Leroy Sané & Thilo Kehrer

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Beide sind keine Fußballer

Ich saß auf unserer Couch und schaute den Kindern zu. Meine beiden Mädchen saßen auf dem Boden und malten ruhig. Ich war glücklich und doch fehlte mir etwas. Mein Ehemann.

Ich seufzte leise und schloss kurz die Augen. Ich vermisste Thilo sehr. Vor einem halben Jahr wurde er zu einer Mission gerufen und ist seit dem immer noch nicht zurück.

Thilo war ein Geheimagent für die Bundesbehörden. Familie gehörte da einfach nicht dazu. Aber wir hatten uns bei einer seiner Missionen kennengelernt und es hatte sofort gefunkt. Wir verliebten uns ineinander und gründeten bald darauf eine Familie, adoptierten zwei kleine Mädchen und kauften ein Haus am Stadtrand.

Mein Engel wurde zwar immer wieder auf verschiedene Missionen geschickt, hatte neue Identitäten angenommen, aber hatte mich nie vergessen. Egal, wie verstrickt die Sache war, er hatte immer Zeit mir eine kurze Nachricht zu hinterlassen.

Aber dieses Mal war es komplett anders. Mitten in der Nacht war Thilo verschwunden, ich hatte keine Nachricht, keinen Abschiedsbrief oder Kuss bekommen.
Ich war am nächsten Morgen wach geworden und mein Bett war leer.

Erst dachte ich mir nichts dabei, vielleicht war es wirklich so wichtig. Aber als nach einer Woche immer noch keine Reaktion kam, wurde mir mulmig zumute.
Ich hatte sogar an unseren geheimen Briefkasten, den wir nur in wirklichen Notfällen benutzen, einen Brief gelegt, doch wurde er nicht abgeholt.

Meine Laune hatte sich von Tag zu Tag verschlechtert und an manchen Tagen war sie so mies, dass ich meine Mädchen zu meinen Eltern brachte, damit sie nichts davon ab bekamen.
Ich lag dann meistens in meinem Bett, schrie wütend oder weinte. Danach ging es mir besser und ich konnte meine Mädels ruhig von meinen Eltern abholen.

Aber manchmal, vor allem in den letzten Wochen, wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich auch nur so ein Teil einer Rolle war, die Thilo gespielt hatte. Die er so perfekt gespielt hatte.
Aber könnte er das wirklich machen? Mein gesamtes Leben als Lüge dastehen lassen?
War er nicht auf der Hochzeit glücklich gewesen? Hatte er nicht voller Stolz mich nun als Leroy Kehrer vorgestellt?

Diese ganzen Fragen geisterten mir mal wieder durch den Kopf.
Dann hörte ich die süße Stimme meiner jüngsten Tochter: "Papa nicht weinen..."
Müde und traurig blickte ich zu meinen Kindern und Tia blickte mich mit ihren braunen Knopfaugen an.
"Dein Papa weint nicht", flüsterte ich leise zurück und breitete die Arme aus.
Schnell kam Tia angelaufen und warf sich in meine Arme. Dann strich sie mir mit ihrem Patschehändchen durchs Gesicht und fragte: "Warum Papa traurig?"
"Dein Papa ist traurig, weil er deinen Papi ganz doll vermisst. Weißt du Tia, ich hab deinen Papi so doll lieb, wie ich dich lieb habe. Aber dein Papi ist schon so lange weg und da tut das lieb haben einfach weh."
"Papi dir weh tun?", fragte Tia zurück und kuschelte sich an mich, "dann habe ich Papi nicht mehr lieb."
"Nein mein Engel, Papi tut mir nicht weh. Das er nicht da ist, das tut weh. Das ist wie, wenn Leonie lange Zeit weg wäre. Du hast aua, weil du sie nicht mehr sehen kannst. Du vermisst sie", versuchte ich meiner 3-jährigen Tochter zu erklären. Sie schaute zu ihrer Schwester, nickte dann verstehend.
"Und du hast aua, weil du Papi vermisst?", fragte sie nochmal nach und ich nickte.
"Genau mein Schatz."

"Vermisst ist doof!", schlussfolgerte Tia dann und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Das ist es wirklich, mein Engelchen", flüsterte ich zurück und gab der kleinen einen Kuss auf die Stirn.
Nun kam auch meine zweite Tochter dazu und ließ sich von mir umarmen. Leonie war schon immer mehr auf Abstand gewesen. Als wir die beiden Geschwister vor anderthalb Jahren zu uns geholt hatten, hatte Leonie totale Berührungsängste gehabt.
Mit Thilo hatte sie sich als erstes angefreundet. Von ihm hat sie sich als erstes umarmen lassen. In dem Moment hatte er mich so stolz angegrinst.

"Papi wird doch wieder kommen, oder? Er wird uns nicht alleine lassen?", fragte Leonie leise und schaute mich traurig an, "ich vermisse ihn ganz doll Papa."
"Er wird wieder kommen", flüsterte ich zurück und drückte beiden einen Kuss auf den Kopf. Ich liebte meine beiden Mädchen wirklich sehr. Sie zur Zeit so traurig zu sehen, tat mir daher noch viel mehr weh.

Aber ich durfte nicht die Hoffnung verlieren, nicht vor meinen beiden Engeln. So lächelte ich sie sanft an: "Wollen wir für Papi was basteln? Was haltet ihr von Schmetterlingen? Die hängen wir an die Tür und dann kommt Papi bestimmt ganz schnell wieder."

