7. Wie geht es weiter?

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Seit einer kleinen Weile liefen wir schon durch das Dorf, die Wasserflaschen in unseren Händen und suchten einen Platz für die Nacht. Immerhin wurde es langsam dunkel. Nur in diesem kleinen Kaff gab es so gut wie nichts! Nur unzählige Bauernhöfe und kleine, alte Häuser.

Als wir nichts fanden, suchten wir uns eine kleine Gasse, um dort die Nacht zu verbringen. So hatten wir es früher auch oft gemacht. Es wäre auch kein Problem gewesen, wenn es nicht angefangen hätte zu regnen.

„Schön, jetzt erkälten wir uns bestimmt noch", bemerkte Cosmo, der sich mit jeder Minute mehr an mich drückte, um mir meine Wärme zu stehlen.

„Ist das dein kleinstes Problem?", fragte ich genervt.

„Nein", antwortete er nach kurzer Zeit des Nachdenkens und wie aufs Stichwort brummte sein Magen. Beschämt sah er nach unten. Nicht nur er hatte Hunger, auch mein Magen zog sich zusammen, wenn ich an meine letzte Mahlzeit zurückdachte. 

Ich wusste nicht, was mir mehr fehlte, etwas zu essen oder Wärme. Unsere Wasserflaschen waren jedenfalls noch voll. Wir trauten uns nicht sie zu öffnen, da wir nicht wussten, wann wir das nächste Mal wieder an Wasser kämen. So würden wir also ausharren, bis der Durst zu groß werden würde.

Der Regen prasselte auf uns ein und unsere Klamotten klebten bereits an unseren Körpern. Cosmo neben mir fing schon an zu zittern, immerhin hatte er keine dicke Jacke. Das Klima hier war anders als zuhause. Hier war es viel kälter und auf den hohen Bergen lag schon Schnee. Als er auch noch versuchte sein Gesicht in meiner Jacke zu verstecken, die er geöffnet hatte und somit beinahe hineinkroch, traf ich einen Entschluss. „Cosmo, komm wir suchen uns einen anderen Ort", bestimmte ich.

„Nein", protestierte er müde und als ich mich erhob, blieb er zitternd sitzen.

„Cosmo!", meinte ich nun streng und zog ihn am Oberkörper hoch. Er ließ es klaglos über sich ergehen, aber als ich ihn auf seine Beine stellen wollte, krallte er sich an meinen Oberarmen fest. Als hätte er Angst umzukippen. Sein Kopf hing nach unten und immer wieder fielen ihm die Augen zu. Er war halt noch klein, das redete ich mir zumindest immer ein. 

Geschlagen seufzte ich und stützte ihn etwas, während ich die Flaschen aufhob und mich umsah. Die Scheune da hinten wäre doch nicht schlecht! Uns würde auch keiner bemerken.

Entschlossen lief ich auf sie zu, Cosmo zwang ich dazu sich zu bewegen. Nach ein paar Metern kehrte dann auch Leben in seine Muskeln und er konnte alleine laufen. Dennoch ließ er mich nicht los und war noch zittrig auf den Beinen. 

Dort angekommen, stieß ich das alte Holztor auf. Ich sah nichts als Dunkelheit. Das Heu gab sanft unter meinen Füßen nach und ich konnte den mittlerweile sehr starken Wind in meinem Rücken spüren. Schnell zog ich Cosmo mit rein und wir ließen uns ins dicke Heu fallen. Die Tür krachte hinter uns lautstark zu.

„Warm", nuschelte Cosmo. „So weich", murmelte er weiter. „Und kitzlig." Die Worte wiederholte er andauernd und ich hörte, wie er sich wohlig im Heu neben mir wälzte.

Auch ich sackte müde zusammen. Das Heu unter meinen Händen pikste und fühlte sich viel besser an als der kalte Steinboden der Gasse. Nur sehen konnte ich nichts. Aber ich wusste, dass wir nicht allein waren. Das Muhen von Kühen drang zu uns rüber und auch Schafe blökten. Ich dachte nicht weiter darüber nach. Mein müder Körper ignorierte die Anwesenheit der Tiere. 

Hauptsache warm und trocken. Zwar waren meine Klamotten das genaue Gegenteil davon, aber das hielt mich nicht vom Einschlafen ab. Genauso wie Cosmo.

