Kapitel 1

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Kapitel 1




„Einspruch euer Ehren!", hallte die aufgebrachte Stimme von Peter Jenkins durch den Gerichtsaal, dessen schmucklose Wände für ein Echo sorgten, das die ganze Situation mit einer herrlichen Portion Dramatik unterfütterte. „Die Frage ist eindeutig suggestiv", fügte er vorsichtshalber noch hinzu, bevor der Richter auch nur den Mund für eine Erwiderung öffnete. Kylie stand einfach da und verschränkte mit einem leichten Lächeln die Arme vor der Brust. Armselig, war alles, was ihr einfiel, als sie Jenkins betrachtete. Die Zornesröte war ihm zu Kopf gestiegen, die Haare standen ihm zu Berge und er strahlte ekelhafte Verzweiflung aus. Sie würde ihn zerquetschen wie eine unbedeutende kleine Fliege.

„Einspruch abgelehnt, fahren Sie fort Ms Kavanaugh." Kylie legte eine elegante Drehung auf ihren schwarzen Stilettos hin und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Zeugenstand zu.

„Also haben Sie mit diesem Mann geschlafen?", wiederholte sie ihre Frage. Die mollige Frau mit den gemachten Brüsten und blondierten Haaren knetete nervös ihre Finger. Sie schüttelte den Kopf, während ihre Augen im Raum umherwanderten.

„Nein, habe ich nicht. Ich sagte Ihnen doch schon, dass ich keine Ahnung habe, wer das sein soll und-"

„Ist das Ihre Stimme, die man dort in der Aufnahme hört?"

„Ich kenne diesen Mann nicht, ehrlich ich -"

„Beantworten Sie die Frage, ist das oder ist das nicht Ihre Stimme?"

„Ja. Aber -"

„Und ist das oder ist das nicht Ihre Kaffeemaschine, die dort im Hintergrund piepst?"

„Ja. Aber -"

„Hat sonst noch jemand Zutritt zu Ihrem Schlafzimmer?"

„Was? Nein, natürlich nicht."

„Also wiederhole ich die Frage, ist das Ihre Stimme?"

„Muss wohl so sein, aber -"

„Keine weiteren Fragen, euer Ehren."

Eine Stunde später und das Ding war im Sack. Der Richter erkannte an, dass die Frau von Kylies Mandanten den Ehevertrag gebrochen hatte, als sie ihn, während ihrer Ehe betrog, und somit würde sie bei der bevorstehenden Scheidung leer ausgehen.

Nachdem der Richter den Saal verlassen hatte, griff ihr Mandant begeistert nach ihrer Hand und schüttelte sie.

„Tausend Dank, wirklich, Sie waren fantastisch." Kylie nickte knapp und zog schnell ihre Hand zurück.

„Nichts zu danken, dafür bezahlen Sie mich ja schließlich. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem jüngeren Nachfolgemodell." Er lachte herzlich.

„Dankeschön, der Platz ist allerdings noch zu haben. Vielleicht kann ich Sie ja zu einem kleinen Abendessen überreden."

„Keine Chance." Und mit einem giftigen Blick in Richtung von Peter Jenkins, steuerte sie auf Richtung Ausgang zu. Kurz bevor sie die breite Flügeltür erreichte, gesellte sich eine groß gewachsene Gestalt an ihre Seite.

„Das war wirklich beeindruckend", lobte der alte Mann sie. Sie schenkte ihm ein seltenes und offenes lächeln.

„Vielen Dank Greg, freut mich, dass dir die Show gefallen hat." Greg Fraser war ihr Chef und Mentor. Er war derjenige, der sie damals trotz ihres Alters in die Kanzlei geholt und ihr alle Tricks beigebracht hatte, die sie kannte.

„Wann glaubst du, wird auffallen, dass die Stimmaufnahme eine Fälschung ist?", raunte er ihr zu.

