🎄Love Letter 1/5🎄

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Yeonjun

Ich ignorierte gekonnt, dass ich jede zweite Person anrempelte und konzentrierte mich darauf, meinen Hintern möglichst schnell aus diesem Gebäude zu befördern.

Ich konnte immer noch nicht realisieren, dass das wirklich passiert war, aber das war eh gerade nicht so sehr von Bedeutung. Dass ich den Brief nun doch in seinen Spind hatte fallen lassen, dafür konnte ich später noch meinen Kopf gegen die Wand schmettern. Erst mal galt es aus der Schule zu flüchten, so schnell wie möglich und am besten weit, weit weg von Soobin.

Ich schlängelte mich also eher unbeholfen als geschickt durch die Schülermassen, darauf achtend, dass mir meine graue Mütze nicht von meinem pinken Haarschopf rutschte, während ich mich in Richtung Hauptausgang durchkämpfte. Ich wusste es. Ich wusste von Anfang, dass es eine dumme Idee war, Soobin diesen Brief zu geben, ja gar ihm einen zu schreiben. Ich hätte wissen müssen, dass dies alles in einem Desaster endete.

Wie kam ich überhaupt auf diese bescheuerte Idee, ihm in diesem Brief meine Gefühle zu gestehen? Was passierte, wenn er das las? Empfand er dasselbe für mich oder wies er mich ab? Was wurde aus unserer Freundschaft, sollte Zweiteres eintreten? Ich hatte anscheinend nicht eine einzige Sekunde über mein Handeln nachgedacht und jetzt war es zu spät. Jetzt lag der Brief in Soobins Schließfach, welches er jeden Moment öffnen könnte, nur weil ich Vollidiot ihn, aus Schreck wegen des Läuten der Klingel, losgelassen hatte, anstatt ihn zurückzuziehen, da ich doch meine Meinung gewechselt hatte.

Während ich durch die Gänge huschte, rempelte ich versehentlich irgendeine Schülerin an, deren Bücher daraufhin auf den Boden fielen. Später würde es mir wahrscheinlich leidtun, aber gerade im Moment interessiere es mich kein bisschen. Ich hastete nur weiter gestresst durch die Masse an Schülern.

Eigentlich wollte ich erst Soobin persönlich meinen Brief überreichen und mich dann aus dem Staub machen. Ich schnaubte verächtlich. Dieser Plan war noch idiotischer als der Brief an sich. Das hatte ich auch in der Sekunde bemerkt, als ich Soobin den Brief geben wollte, weswegen ich zu Plan B, den Brief in den Spind zu werfen, übergegangen war. Denn da konnte ich einer direkten Konfrontation aus dem Weg gehen. Eventuell ging Soobin ja gar nicht mehr zum Spind.

Vielleicht hatte er sein Fach schon heute Morgen geleert, damit jetzt, wo Schulschluss war, er es nicht mehr tun musste. Oder der Brief rutschte irgendwo hin, wo er ihn nicht fand, oder er fiel raus auf den Flur des Korridors, wo er dann von den etlichen Schülerinnen und Schülern weggetreten wird, während diese vorfreudig auf die Weihnachtsferien das Schulgebäude verließen. Es gab so viele Möglichkeiten!

Ich schüttelte den Kopf über diese unsinnigen Gedanken. Es war unrealistisch, dass so etwas passierte. Wahrscheinlicher war, dass Soobin seinen Spind öffnete, den Brief von mir fand und gerade, weil ich ihm heute so schön aus dem Weg gegangen war, las er ihn sich durch und wusste über alles Bescheid.

Oh, das war so peinlich. Diese ganze Aktion war einfach nur peinlich. Was, wenn er mich noch erwischte und mich zur Rede stellte? Dieser Gedanke steigerte mein Adrenalin und meine Angst. Dafür war ich nicht bereit, ganz und gar nicht. Mir war es lieber, er wüsste gar nicht erst was davon.

Mein Blick ging gerade aus, während ich etwas schneller wurde. Ich wollte nicht mehr daran denken, nicht an den Brief, nicht an meine Dummheit und auch nicht an Soobin. Ich musste raus aus diesem Gebäude. Weg von all den drängelnden und schubsenden Menschen und ab nach Hause, wo ich mich für den Rest meines Lebens verschanzen konnte. Ich legte noch einen Zahn zu und erreichte die Türen, die nach draußen führten. Diese drückte ich auf und rannte ins Freie. Stolpernd übersprang ich jede zweite Treppenstufe und rannte das Gelände runter, um mich auf den Weg nach Hause zu begeben.

