14 - Nähe und Distanz

120 20 51
                                    

Montag, 09.02.2009

Wie gelähmt stehe ich an der Tür. Meine Augen starr auf das Szenario vor mir gerichtet. Ich weiß nicht, wie lange ich wortlos dort stehe und dem Schlagen meines Herzens lausche.

Irgendwann tragen meine kurzen wackligen Beine mich vorwärts. Meine Augen noch immer auf diese eine Stelle gerichtet. Dabei übersehe ich die verschütteten Bonbons. Ich falle. Mit dem Gesicht voraus lande ich in etwas Flüssigem.

Der Geruch von Eisen steigt mir in die Nase. Ich ignoriere es und erhebe mich.

Als ich an meinem Ziel ankomme, zittere ich bereits am ganzen Körper.

„Mama", hauche ich angsterfüllt und lasse mich neben sie auf die Knie fallen. „Mama, ich bin wieder da. Hey, Mama. Ich bin wieder da. Ich habe Geburtstag, Mama. Du, ich glaube, der Kuchen brennt. Ich schalte den Ofen aus. Okay, Mama? Ich habe dich lieb."

Samstag, 01.08.2020

Mein Aufwachen habe ich einem penetranten Piepen zu verdanken. Bedächtig lasse ich die Augen aufflattern und rechne mit einem grellen Licht. Erleichtert darüber öffne ich die Augen nun ganz und versuche mich zu orientieren.

Mein Blick fällt auf die weiße kahle Wand vor mir. Rechts und links von mir sind dunkelblaue Vorhänge. Aus dem Augenwinkel erkenne ich hinter mir auch eine Maschine, die laute Geräusche von sich gibt und als einzige Lichtquelle dient, in dem sie gedimmtes Licht spendet. Irgendwo hinter dem Vorhang scheint sich ein Fenster zu befinden, durch das das Mondlicht hinein scheint.

Meine Arme und Beine fühlen sich an wie Blei, als ich mich auf dem harten Bett abstütze, um mich aufzusetzen. Dabei fallen mir ein Klipp an meinem Zeigefinger und eine Nadel in meinem Handrücken auf. Bin ich im Krankenhaus? In Gedanken gehe ich den letzten Moment durch, an den ich mich noch erinnern kann.

Ich habe am Boden gelegen und mit Jordan telefoniert. Bevor alles schwarz geworden ist, ist jemand an meine Seite gekommen und hat meinen Namen gerufen.

Erneut steigen mir die Tränen in die Augen als ich daran denke. Es ist Mamas Stimme gewesen, die ich gehört habe. Es ist, als wäre sie auch dort gewesen. Vielleicht habe ich auch nur deswegen überlebt. Wenn ich mir vorstelle, was passiert wäre, wenn ich nicht genug Kraft hätte aufbringen können, um Jordan anzurufen... Vermutlich wäre ich verblutet.

Jetzt, als ich wieder an ihn denke, frage ich mich wo er steckt. Was hat er sich wohl gedacht, als er mich blutend am Boden gesehen hat? Hat er sich gesorgt? Ist es ihm gleichgültig gewesen? Hat er überhaupt etwas gefühlt? Ich schüttele den Kopf. Wenn ich seine Stimme richtig in Erinnerung habe, dann ist er vor Sorge fast geplatzt. Er würde diesen Ton nicht haben, wenn ich ihm egal wäre.

Ich merke erst, dass ich grinse, als das Geräusch einer sich öffnenden Tür erklingt. Die Angst vor dem Unbekannten macht sich wieder in mir breit. Meine Gedanken gehen zurück zu dem Moment, an dem ich von hinten gepackt wurde. Augenblicklich rücke ich im Bett bis an das Ende des Kopfteils und umschlinge meinen Hals schützend mit den Händen. Ich erwarte Blut oder zumindest eine Narbe, die meine Haut ziert. Doch die Stelle, an der ich den Schmerz gespürt habe, ist mit einem großen Pflaster abgedeckt worden.

Ich habe gar keine Zeit erleichtert darüber zu sein, da nun Schritte im Raum widerhallen. Je näher sie kommen, desto mehr drücke ich mich an das Bettgestell. Erst als es anfängt weh zu tun, wage ich es einen Ton von mir zu geben. Vor Schmerz keuche ich auf, schlage mir aber im nächsten Moment die Hand vor den Mund.

Plötzlich wird der Vorhang auf meiner rechten Seite mit einem Ruck zur Seite gezogen. Vor Schreck kneife ich die Augen zusammen und werfe die Decke über mich, als würde sie mich unsichtbar machen. „Lass mich in Ruhe", bringe ich mit zitternder Stimme heraus. Die Panik staut sich an. Bitte, nicht nochmal...

Blue Rose - Band 1Where stories live. Discover now