„Ach bitte Greg", lachte sie kokett. „Du sprichst hier mit einem Profi. Es ist nichts zurückzuverfolgen." Greg schnalzte mit der Zunge und hob eine seiner buschigen grauen Augenbrauen.

„Hochmut kommt vor dem Fall, Kylie. Solange es Mitwisser gibt, sind die Dinge immer zu dir zurückzuverfolgen." Sie winkte ab.

„Die einzigen davon wissen sind du und dieser Stümper von einem Ehemann, dem ich gerade 20 Millionen Dollar gespart habe. Hast du vor, mich zu verpfeifen?" Sein Lachen war heiser und kraftvoll.

„Bist du verrückt, Kindchen? Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen."

„Sag ich ja – nicht zurückzuverfolgen. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich habe ein Kleid anzuziehen." Sie zwinkerte ihm zu und verschwand in Richtung der Besuchertoiletten des Gerichtsgebäudes.


Nachdem sie sich umgezogen hatte, nahm sie ein Taxi zurück zur Kanzlei. Die Haare, die ihr den ganzen Vormittag locker über die Schultern gefallen waren, hatte sie nun zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden. So kam das Dekolleté ihres marineblauen Cocktailkleides viel besser zur Geltung.

„Da ist ja meine zukünftige Chefin", begrüßte ihre liebste Kollegin und engste Freundin Penelope sie, als sie das große Foyer betrat. Die schwarzhaarige Schönheit kam mit zwei Gläsern Champagner in der Hand auf die zugeeilt und drückte ihr eins davon in die Hand.

„Sh", machte Kylie. „Posaune das doch nicht so herum, es ist doch noch nichts offiziell." Trotzdem konnte sie sich das breite Grinsen nicht verkneifen.

„Ich bitte dich", meinte ihre Freundin empört und verdrehte die blauen Augen. „Jeder hier weiß, dass der alte Fraser dich quasi dafür gezüchtet hat, seinen Posten zu übernehmen."

„Selbst wenn", erwiderte Kylie. „Der Aufsichtsrat hat da auch noch ein Wörtchen mitzureden."

„Nun stell dein Licht nicht so unter den Scheffel. Du hast dir die letzten zwei Jahre den Arsch aufgerissen für die Chefetage und bist uns allen mit deiner Erfolgsrate meilenweit voraus." Natürlich erwiderte sie das Kompliment mit etwas Bescheidenem, doch in Wahrheit gingen die Worte runter wie Öl. Ja es stimmte, sie hatte sich ihr verdammtes Hinterteil abgearbeitet, hatte an den Wochenenden und den Feiertagen geschuftet, hatte sich die Hände schmutzig gemacht und war auf Knien gekrochen. Doch sie hatte immer gewusst, dass es sich eines Tages alles auszahlen würde – und dieser Tag war heute gekommen.

„Uh, Frischfleisch", säuselte Penelope auf einmal und riss Kylie aus ihren Gedanken. „Auf elf Uhr, sieh mal." Sie schaute in die Richtung, die ihre Kollegin meinte und erkannte sofort, welchen Mann sie meinte.

„Aber hallo", kommentierte sie und pfiff leise durch die Zähne. Diesen Mann hatte sie garantiert noch nie zuvor hier gesehen, daran hätte sie sich erinnert. Er war größer als die meisten Menschen im Raum, hatte dunkelbraunes Haar, das mit der richtigen Kombination aus seriös und rattenscharf gestylt war. Sein trainierter Körper steckte in einem grauen Anzug, der perfekt zu seinem edlen und kantigen Gesicht passte. Angetan schnellte Kylies Zunge hervor und befeuchtete ihre Unterlippe. Penelope lachte bei dem Anblick ihrer faszinierten Freundin.

„Hast du es so nötig? Wie lange ist es überhaupt bei dir her?"

