt. Und ein Teil von mir will eigentlich auch gar nicht darüber nachdenken, was passiert ist, sondern es nur vergessen.
"Nein", antworte ich und versuche, so entschlossen wie möglich zu klingen, "Du kannst ruhig hier bleiben." "Gerne", lächelt er.
Wir setzen uns auf einen kleinen Felsen am Rand des Sees, den wir zuvor noch von Schnee befreien. Während ich den gefrorenen See betrachte, muss ich unwillkürlich an das Schlittschuhfahren denken und wie Duff und Mick Izzys Gitarre 'gerettet' haben. Und wie Steel Panther später mir, Julia, Sarah und Tc begegnet sind...
Nachdenklich starre ich auf den See und bemerke kaum, was Sebastian neben mir macht, bis ich durch sein "Ah, scheiße", etwas erschrocken zu ihm blicke. Im selben Moment frage ich mich, wie dumm man sein kann. Seine Zunge klebt offensichtlich an einem Eiszapfen fest, den er scheinbar essen wollte.
"Hilf mir!", verlangt er und schaut etwas hilflos drein. Ich kann mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. "Was soll ich dabei helfen? Du bist selbst Schuld." "Hö auf su lachen", verlangt er, "Aua." Ich lache etwas, bis er es endlich schafft, seine Zunge von dem Eiszapfen loszubekommen. "Das war nicht lustig", beschwert er sich und und wirft den Eiszapfen weg. "Doch, war es schon irgendwie." Ich lächle und er grinst nun. Auch ich beginne zu grinsen und dann lachen wir beide. Es ist einer dieser Momente, in denen niemand wirklich weiß, was genau so lustig ist und man trotzdem lacht. Wir lachen, bis wir keine Luft mehr bekommen und meine Wangen sogar etwas wehtun. Wir blicken uns an, Sebastian hat einen roten Kopf und ich vermutlich auch. Kurz ist alles ruhig, als ich plötzlich hicksen muss. Sofort lachen wir wieder los.
"Was war denn das?", fragt Sebastian lachend, als wir uns endlich soweit beruhigt haben, um wieder halbwegs normal atmen zu können. "Ich kann nichts für meinen hicks! Meinen Schluckauf!", verteidige ich mich. Noch immer versucht Sebastian, runterzukommen, während ich genervt meinen Schluckauf ertrage.
Als er etwas sagen will, fahre ich dazwischen: "Wenn du jetzt was Falsches sagst, lasse ich dich alleine zurück laufen." Schnell legt er mir jedoch nur die Hand auf den Mund und deutet Richtung Waldrand. Obwohl es schon dämmert, erkenne ich das orange-rote Fell des Fuchses sofort. Ich beginne automatisch, flacher zu atmen und wir beobachten das Tier, wie es durch den Schnee tapst und herumschnüffelt.
Als Sebastian neben mir Anstalten macht, dass er niesen muss, hebe nun ich ihm schnell die Hand vor den Mund. Er versucht, das Niesen zu unterdrücken - und beißt mir dafür in die Hand. Ruckartig reiße ich meine Hand zurück und blicke schnell zu dem Fuchs, der immer noch am Waldrand umherläuft und uns glücklicherweise nicht bemerkt hat. Ich ignoriere den leichten Schmerz in meiner Hand und wir beobachten den Fuchs weiter, bis er wieder im Unterholz verschwindet. Dann drehe ich mich zu Sebastian.
"Hast du mich ernsthaft gebissen?" Auf meinem Handrücken kann ich noch deutlich die Bissspuren erkennen. "Du hättest eben deine Hand nicht hinheben sollen", erwidert er mit einem leichten Grinsen. Ich seufze nur und stehe auf. "Lass uns gehen", meine ich zu ihm und wir stapfen wieder zurück zur Hütte. Der Tag war defintiv anders gelaufen, als ich es geplant hatte, aber wirklich beschweren kann ich mich nicht. Zwar konnte ich nicht nachdenken, doch dafür wieder etwas lachen.
Wir sind schon fast wieder bei der Hütte, als Sebastian an der selben Stelle wie vorhin erneut stolpert. Er strauchelt und versucht noch, nicht wieder in den Schnee zu fallen, doch dabei stößt er heftig mit seinem Kopf gegen einen dicken Ast und landet doch im Schnee. Nun kann ich nicht anders, als in Lachen auszubrechen. Erst danach frage ich, ob bei ihm alles okay ist, während er sich aufrappelt. Er nickt nur und lacht dann mit. Immer noch lachend öffnen wir die Tür zur Hütte. Drinnen riecht es bereits nach Abendessen.
"Ihr kommt gerade richtig, das Essen ist gleich so weit", verkündet Sarah und verschwindet wieder in der Küche, aus der gerade Julia kommt. Axl, Izzy, Duff, Slash und Steven sitzen schon auf der Eckbank und  warten. Sebastian und ich setzen uns zu ihnen.
"Was ist denn mit dir passiert?", will Axl von Sebastian wissen, "Deine Stirn ist ja total rot." Sofort beginne ich, wieder zu lachen. "War das wirklich so witzig?", fragt mich Sebastian und ich lache noch mehr. "Was ist denn passiert?", hakt Axl nach und blickt zwischen mir und Sebastian hin und her. "Er- er ist gegen einen Baum gerannt", japse ich und schnappe nach Luft. Nun lacht der ganze Tisch, bis Sarah das Essen bringt und sie auch erfährt, warum Sebastians Stirn so rot ist.

"Und", meint Julia nach dem Abendessen zu mir, "Ich habe doch gesagt, dass er nicht beißt." "Und ob er beißt!", entgegne ich und habe ihr meine Hand hin, auf der man aber nichts mehr sieht. Verwundert hebt Julia eine Augenbraue.
"Ja, er hat mich gebissen", erkläre ich daher und sie beginnt zu lachen. "Ihr solltet ihm einen Maulkorb anlegen", empfehle ich.
"Hey, das war keine Absicht!", ruft Sebastian von der Couch aus und wir lachen alle.
Etwas später kuschele ich mich unter die Decke auf der Matratze. Ich kann kaum noch die Augen offen halten und bete mit einem leichten Schmunzeln, dass mich Sebastians Comicheftstapel bitte nicht erschlagen und er auch nicht schnarcht.

Die Hütte im Wald [In Überarbeitung]Where stories live. Discover now