Die beiden strahlten mich an und ich holte aus dem Wohnzimmerschrank den Karton mit den Bastelsachen raus. Meine Mädels strahlten, denn alleine durften sie nicht an diese Kiste ran.
Vorsichtig und langsam zeigte ich den Beiden, wie man einen Schmetterling basteln kann. Während Leonie und Tia am Basteln waren und das Glitzer noch nicht gefunden haben, kümmerte ich mich etwas um den Haushalt. Ich stellte eine Ladung dreckige Wäsche an, bezog die Betten neu.

In der Küche machte ich auch sauber und begann dann mit dem Abendessen.
Dann ging ich wieder ins Wohnzimmer und schaute verträumt zu meinen Kindern. Sie waren beide immer noch am basteln.
"Na meine Süßen, wie viele Schmetterlinge habt ihr denn schon?", fragte ich und setzte mich mit auf den Boden.
"Ganz ganz viele!", strahlte Tia, "ganz viele Metterschlings! Und ganz viel Glitzer!"
"Glitzer?!", überrascht schaute ich die Mädels an, "hab ich euch das denn erlaubt?"
Die beiden grinsten mich unschuldig an, dann strahlte mich Tia an.
"Hab einen Metterschling mit Glitzer gemacht! Guck Papa! Extra für Papi!"
Nun musste ich doch grinsen und nahm Tias Hand: "Na dann komm, hängen wir eure schönsten Schmetterlinge auf."

Eine halbe Woche verging, als es gegen Nachmittag an der Haustür klingelte. Tia war gerade aus ihrem Mittagsschlaf aufgewacht, daher hatte ich sie noch auf dem Arm. Leonie saß im Wohnzimmer und spielte Lego.
Als es aber klingelte schaute sie auch fragend auf und folgte mir zur Tür.

Ich wusste nicht, wer da sein sollte, also öffnete ich neugierig die Tür.
Als ich raus schaute, konnte ich meinen Augen nicht glauben.
"PAPI!!", schrie Leonie und rannte überglücklich auf den jungen Mann vor mir zu. Dieser nahm die kleine hoch und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
"Lange nicht mehr gesehen, meine Prinzessin. So groß bist du geworden."
Dann beugte er sich zu Tia vor und gab auch ihr einen Kuss auf die Wange: "Du bist ja auch so groß geworden, mein Engelchen. Ich hab dein Geburtstag verpasst, aber ich hab dir etwas mitgebracht."
Verschlafen strahlte Tia ihren Papi an: "Du bist wieder da. Jetzt hat Papa kein aua mehr, weil vermisst böse war."
"Papa hatte aua?", fragte Thilo nun und schaute mich an. Sanft küsste er mich und ich erwachte aus meiner Starre. Ich erwiderte den Kuss verzweifelt.

Wir verbrachten den Nachmittag als Familie zusammen, aber sobald die Mädels im Bett lagen, gehörte der Abend nur noch Thilo und mir.
Wir nutzen die Zweisamkeit und später lagen wir ruhig im Bett. Ich hatte meinen Kopf auf Thilos Brust liegen und starrte die Decke an. Währenddessen kraulte mir Thilo die Haaren.
"Warum hast du auf keine meiner Nachrichten geantwortet?", fragte ich schließlich leise. Diese Frage geisterte schon die ganze Zeit in meinem Kopf herum. Thilo seufzte leise: "Ich hätte so gern, Le. Aber ich konnte nicht. Jeden einzelnen Kontakt zu meiner wahren Identität musste ich brechen, sonst hätte ich euch alle in Gefahr gebracht. Dich und die Mädels am meisten. Und davor hatte ich am meisten Angst."
"Aber wieso? Ich hätte dir helfen können", widersprach ich, doch Thilo schüttelte nur den Kopf.
"Schatz, ich hatte es mit Drogenkartellen und der Mafia zu tun. Wenn die meine wahre Identität wüssten, hätten sie euch entführt oder gar kalt gemacht", erklärte mir Thilo leise und strich mir über die Arme.
"Wenn aber dir was passiert wäre, ich hätte das nie mitbekommen...", hauchte ich und Tränen liefen mir über die Wange.
"Mir ist aber nichts passiert, Baby. Und mir wird auch nichts mehr passieren", hauchte Thilo.
"Da kannst du dir nie sicher sein", flüsterte ich traurig zurück, doch schüttelte mein Freund lächelnd den Kopf.
"Doch, denn ich höre auf. Ich höre mit meiner aktiven Karriere als Spion und Agent auf. Für mich waren diese sechs Monate viel zu lang von euch weg, ich hab dich und unsere Töchter so vermisst. Ich hatte sogar Angst, dass sie mein Gesicht vergessen", hauchte Thilo ehrlich und sanft drückte ich ihn an mich.
"Das hätten sie nie. Ich hab immer über dich gesprochen und ihnen Geschichten erzählt. Vor allem für Leonie warst und bist du ihr Held."
Thilo kamen die Tränen und drückte mir einen Kuss auf den Kopf: "Aber genau das will ich mitbekommen. Ich werde in der Buchhaltung anfangen. Dort habe ich geregelte Arbeitszeiten und bin jeden Tag abends wieder zu Hause."
"Das wäre wunderbar", flüsterte ich und strahlte, "ich liebe dich..."
"Ich dich auch, Leroy Kehrer", flüsterte Thilo zurück.

Und endlich war mein Mann zu Hause und würde nie wieder für so lange Zeit einfach verschwinden.

One-Shots Fußball (boyxboy)Where stories live. Discover now