„Zu lange", entschied Kylie in dem Moment. Ja, es war definitiv zu lange her und sie war fest entschlossen, dass dieser Unbekannte ihre Trockenperiode beenden sollte. Den Blick noch immer auf das neue Objekt ihrer Begierde gerichtet, drückte sie Penelope ihr noch immer volles Glas in die Hand.

„Halt das mal, ich habe ein Date." Wie eine dunkelblaue Raubkatze ging sie auf die Pirsch. Sie stellte sicher, dass sie die ganze Zeit in seinem toten Winkel blieb, während sie sich langsam aber zielgerichtet durch die Menge schob. Etwas hinter seiner rechten Schulter blieb sie stehen und räusperte sich leise.

„Ganz schön trocken hier", meinte sie. Ihr Plan ging auf, als seine Schulter leicht ihren Oberkörper streifte, als er sich zu ihr umdrehte. Höflich machte er einen Schritt zurück und schenkte ihr ein Lächeln, das seine geraden weißen Zähne entblößte.

„Ich nehme mal an, das ist eine Aufforderung, Ihnen etwas zu trinken zu organisieren?" Sie fuhr sich mit der linken Hand vom rechten Ellenbogen den Arm hinauf, über ihre Schulter und zum Schluss über ihr freiliegendes Schlüsselbein, ehe sie ihn wieder sinken ließ. Natürlich folgte er aus dem Augenwinkel ihren Fingern.

„Das wäre sehr aufmerksam von Ihnen", schnurrte sie. Ihr Blick wanderte zu den langen schlanken Fingern, die um sein Glas gelegt waren. Kein Ring. Außerdem hatte er sehr schöne Hände, ganz nach ihrem Geschmack.

„Was verschlägt Sie hierher?", wollte sie wissen, während ihr Gegenüber ein Glas vom Tablett einer vorbeilaufenden Kellnerin fischte.

„Guter Champus und schöne Frauen", lächelte er und prostete ihr zu. Natürlich bemerkte sie, dass das keine direkte Antwort auf ihre Frage war, doch sie war durchaus gewillt, sein Spiel mitzuspielen.

„Die meisten Männer gehen in Clubs, um schöne Frauen zu finden, nicht in Anwaltskanzleien."

„Vielleicht mag ich ja schöne Frauen mit Köpfchen", erwiderte er und schenkte ihr einen lasziven Blick, während er von seinem Champagner trank. Seine Augen waren dunkelblau mit einem grauen Rand um die Iris.

„Ich mag Männer, die nicht vor einer Herausforderung zurückschrecken, die müssen nichts kompensieren", raunte sie und fragte sich für den Bruchteil einer Sekunde, ob sie nicht vielleicht etwas dick auftrug, doch ihrem Gegenüber schien es zu gefallen, denn sein Lächeln vertiefte sich merklich und wirkte viel weniger aufgesetzt.

„Glauben Sie mir, Herausforderungen sind genau mein Fall. Wo bliebe denn sonst der Spaß?"

„Da scheinen wir dieselbe Sprache zu sprechen." Oh das war zu gut, um wahr zu sein, wahrscheinlich konnte dieser Typ sie allein mit seiner rauen Stimme zum Orgasmus bringen. Schon jetzt spürte sie eine vertraute Wärme zwischen den Schenkeln und verlagerte leicht das Gewicht.
In dem Moment brach Beifall um sie herum aus und die Stimme von Greg Fraser war zu hören, der in ein Mikrofon sprach: „Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen, meine lieben Damen und Herren", begann er, was eine lange Rede zu werden versprach. Tatsächlich redete er lange über die letzten Jahrzehnte, die er allesamt in diese Kanzlei gesteckt hatte. Er sprach von guten Zeiten, von schlechten Zeiten, vom Gang der Dinge und von Gott und der Welt. Kylie stand da, lächelte, nickte und applaudierte an den richtigen Stillen. Doch so richtig spitzte sie ihre Ohren erst, als sie hörte, dass es in Richtung Ende ging.