Am besten ich ging einen Umweg und nicht den direkten Weg zu meinem Haus, den Soobin und ich sonst gemeinsam einschlugen. Es war eigentlich oft ziemlich lustig, mit ihm zusammen nach Hause zu gehen. Er schaffte es immer, mich zum Lachen zu bringen. Er war ein Segen nach der Schule. Jedes Mal, wenn ich total gestresst war, dann kam mir der nach Hause Weg mit dem Größeren gelegen. Manchmal brauchte er nur anwesend zu sein, damit der Stress abfiel und ich mich besser fühlte.

Mit ihm an meiner Seite war einfach alles erträglicher. Auch wenn ich bei jedem Lächeln seinerseits nervös wurde, es machte die Situation nicht anstrengender. Ich freute mich über jedes Lächeln, dass mir der Blauhaarige schenkte, denn es gab mir das Gefühl, dass seine Freude mein Verdienst sei. Ich fühlte mich so besonders, wenn ich Zeit mit Soobin verbrachte, als würde er nur mir seine Aufmerksamkeit schenken und niemand anderem. Jeder Blick von ihm ließ mich erröten und mein Herz schneller schlagen und sein Lachen war pure Musik in meinen Ohren, welches die Schmetterlinge in meinem Bauch zum Flattern brachte. Ich vergaß all meine Sorgen in seiner Gegenwart und genoss seine Anwesenheit.

Etwas fröstelnd zog ich meine blaue Winterjacke zu und zupfte meine Mütze wie Schal etwas zurecht, als der Wind durch die Straßen fegte. Seine ruhige Ausstrahlung fehlte mir, doch bezweifelte ich im Moment, dass diese mir in irgendeiner Art und Weise half, sollte er doch bei mir sein. Ich seufzte erschöpft. Dieser Brief hatte mit einem Mal alles zerstört. Es machte nun vieles komplizierte, davon war ich überzeugt. Veränderungen waren immer anstrengend, vor allem wenn sie plötzlich eintraten. Es regte mich auf, dass ich diese Veränderung nicht verhindern konnte und ich auch noch selbst die Schuld daran trug. Es war doch alles zum Heulen. Ich trat vor Frust den Schnee weg, während ich weiter durch die Straßen zog.

Ich hatte mir und wahrscheinlich auch Soobin die Ferien versaut. Nicht nur wegen des ganzen Liebesmistes, sondern auch, weil wir uns deswegen die ganzen zwei Wochen über nicht sahen. Das alles frustrierte mich. Ich steckte in einer fetten Krise und wusste nicht aus dieser herauszukommen. Die Scham, die mich hatte fliehen lassen, verblasste allmählich und hervortrat die Überforderung. Der Adrenalinkick hatte diese so schön verdrängt, doch jetzt, wo mein Körper zur Ruhe gekommen war, machte sie sich bemerkbar.

Ich atmete tief ein und aus zum einen, weil ich nicht gerade Sportlichste war und zum anderen, weil ich versuchte, ein wenig runterzukommen. Ich schaute mich etwas in der Umgebung um, da ich diesen Weg erst ein, zweimal gegangen war und mich demnach nicht wirklich gut auskannte. Es war eine etwas ruhigere Gegend. Ein familienfreundlicher Vorort. Die meisten Häuser waren mit Lichterketten oder anderen weihnachtlichen Dekorationen geschmückt und sah allgemein ziemlich hübsch aus.

Ich machte mir eine gedankliche Notiz, hier demnächst öfters spazieren zu gehen. Vielleicht bekam ich dann den Kopf etwas frei. Aber momentan war mein Kopf pures Chaos.

Die Gedanken stolperten nur so übereinander und verknoteten sich mit den eh schon viel zu wirren Gefühlen in mir. Diese ganze Briefaktion ließ mir keine Ruhe. Ich konnte mich kaum noch auf irgendwas konzentrieren, ich wurde unaufmerksamer und achtete nicht mehr auf die Umgebung. Ein Gedanke nach dem anderen rollte durch meinen Kopf und machte mich verrückt.

So unachtsam wie ich durch die Gegend lief, war es nicht wirklich verwunderlich, dass ich eine Steinkante am Boden übersah und ins Stolpern geriet. Durch den Schnee wurde das Ganze dann noch eine rutschige Angelegenheit, vor allem, wenn man zusätzlich noch eine schwere Schultasche auf dem Rücken trug und bei dem Versuch, mich irgendwie noch auszubalancieren, erwischte ich die nächste Kante und legte mich samt Rucksack auf die Schnauze.

Dabei riss ich nicht nur mich aus den Gedanken, sondern nahm auch gleich einen fetten Schneemann mit, in den ich volles Brett hineinkrachte. Erschöpft blieb ich in dem kalten Schnee liegen und spürte nur die eisige Kälte, die sich durch meine Klamotten fraß. Ein frustrierter Schrei verließ meine Kehle, der jedoch von dem Schnee abgedämpft wurde.

Dieser ganze Tag war ein einfach ein kompletter Reinfall.

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