***

Ich wurde durch das laute Knarzen der Tür geweckt. Sofort schien die Sonne herein und erwärmte mein Gesicht. Grummelnd versteckte ich es in meiner Armbeuge und drehte mich mit dem Rücken zur Tür. Die Kühe fingen an ihre komischen Geräusche zu machen und ich spürte, wie sich Cosmo neben mir regte, der über Nacht sich näher an mich gekuschelt hatte, um mehr Wärme zu bekommen.

„Also, dass ich euch so schnell wiedersehe hätte, ich nicht gedacht. Da hättet ihr mein Angebot auch annehmen können", erklang eine mir bekannte Stimme, die einen belustigten und zugleich tadelnden Unterton hatte.

Sofort riss ich meine Augen auf. Aarón!

Mein Kopf schnellte in seine Richtung und ich musste meine Augen wegen der Sonne zusammenkneifen. Warum mussten wir ausgerechnet seine Scheune erwischen?! Hätte es nicht irgendeine andere sein können? 

Ich stöhnte frustriert auf und ich konnte Aarón ganz leise lachen hören, da er offensichtlich wusste, was ich dachte. Wie konnte er nur so gut drauf sein? Ich mein, hier waren zwei Fremde in seiner Scheune! Und wir hatten ihn nicht gerade freundlich behandelt. Zumindest ich.

„Tut uns leid, wir sind auch gleich weg!", versicherte ich ihm mit kratziger Stimme und stieß im selben Moment Cosmo in die Rippen. Dieser fiepte erschrocken auf und wurde aus dem Schlaf gerissen.

„Ihr habt mein Heu nass gemacht", bemängelte der alte Mann. „Und ihr seid in meine Scheune eingebrochen", stellte er fest, während er auf uns zukam.

Instinktiv wich ich zurück und starrte ihn misstrauisch an. Tatsächlich blieb er stehen. Kurz dachte er nach, das konnte ich an seinen Augen sehen. Dann ging er in eine andere Richtung und fing an seine Tiere rauszutreiben. Durch diese Unruhe wuchs mein Fluchtinstinkt. Mein Blick schnellte zur Tür, doch die wurde von den ganzen Kühen versperrt und somit stieg meine Nervosität. Erst als alle Tiere draußen waren, beruhigte ich mich.

Nur, wie sollte es jetzt weiter gehen? Wir konnten in dem Dorf schlecht fußfassen und hatten uns bisher nur Feinde gemacht. So oder so, wir hatten ein Problem.

Cosmo neben mir stand auf und klopfte sich das Stroh von seiner Kleidung, die klamm und stinkend an ihm klebte. Mir ging es nicht anders als ich aufstand. Wie gern ich jetzt mal baden würde. Unsere Flaschen nahm ich an mich und wollte gerade die Scheune verlassen, als Aarón uns zurückrief. „Wo wollt ihr hin?"

„Weg von hier", gab ich emotionslos zurück.

„Ach ja? Etwa zur nächsten Scheune?", fragte er und ich wusste nicht so recht, was er von uns wollte. „Bleibt lieber hier. So wie ihr ausseht, könntet ihr mal eine richtige Mahlzeit gebrauchen."

Was für eine Frechheit! Woher wollte er das wissen?! Er hatte Geld! Ein Dach über dem Kopf! Er hatte Essen und Trinken! Gute Beziehungen und eine hoffnungsvolle Zukunft! Wie konnte er sich anmaßen über uns zu urteilen? Wir hatten jahrelang auf der Straße überlebt und schwere Zeiten durchgemacht, ohne jegliche Hilfe!

„Wir kommen schon zurecht!", fauchte ich daher beleidigt.

„Aber Ace!" Cosmo sah mich bittend an.

Genervt wanderte mein Blick zu ihm und irgendwie fühlte ich mich unter Druck gesetzt, dabei lag die Entscheidung ganz bei mir. Innerlich wog ich die Nachteile und Vorteile ab und musste zugeben, dass ich ein Idiot wäre, wenn ich wieder ablehnen würde.

„Okay, aber wir können jederzeit gehen", stellte ich meine Bedingung.

Aarón lächelte. „Selbstverständlich. Ich will euch nicht eure Freiheit nehmen, aber ich bezweifle, dass ihr gehen wollt."

Hope in the DarknessWhere stories live. Discover now