„Seit der Gründung dieser wunderbaren Kanzlei gab es immer vier Partner, die in diesem Laden die Verantwortung tragen und wie Sekundenkleber in jeder Fuge dieses Gebäudes stecken. Sie repräsentieren all das, wofür wir stehen und noch viel wichtiger, wofür wir auch in Zukunft noch stehen wollen. So hat es sich als Tradition eingebürgert, dass derjenige der in den Ruhestand gibt, am Tag seiner Verabschiedung seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin bekanntgibt." Kylie spannte sich merklich an, drückte die Schultern nach hinten und reckte das Kinn nach vorn. Dies war ihre Stunde und sie war nicht bereit, sich von irgendetwas ablenken zu lassen, auch nicht von Mr Superheiß neben ihr.

„Mein Stuhl wird von jemandem gefüllt werden, der dem ein oder anderen von Ihnen etwas jung erscheinen mag." Kylie grinste. Ja, sie würde die jüngste Seniorpartnerin in der Geschichte New Yorks werden.

„Doch ich versichere Ihnen, dass diese Person großartige Dinge für diese Firma leisten wird, nicht nur aus juristischer Sicht, sondern auch als Mensch. Sie kann Ihnen allen ein tolles Vorbild sein und uns alle ins 21. Jahrhundert führen." Ja ja ja! Wie oft hatte sie mit Greg in der Mittagspause über Modernisierungspläne diskutiert und neue Softwarevorschläge ausgearbeitet.

„Es ist mir eine große Freude, Ihnen nun meinen Nachfolger vorstellen zu dürfen", rief Greg mit der Stimme eines Zirkusdompteurs, der nun die neue große Nummer ankündigte.

„Bitte spenden Sie eine große Runde Applaus für meinen Neffen – Hunter Fraser."
Die Muskeln in ihren Beinen hatten sich bereits angespannt, bereit sich in Bewegung zu setzen, um in Richtung des kleinen Podiums zu marschieren, auf dem Greg Fraser stand. Doch dann fühlte sie sich wie gelähmt und das Blut schien ihr in den Adern zu gefrieren. Sie musste sich verhört haben. Es war unmöglich, dass er einen anderen Namen gesagt hatte als den ihren. Vielleicht war sie ohnmöchtig geworden vor Freude oder halluzinierte?

Das Bild vor ihren flimmerte leicht, als sich ein grauer Anzug vor ihr vorbeischob und den Weg durch die Menge entlanglief, auf den sich ihre Beine eingestellt hatten. Während ihre Lunge nicht mehr wusste wie man ausatmete, beobachtete sie, wie der attraktive Anzugträger, den sie vor wenigen Minuten noch angegraben hatte, Greg die Hand schüttelte und an das Mikrofon trat.

„Vielen Dank für diese sehr gelungene Ansprache", ergriff dieser das Wort. Seine tiefe männliche Stimme drang wie durch Watte an ihr Ohr.

„Auch wenn viele von Ihnen mich hier vielleicht noch nie gesehen haben, habe ich meine Aufmerksamkeit schon lange auf diese renomierte Firma gerichtet. Ich freue mich darauf, mit meinen eigenen bescheidenen Fähigkeiten ein Teil dieser Familie zu werden und meinen Beitrag für euren, nun unseren, Fortschritt zu leisten. Vielen Dank." Keine ellenlange Dankesrede, keine große Ansprache, ein paar knappe Worte und der Anzugträger räumte wieder das Mikrofon. Während die umstehende Menge wieder in Applaus ausbrach, spürte Kylie plötzlich eine Hand an ihrem Arm. Wie in Trance drehte sie sich zur Seite und erkannte Penelopes Gesicht.

„Ist alles in Ordnung bei dir?" Alarmiert realisierte sie, dass ihr Blick so verschwommen war, weil ihr die Tränen in den Augen standen. Hastig blinzelte sie. Was für eine unglaubliche Demütigung. Sie hatte das Gefühl den Blick jedes einzelnen Mitarbeiters auf ihrer Haut brennen zu spüren. Ihre Lunge nahm ihren Dienst wieder auf und sie atmete zitrrig ein und aus.

„Komm", flüsterte ihre Freundin und Kylie ließ sich widerstandslos mitziehen. Während alle aufgeregt über diese sensationellen Neuigkeiten tuschelten, verschwanden die beiden jungen Frauen dezent auf der Damentoilette.

Kylie schaffte es bis zur gefliesten Wand neben dem Waschtisch, bevor sie zu Boden sackte. Die schmalen schwarzen Absätze knickten unter ihrem Körper weg und so saß sie wenig damenhaft mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden. Ohne dass sie es hätte verhindern können, begannen die Tränen zu laufen.

„Oh Süße", sagte Penelope besorgt und ging vor ihr auf die Knie.

„Ich weiß du hast damit gerechnet dass du Gregs Nachfolgerin wirst, haben wir alle, aber die Welt dreht sich weiter."

„Zwei Jahre...", hauchte die am Boden sitzende Anwältin, mehr brachte sie nicht heraus.

„Ich weiß, das muss verdammt weh tun. Denk dran, das ist nicht der erste Rückschlag den du wegsteckst und auch nicht der letzte, verlier jetzt nicht die Fassung." Doch Kylie war ihre sogenannte Fassung in dem Moment wirklich gänzlich egal. Wie konnte jemand wie Penelope ihr jetzt sagen, dass sie nicht den Kopf verlieren sollte. Jemand, der die Wochenenden feiernd in Clubs verbrachte, statt am Schreibtisch über Akten brütete. Jemand, dem die Eltern das ganze Studium bezahlt hatten und der nicht jede freie Stunde kellnern musste. Jemand, der zufrieden mit ihrem Platz in der Welt war und nicht Jahre lang für ihre Ambitionen kämpfte. Und dann brachen bei ihr alle Dämme. Ihre Schultern wippten auf und ab, während ihr die salzigen Bäche die Wangen hinabliefen.

„Oh Kylie, das sieht dir ja überhaupt nicht ähnlich. Lass es alles raus."

„Wie kann er mir das antun? Ich hätte den Job verdient, ich habe alles für diese Firma getan." Während Penelope ihr Bestes gab um beruhigend auf Kylie einzureden, heulte diese sich ihre ganze Überwältigung und Bestürzung aus dem Leib und während so langsam die Tränen versiegten, spürte sie eine andere Emotion in sich aufkommen – Wut.
Wer war dieser arrogante Schnösel, der meinte ihr den Job stehlen zu können!? Gregs Neffe? Gregs verdammter Neffe!? Vitamin B, ernsthaft? Er hatte sie unter seine Fittiche genommen, hatte ihr all seine Werte vermittelt und sie bei jeder Gelegenheit gefördert und unterstützt und als es drauf ankam, als es wirklich drauf ankam, entschied er sich dazu, sie so von der Kante zu stoßen, nur damit sein Neffe in die Firma einsteigen konnte? Warum fing er nicht als Anwalt an, genau wie jeder andere, musste er wirklich direkt den Chefsessel einkassieren - den Sessel, für den sie so lange gekämpft hatte?

Voll wilder Entschlossenheit, rappelte sie sich schließlich auf, stolperte vor den Waschtisch und versuchte sich mit Penelopes Hilfe so gut wie möglich das verschwischte Make Up aus dem Gesicht zu wischen.

„So ist es besser", meinte sie aufmunternd. „Zeig ihnen wer die Kämpferin ist, du bringst alte reiche Säcke vor Gericht zum weinen, dich werden so ein paar eingebildete Anwälte nicht zum einknicken bringen."

Sie hatte Recht und das wusste Kylie. Obwohl sie das Gefühl hatte, ihr Traum wäre gerade zerplatzt, würde sie jetzt da raus gehen und der Welt zeigen, dass sie sich mit der falschen Frau angelegt hatte.

„Komm schon", forderte sie ihre Freundin auf. „Lass uns wenigstens den teuren Champagner auf Kosten der Firma trinken." Damit verließen die beiden Frauen den Waschraum wieder gemeinsam und mischten sich unter die Leute, die sich wieder in kleinen Grüppchen zusammengefunden hatten und sich miteinander unterhielten. Die beiden suchten sich den erstbesten Stehtisch und angelten sich drei Gläser Champagner. Drei, weil Kylie das erste direkt auf Ex hinunterkippte. Ihre Freundin warf ihr einen besorgten Blick zu.

„Ich glaube ich habe dich noch nie trinken sehen", bemerkte sie und wusste anscheinend nicht, ob sie das amüsant oder alarmierend finden sollte.

„Und ich habe noch nie so einen Schlag ins Gesicht bekommen", knurrte sie als Antwort.

„Und wenn du vielleicht nochmal mit Greg sprichst und ihn nach seinen Beweggründen fragst?" Kylie schnaubte.

„Und dann? Meinst du er erkennt seinen Irrtum, stellt sich da vorne hin und ändert noch schnell seine Entscheidung? Ich bitte dich, er ist sein verdammter Neffe, ich bin nur irgendeine Anwältin."

„Du bist nicht nur irgendeine Anwältin und das weißt du auch. Du warst von Anfang an sein Liebling."

„Jap und so zahlt es sich aus." Damit prostete sie ihrer Freundin zu und stürzte ein weiteres halbes Glas hinunter.

„Wollen wir von hier verschwinden und uns ein paar armselige Filme anschauen?"

„Ich weiß nicht wann ich das letzte Mal einen Filmemarathon gemacht habe", antwortete Kylie.

„Ich hatte ja nie Zeit, weil ich Tag und Nacht für diese Firma gearbeitet habe." Auf einmal weiteten sich Penelopes Augen und fixierte einen Punkt neben ihrem Kopf. Sie ahnte was los war, noch bevor sie die tiefe Stimme hinter sich hörte, die sprach: „Habe ich Sie also doch gefunden. Wo waren wir vorhin stehengeblieben?" Ihre Finger schlossen sich so fest um den Stiel des Glases, dass sie kurz Angst hatte, eventuell das Glas kaputtzumachen.

Wie in Zeitlipe drehte sie sich zu dem Mann in dem grauen Anzug an. Dem Mann, von dem sie mittlerweile wusste, wer er war. Hunter Fraser, ihr neuer Boss. Er schenkte ihr ein umwerfendes Lächeln, doch als sie ihm jetzt in das schöne Gesicht sah, brannten bei ihr alle Sicherungen durch. In dem Moment repräsentierten diese blauen Augen, die gerade Nase und die schmalen Lippen alles was sie hasste und gerade ihr Leben zerstört hatte.

Bevor der Plan in ihrem Gehirn angekommen war, zuckte bereits der Muskel in ihrem Arm, das Glas in ihrer Hand schoss nach vorn und die golden schimmernde Flüssigkeit ergoss sich über den ebenmäßigen Gesichtszügen des Mannes und tropfte auf seinen grauen Anzug herab, wo sie dunkle Flecken hinterließ. Hinter ihr war lautes Luftschnappen zu hören. Der ganze Raum war verstummt und diesmal bildete sie sich nicht ein, dass sämtliche Blicke auf sie gerichtet waren.

„Komm", hörte Kylie Penelopes Flüstern neben sich. „Lass uns verschwinden." Und noch während Hunter Fraser mit komplett entgleisten Gesichtszügen dastand, wandten sie sich ab und eilten auf den Ausgang zu.

Ein Teufel kommt selten alleinWhere stories live. Discover now