Kapitel 24 (vorher 16 I)

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Meine Hand fuhr unbewusst zu meinen Klingen. Sie wieder bei mir zu haben, gab mir ein seltsam beruhigendes Gefühl.

Alyn ritt neben mir und wirkte ausgeruht und zufrieden. Die Waldwichtel hatten sich betrübt von uns verabschiedet und ihre Stimmung war erst aufgehellt, als Alyn ihnen versprochen hatte, dass wir sie wieder besuchen würden, sobald wir die Oberen gestürzt hätten. Sie hatte so selbstbewusst geklungen, niemandem wäre in den Sinn gekommen, dass wir auch scheitern könnten.

Ich hingegen hatte geschwiegen und Ausschau nach dem Altehrwürdigen gehalten, ihn aber nirgends entdecken können. Selbst als man unsere Pferde gebracht hatte und wir aufgesessen waren, blieb er verschwunden. Ich hatte mich suchend auf Farah umgedreht und das Letzte, was mir vom Dorf der Waldwichtel ins Auge fiel, war die Statue der Göttin, die mir durch die weit geöffneten Flügeltüren zuzuzwinkern schien.

Wir legten ein zügiges Tempo vor und schafften es tatsächlich, den Wald am frühen Abend hinter uns zu lassen. Der Weg lag einladend vor uns, trotzdem blieb ich für einen Moment stehen. Alyn, die die Deckung der Bäume verlassen wollte, zügelte Turrim und schaute verwirrt zu mir. „Was ist los?", wollte sie stirnrunzelnd wissen.

Ich stieg ab und schlug mich durch die Büsche. „Ich kontrolliere, ob der Durchgang frei ist."

„Meinst du nicht, dass du es damit etwas übertreibst?" Alyns Stimme drang von hinten zu mir.

„Wir werden den Leuten im Gedächtnis bleiben, wenn wir so geradewegs aus dem Wald reiten. Du darfst nicht vergessen, dass dies ein Sperrgebiet ist. Bestenfalls werden sie uns nur ein paar Fragen stellen und wir können sie abwimmeln, schlimmstenfalls rennen sie geradewegs zur nächsten Wache."

„Oh", meinte Alyn betroffen. „An so etwas habe ich gar nicht gedacht."

Ich seufzte. Natürlich hatte sie nicht. Ich beneidete sie um diese gewisse Naivität. Ich hatte es einst auf die harte Art erlernen müssen und solche Lehren vergisst man nie wieder.

„Der Weg ist frei", erklärte ich ihr und saß auf.

Prüfend blickte ich auf den Stand der Sonne. „Wir haben ungefähr noch vier Stunden, bis die Sonne untergeht. Wenn wir weiter gut vorankommen, erreichen wir in etwas mehr als drei Stunden eine kleine Ortschaft von etwa fünfzig Einwohnern. Was allerdings viel wichtiger ist, ist, dass es dort auch eine Schenke gibt, in der wir für die Nacht bleiben können."

„Das hört sich großartig an", meinte Alyn. „Ich benötige dringend ein Bad."

Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Auch wenn sie keine dieser hochnäsigen Adeligen war, die es vorzogen, in ihrer Kutsche zu reisen, mitsamt ihren persönlichen Fächerschwingern und Köchen, so war Alyn letzten Endes doch eine Dame von Stand. Als diese hatte sie gewisse Bedürfnisse. Ich hätte die Zivilisation lieber gemieden, doch einem heißen Bad war auch ich nicht abgeneigt. Der heutige Tag war kühl und ich fror leicht.

Diese Gedanken erwähnte ich jedoch nicht, denn sie hätte darauf bestanden, den Weg sofort zu verlassen und mich ermahnt, sie nicht wie eine schwache Frau zu behandeln. Zudem war es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn wir uns wieder unter Menschen begaben. Je mehr Menschen, desto größer der Abstand zu Alyn, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie versehentlich umbrachte. Denn seit wir den Wald verlassen hatten, war dieser Drang zurück, stärker als zuvor.
„An was denkst du gerade?"

Ich zuckte zusammen. Ihre Stimme hatte mich zurück in die Gegenwart befördert.

„Nichts Besonderes", gab ich zur Antwort.

Wir unterhielten uns über einige Belanglosigkeiten und sie berichtete mir von ihrem behüteten Leben in ihres Vaters Villa und wie sie regelmäßig versuchte, die Zwänge der Gesellschaftskonventionen abzuschütteln.

Die Chroniken von Seyl 1 - Die Macht der EdelsteineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt