Ronans Lied

828 81 46
                                    

In des Winters tiefster Pein,

schlichst du in mein Herz hinein.

Wie des Frühlings warme Sonne,

fülltest du es ganz mit Wonne.


In nur einer einz'gen Nacht,

ist für dich mein Herz erwacht.

Seither schlägt es laut für dich,

so wie deins es tut, für mich.


Deiner Seele Glanz und Reine,

erkannt ich bald und wurd' der deine.

Deiner Stärke, deinem Streben,

gewidmet sei mein ganzes Leben.


Einsam kamst du, doch nimmermehr,

werde dir dein Herz nun schwer.

Stets nur freudig soll es sein,

denn wir sind nicht mehr allein.


Reinste Liebe, höchste Lust,

schlagen beid' in deiner Brust.

Und an ihr, da ruhe ich,

ganz der Deine, ewiglich.


Als Ronan sein Lied beendet hatte, stellte er verwundert fest, dass dem Ritter Tränen über die Wangen liefen. Er saß sonst vollkommen ruhig im Schneidersitz, doch die feuchten Rinnsale glänzten im Feuerschein und seine Augen wirkten dunkel wie der Nachthimmel selbst. Noch nie hatte der Bursche erlebt, dass Winfrid weinte und doch war es jetzt so. Was wohl der Grund dafür war? Zu sehr gerührt, um seine Frage in Worte zu fassen, rückte Ronan deshalb so nah an den weinenden Mann heran, dass er ihn in seine Arme nehmen konnte. Ein leichtes Zittern war zu spüren, doch das kam nicht von Kälte, denn Winfrids Leib, seine Haut waren warm. Ronan zauderte nicht, er schmiegte sich an, legte seinem Liebsten das Kinn auf die Schulter und lehnte seinen Kopf an den des Ritters. So würde er einfach bei ihm sein und warten, bis jener von selbst sprach, wenn er es denn wollte.

Für eine kleine Weile, in welcher der Lockenkopf nur das Knistern des Feuers hörte und das Heben und Senken von Winfrids Brust fühlte, blieb dieser stumm. Doch schließlich nahm er einen tiefen Atemzug.

„All das, wovon du singst, mein Schöner, hat meinem Leben erst einen Sinn gegeben. Zuvor war ich nichts als eine Kampfmaschine meines Vaters. Die Welt erschien mir öd und leer. Jetzt erst entdecke ich ihre Farben, ihre Klänge, ihren Duft. Nun, da ich nicht mehr allein bin."

Ronan verstand. Er wusste dies, denn er war es gewesen, der den blonden Herzogsohn in ihrer ersten Nacht zu neuem, besserem Leben erweckt hatte. Er hatte es genau so empfunden.

„Mir geht es ebenso. Und ich bin unendlich froh, dass ich es bin, der all dies für dich bedeutet."

„Es könnte nie ein anderer sein."

Mit diesen Worten wandte sich der Blonde seinem Liebsten zu, um ihn zu küssen. Zuerst nur ganz federleicht, sodass sich ihre Lippen nur eben berührten und es angenehm kitzelte. Winfrid lächelte an den gleichsam lächelnden Lippen Ronans und so sacht wie er begonnen hatte, würde der Ritter diesen Kuss nun fortführen. Er legte seine Hand zärtlich in die üppigen dunklen Locken des Burschen, der sogleich reagierte und seinen Kopf wie ein Kätzchen in die Hand des Ritters legte. Und wieder küsste Winfrid. Dieses Mal fuhr er mehrmals die Konturen von Ronans Lippen mit seinen nach und begann dann vorsichtig, daran zu stupsen und zu lecken. Ein wenig bloß, denn nur mit der liebevollsten Sanftheit ließe sich ausdrücken, was sie beide sich eben gesagt hatten. Instinktiv folgte Ronan diesem zarten Liebespiel und ergab sich ganz der sanften Führung des Blonden. Er wollte ihm noch näher sein und setzte sich darum rittlings über seinen Schoß, doch dies war keine Forderung nach mehr, sondern lediglich ein Positionswechsel, der es ihm ermöglichte, ganz zu genießen, was Winfrid begonnen hatte. Ronans Hände strichen leise mit den Fingern durch die langen blonden Strähnen, während sich ihre Münder füreinander öffneten und ihr warmer Atem sich mischte. Er schloss seine Augen und genoss es einfach, wie Winfrid an seinen Lippen hing, sie liebkoste, an ihnen leicht saugte und zwickte und endlich auch seine Zunge kundschaften ließ. Das alles erzeugte nicht die Hitze eines leidenschaftlichen, begehrlichen Kusses, sondern eine Art innerer Wärme, die beiden Männern das Gefühl von Geborgenheit und Zusammengehörigkeit gab. Sie seufzten wohlig, streichelten sich und verfestigten so das unsichtbare Band zwischen ihnen mehr und mehr.

Vielleicht, so kam es Winfrid in den Sinn, während ihn der Duft von Ronans Haar an eine Wiese mit frischem Heu erinnerte, waren eben diese Zärtlichkeiten das, was er mit seinem Ritual angestrebt hatte. Zumindest waren sie für ihn der Höhepunkt dieser Nacht, ganz gleich was vorher war oder noch folgen würde. Und er nahm sich von ganzem Herzen vor, jede weitere Nacht mit seinem Geliebten nicht weniger innig zu erleben.

Ronan schmiegte sich inzwischen dicht an seine Brust und beendete ihren Kuss, um sein Gesicht an Winfrids Halsbeuge zu legen, wo er ruhig atmete. Er musste todmüde sein und das war kein Wunder. Der Ritter lächelte darüber bei sich und fand, dass es gut war, genau so wie es war.

„Leg dich hin, mein Rabe. Ich hole uns eine Zudecke", flüsterte er ihm ins Ohr.

Dann achtete er darauf, dass sich der vollkommen schlaftrunkene Bursche vorsichtig von ihm hinunter setzte und auf die Seite legte. Ohne den wärmenden Körperkontakt zu Winfrid, rollte sich Ronan gleich zusammen und bettete den Kopf auf seine Arme. Der Ritter stand dagegen auf, warf noch etwas Holz ins Feuer, dann kam er mit seinem großen Umhang zurück. Er bettete sich hinter den Burschen, der schon schlief, und zog ihn sachte an sich und den schützenden Stoff über sie beide. Gleich darauf sank er tief ins Reich der Träume.

Was weder der Ritter noch sein Knappe mitbekamen, waren die Tritte des scheuen, prächtigen Tieres, das sich erst jetzt hervorwagte. Es hatte versteckt hinter Bäumen und Sträuchern beobachtet, was die beiden Menschen am Seeufer taten und auf den rechten Moment gewartet, um ungestört an ihre Pferde heranzutreten. 

Die erste Nacht des SommersWhere stories live. Discover now