Zwölf

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"Erst Dienstag..", begrüßte Hanna ihre Kollegin in der Mittagspause. "Erinner mich bloß nicht dran! Mich wundert's ja sowieso, dass mein Schreibtisch vor lauter Gewicht aus Ordnern, Computer, Papierkram und meiner Handtasche noch nicht zusammengekracht ist." Lachend stieß Luise ihre Kollegin leicht von der Seite an und verbesserte damit tatsächlich ein wenig ihre Laune. Sie gingen über die nächste Straße, denn heute wollten sie wieder beim Foodtruck vorbeischauen und sich einen lecker aussehenden Salat kaufen, der die beiden gestern schon so angesprochen hatte. "Sag mal, wann gehst du nochmal mit deiner Mutter essen?", fragte Luise. "Wir haben den frühen Freitagabend ausgemacht, so gegen 6 oder halb 7." Hanna sah sich kurz um, damit sie nicht wieder so einen Überraschungsfall wie gestern durch das Taxi hatte. Danach fuhr sie fort. "Allerdings war ich wohl etwas leichtsinnig, denn ich kenne mich in dieser Riesenmetropole nicht einmal ansatzweise aus - und dann soll ich ein gutes Restaurant kennen?" Sie lachte etwas ironisch, beinahe schon verzweifelt. "Ach, frag mich doch einfach. Ich bin zwar erst seit einem Jahr hier, aber gut Essen war ich auch schon - ob italienisch, griechisch oder asiatisch. Aber jetzt lass uns erst einmal an unseren leckeren Salat denken, bevor wir uns in unseren freien Minuten den Kopf zerbrechen." Mit diesen Worten stellte Luise sich bereits in die recht kurze Warteschlange vor dem Truck, bevor Hanna sich neben sie gesellte. Sie checkten beide kurz ihre Nachrichten, denn wegen eines Meetings nach der Pause würden sie beide nur 30 statt 45 Minuten Ruhe haben. Jedoch fand Hanna das ganze eher weniger schlimm, immerhin hatte sie heute die grandiose Möglichkeit, ihrer Chefin beim Verhandeln mit einem Ex-Klienten zuzusehen - wer würde sich diese Chance auch entgehen lassen wollen?

Etwa eine Viertelstunde später standen die beiden dann von ihrem kleinen Imbissstand-Tisch auf, um ihr Geschirr als Pfand zurückzugeben. "Ich muss sagen, dass das Essen hier nicht nur bombastisch gut schmeckt, sondern sie auch noch total auf die Umwelt achten - ein echter Volltreffer." Und da war sie wieder: die Luise, deren Herz für die eingehaltenen Emissionsrechte schlug. "Da kann ich dir nur zustimmen." Diesmal sahen sie beide einmal nach links, rechts und wieder links, bevor sie die doppelspurige Straße am Rande der Frankfurter Innenstadt überquerten. Hannas Gedanken schweiften schon wieder ab, doch diesmal schien das auch ihre Freundin bemerkt zu haben. "Jetzt mach dir doch mal keinen Stress wegen später, wir sitzen da nur drin, du stellst am Ende eine Frage, die dir die Vinzlorak auch noch diktieren wird. Also wieso so aufgeregt?" Ein aufmunternder Blick seitens Lu, der wohl wirklich bester Absicht war, beruhigte Hanna allerdings weniger. "Ich weiß nicht, eventuell weil ich kleiner Schisser nur eine Praktikantin bin und mal eben eine Stunde lang neben einer der renommiertesten Anwältinnen Deutschlands in einem hitzigen Gespräch beisitzen werde. Wieso sollte ich denn auch aufgeregt sein?" Doch anstatt eine Antwort auf ihre - etwas zu spitze - Erklärung zu bekommen, schwieg ihre Freundin auf einmal. Hannas Besorgnis galt nun nicht mehr dem Meeting - auch wenn sie wirklich sehr nervös war - sondern auch Luise. "Alles okay bei dir? Ich kenn dich gar nicht so still.", lachte Hanna in der Hoffnung, die Stimmung zu heben. "Jaja, alles gut. Ich hatte nur gerade kurz einen Schock, ob im Salat Pinienkerne waren. Hab da nämlich eine dezente Allergie darauf.", Luise lachte kurz sarkastisch auf. "Aber alles halb so wild - ich werd' schon nicht dran sterben, auch wenn da glaube ich sowieso keine drin waren." Hanna war zwar nicht gerade zufrieden mit dieser Antwort, doch vielmehr als sie zu akzeptieren konnte sie gerade auch nicht tun, denn in knappen zehn Minuten wurden die beiden oben erwartet. Davor musste sie noch kurz ein, vielleicht zwei Dokumente neu aufsetzen, da sich die Uhrzeit des Meetings kurzfristig geändert hatte und diese Neuerung übernommen werden musste. 

"Na dann bis gleich, und fall mir nicht um, verstanden?" Hanna sah Luise etwas besorgt an, doch diese meinte nur: "Selbst wenn, du als Rettungssanitäterin bist dann einfach mein Held in der Not." Mit einem kurzen Zwinkern wandten sich dann beide voneinander ab, bevor der große Moment für Hanna schon wartete.

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