Kapitel 38

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Sie sprang auf und zeitgleich schoss auch der Meuchelmörder in die Höhe. Wie wild sah er sich um. Erst als er bemerkte, dass keine Gefahr drohte, entspannte er sich wieder. „Was ist los?", fragte er.

„Ich habe ganz vergessen, euch etwas zu trinken anzubieten. Was bin ich nur für eine schlechte Gastgeberin."

„Das ist schon in Ordnung. Ich bin mit Wasser zufrieden, falls es trinkbar ist."

Hannah nickte eifrig und schickte sich an, den Salon zu verlassen.

„Du trinkst keinen Alkohol?", wollte Ander wissen. Kurz hielt Hannah inne, weil sie die Antwort interessierte.

„Selten. Man wird langsam, verliert die Kontrolle. Es ist nicht gerade einfach, den Wachen davonzurennen, wenn man betrunken ist."

Hannah musste bei seiner Offenheit lächeln. Sie betrat die Küche und stellte Gläser auf ein Tablett. Dann legte sie noch etwas Gebäck auf einen Teller und brühte Tee auf. Sie mochte ihre Gäste. Sie wünschte sich, sie würden öfter Besuch kommen. Einzig Anders Verlobte war noch ab und an zu Gast. Alle anderen trauten sich kaum mehr aus dem Haus, in der Angst von ihren eigenen Freunden an die Jünger Lessamms verkauft zu werden.

Hannah hatte versucht, die Leute zu überzeugen, gegen die Priester vorzugehen. Sich zusammenzuschließen oder einfach irgendetwas zu tun, aber jeder fürchtete sich vor den Konsequenzen. Ihrem Bruder zuliebe hatte sie es schließlich aufgegeben, denn Ander machte sich Sorgen, dass irgendjemand sie anschwärzen würde. Verbitterung überkam sie, als sie an Lorena denken musste. Sie hatte die junge Frau gemocht. Schließlich war sie ebenfalls ein Freigeist gewesen. Und jetzt war sie tot. Nur mit Mühe konnte Hannah Tränen des Zorns und der Hilflosigkeit, aber auch der Trauer unterdrücken.

Als sie in den Salon zurückkehrte, stellte sie die Getränke auf den kleinen Tisch aus dunklem Holz. „Wo wurde das Monster zuletzt gesehen?", fragte Senn.

„Das ist schwer zu sagen. Die meisten Augenzeugen sahen es im Gebiet um den zentralen Platz, die Opfer fanden sich jedoch verstreut. Manche auf Hauptstraßen, andere in entlegenen Gassen."

Alyn und Senn wechselten einen Blick. „Wir werden uns auf die Lauer legen", sagte die Frau bestimmt.

Ander sprang entsetzt auf. „Ihr wollt das Monster sehen? Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen? Ihr könnt dabei Euer Leben verlieren."

Dann schien er sich zu erinnern, mit wem er da sprach und er gewann seine Fassung wieder. „Auch wenn Ihr einer der gefährlichsten Männer Seyls seid und Eure Begleitung sicher ebenfalls gewisse Talente hat, so bleibt es trotzdem ein Wagnis."

„Wir haben keine andere Wahl. Wenn wir das Geheimnis um das Monster lösen wollen, dann müssen wir es tun."

Nach einem tiefen Schluck aus seiner Tasse, seufzte Ander genießerisch. „Ihr solltet wirklich Tee probieren. Ein ausgezeichnetes Getränk aus Skaramesch."

„Ich bin tatsächlich bereits in den Genuss von Tee gekommen." Der Meuchelmörder wirkte jedoch nicht begeistert. Hannah wartete darauf, dass er mehr verriet, aber er schwieg.

„Wie kommt es, dass ein Auftragsmörder aus unserer prächtigen Hauptstadt an einem Ungeheuer in Merin interessiert ist?", fragte sie, um Senn wenigstens ein paar Informationen zu entlocken.

Er zögerte. „Ich helfe einem Bekannten...", sagte er schließlich. „... der das Rätsel um diese Erscheinung lösen möchte."

Alyn schüttelte auf Hannahs Blick den Kopf. „Nein, nicht ich. Jemand anderes. Er ist im Moment indisponiert." Auch sie schien nicht so recht mit der Sprache herausrücken zu wollen.

Die Chroniken von Seyl 1 - Die Macht der EdelsteineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt