Befehl ist Befehl

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Die Taubheit in meinen Gelenken war mir längst egal, als Legolas wortlos eine Hand auf meine Schulter legte und auch Gimli sich zu uns gestellt hat.

Beide wussten, dass ihr Freund tot war – doch ich wollte es einfach nicht glauben.

„Er ist einfach gefallen...,“ hauche ich, immer noch benebelt von dem Bild, was sich mir geboten hat und ich falte meine zitternden Hände in meinem Schoß.

„Kommt!“ weckte mich die Stimme Théodens aus meinen Gedanken. „Die Toten lasst hier – den Verletzten helft Helms Klamm!“ befahl er und die Erschütterung auf dem weichen Boden deutete mir, dass er sich nun neben uns gestellt hatte.

„Es tut mir Leid,“ sagte er bedauernd, doch ich kannte ihn zu lange, um zu wissen, dass er es nicht so meinte.

Wortlos erhob ich mich vom Boden und auf wankenden Beinen schritt ich von dannen.

„Karliah, wo willst du hin?“ wollte mein Onkel wissen, doch ich hob meine Hand und deutete ihm, er solle mich in Ruhe lassen.

„Karliah! Ich befehle dir, nach Helms Klamm zu reiten!“ rief er nun mit einem drohenden Unterton, doch meine Füße trugen mich einfach weiter den Abhang hinunter, wo sich die Leichen der Orks, Warge, aber auch Rohirrim befanden.

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich realisierte wie viele auf den Seiten beider gefallen waren. Gesichter meiner Liebsten fand ich jedoch nicht unter ihnen, dennoch ging mir auch der Tod derer nahe, die ich in meinem Leben nicht einmal gesehen habe.

Krieg ist grausam!, denke ich mir und springe mürrisch durch die Landschaft voller Leichen. „Grausam und unnötig!“ spreche ich meine Gedanken laut aus, als ich das Rauschen des Baches vernehme.

„Der Fluss! Er muss ganz in meiner Nähe sein!“ hauche ich erleichtert und von mir selbst unbemerkt sprinte ich die letzten Meter einen kleinen Hügel hinauf, von wo das Flussbett direkt in mein Blickfeld gelangt. Auf dessen Kies, eine Person.

„Aragorn!“ schreie ich hysterisch und springe ohne zu überlegen von der kleinen Klippe des Hügels, weiter mit schnellen und langen Schritten auf meinen scheinbar bewusstlosen Gefährten zu.

Seine Kleidung völlig verschlissen, seinen Kopf auf dem Gras des Ufers gebettet liegt Aragorn in dem eisig kalten Wasser des Flusses und zittert am ganzen Leid – dennoch ist er nicht ansprechbar.

„Aragorn? Aragorn! Hörst du mich?!“ frage ich ihn mehrmals, doch eine Reaktion bleibt aus – nur seine flache Atmung und sein unregelmäßiger Herzschlag sind zu vernehmen.

Mit aller Kraft, die ich aufwenden kann, nachdem ich die weite Strecke beinahe die gesamte Zeit durch gerannt bin, packe ich ihn bei den Schultern und ziehe ihn, eher unsanft aus dem Wasser – dennoch weitaus besser, als ihn darin erfrieren zu lassen.

Notgedrungen bastle ich mir ein kleines Lagerfeuer beisammen, doch die Stöcke und das Geäst knistern und rauchen nur eher, als dass sie wirklich brennen. Meinen Mantel um seine Schultern gelegt und seine klaffenden Wunden weitestgehend versorgt, versuche ich ihn einfach am Lagerfeuer warm zu halten, auch wenn sich das als ziemlich schwierig herausstellt. Das Feuer wird nicht wärmer, und durch die untergehende Sonne wird es auf der Ebene immer kälter.

Wir brauchen einen Unterschlupf für die Nacht, oder er wird den Morgen nicht mehr erleben!, denke ich und sehe mich nach einer Höhle oder Ähnlichem um, als ein lautes Wiehern die Erlösung bringt.

„Brego!“ rufe ich völlig erleichtert und springe auf die Beine, während der Hengst über die Ebene gejagt kommt und kurz vor Aragorns Kopf halt macht. Völlig von selbst lässt er sich neben dem Dúnedain auf dem Boden nieder, damit ich ihn leichter auf des Pferdes Rücken hieven kann.

Mit großem Kraftaufwand zerre ich an dessen Schulter und nach schier unzähligen Minuten erhebt Brego sich vom Boden, Aragorn auf seinem Rücken sitzend.

„Bringe ihn nach Helms Klamm, Großer – ich komme nach!“ flüstere ich Brego zu, doch der Hengst scheint sich vorerst zu sträuben.

„Wenn du uns beide auf deinem Rücken tragen musst, verlangsamt es unser Tempo! Er braucht dringend Hilfe!“ sage ich nun energischer und der Hengst scheint zu verstehen, denn sofort setzt er zu einem weichen Galopp an, immer darauf bedacht, dass sein Reiter nicht von seinem Rücken gleitet. Doch anstatt ihnen auf direktem Wege zu folgen, begebe ich mich in einem schnellen Tempo zurück zu der Stelle, an der sich der Kampf zugetragen hat.

Ein letztes Mal schreite ich an die Klippe heran, von der Aragorn in die Tiefe gerissen wurde und erkenne nur spitze, große Felsen.

„Es grenzt an ein Wunder, dass er diesen Sturz überlebt hat!“ hauche ich voller Erstaunen, als etwas glitzerndes in mein Sichtfeld springt.

Aragorns Kette!, heißt es in meinen Gedanken und fest umschlossen noch heute in Helms Klamm anzukommen, greife ich fester um den Anhänger und drehe mich ohne einen letzten Blick um und trete in langen Schritten meinen Weg zur Klamm an...

Der Herr der Ringe FanFiction - Die Vergessene TochterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt