EINUNDDREISSIG - Blutroter Wein

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EINUNDDRESSIG


Ich brauchte nicht einmal meine Augen zu öffnen und wusste schon, wer in meinem Bad stand und mich ungerührt ansah.

„Geh weg, Damon", sagte ich langsam.

Ich hörte, wie er näher kam und etwas neben mir abstellte.

„Ich habe gehört, dir ist der Wein ausgegangen", erwiderte er, und ich hörte ein Hauch von Besorgnis in seiner Stimme. „Ich dachte, ich bringe dir ein letztes Glas vorbei. Ich muss sagen, durch dein Zimmer bin ich kaum gekommen. Es sieht aus, als hätte ein Sturm darin gewütet."

„Hat es auch."

Ich öffnete die Augen und musterte das Weinglas, das er neben mir abgestellt hatte. Ich griff danach und schwenkte es leicht. Die rote Flüssigkeit schwappte über und tropfte ins Wasser.

Dann warf ich Damon einen prüfenden Blick zu. Ihn schien es nicht im Geringsten zu berühren, dass ich nackt war. Er stand in den gleichen Kleidern vor mir wie vor wenigen Stunden. Nur sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert.

Er blickte mich nicht mit eiskalten Augen an, sondern mit dem warmen Feuer, das ich manchmal dahinter aufblitzen hatte sehen können.

„Was ist das?", fragte ich und sah wieder in das Glas.

Damon runzelte die Stirn und lachte kurz auf. „Wein. Habe ich doch gerade gesagt."

„Sicher?"

Ich wünschte mir Grizzle herbei, der mir sagten konnte, ob er mich versuchte zu vergiften oder nicht.

Damon zuckte mit den Schultern und streckte die Hand aus.

„Gib ihn mir und ich werde für dich vorkosten", meinte er auffordernd.

Ohne lange nach zu denken, setzte ich das Glas an meine Lippen und trank einen grosszügigen Schluck. Dabei behielt ich Damon fest im Blick, der mir mit einem Schmunzeln zusah.

Der Wein rann wie Wasser die Kehle herunter und verstärkte das warme Gefühl in meinem Magen.

„Hab ich ausgedient?", fragte ich herausfordernd und setzte das Glas wieder ab.

„Nein", sagte Damon langsam und musterte mich mit funkelnden Augen, „das hast du noch lange nicht."

„Verzieh dich aus meinen Bad, Damon."

Er grinste und warf einen Blick ins Wasser. Ich setzte den Wein erneut an meine Lippen. Ich hatte mich mittlerweile an diesen Geschmack gewöhnt. Eigentlich hatte ich bloss Angst, dass das warme Gefühl in meinem Magen verschwinden würde.

„Dein Badewasser ist rot", sagte er nüchtern. „Hast du dich an all den Scherben verletzt?"

„Keine Ahnung", murmelte ich. „Eine Frau blutet einmal im Monat, wusstest du das?"

Damon setzte sich auf die oberste Treppenstufe. Eine, die noch trocken war. Er sah mir aufmerksam zu, wie ich einen weiteren Schluck nahm.

„Oh ja, das wusste ich. Willst du mir damit sagen, dass du dich nicht geschnitten hast?"

Ich schüttelte den Kopf. „Ich wollte bloss wissen, ob du das weißt."

Er lachte auf und legte den Kopf schief.

„Das wusste ich."

Ich hob meine Beine an und als die kalte Luft sie berührte, zog ich sie rasch ins Wasser zurück. Dabei spritzte ich die Wassertropfen bis zu Damon, der zurückzuckte.

Seidenfaden - ein Reich aus Asche und BlutWhere stories live. Discover now