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Shania


Fest umfasse ich meine Doppelklingen mit meinen Händen. Mein Blick schweift über die verschneite Fläche. Ich befinde mich in Hebra, auf dem umzäunten Platz eines verlassenen Stützpunktes der Orni. Jedes Mal auf's Neue, wenn ich hier in den Bergen bin, wundert es mich, dass sogar im Sommer Schnee liegt.

Der pochende Rhythmus meines eigenen Herzschlags ist Zeuge meiner Nervosität. Und dann, plötzlich, da sehe ich ihn. Ohne jegliche Vorwarnung taucht Revali am Himmel auf. Er fliegt in präsentierender Herrlichkeit eine Schleife, ehe er mithilfe seines Sturms noch ein Stückchen aufsteigt und mit dem Rest des Aufwindes einige Flügellängen vor mir landet. Mein liebster Orni nimmt den Adlerbogen von seinem Rücken ab und tritt zwei Schritte vorwärts. Im Anschluss stemmt er seinen freien Flügel gegen die Hüfte und reckt den Schnabel mit einem überheblichen Lächeln in die Höhe.

»Dann zeig mal, was du draufhast!«, fordert mich Revali offen heraus.

Stumm drücke ich die Griffe meiner Doppelklingen. Das ist mein aller erster Übungskampf gegen meinen eigenen Ehemann, dem obersten Recken und Anführer der Orni-Krieger. Es war meine eigene Idee, ich wollte es so, aber dennoch kann ich nicht leugnen, dass ich ziemlich aufgeregt bin.

In Windeseile gehe ich gedanklich meine Strategie durch. Mir ist klar, dass Revali mir im Fernkampf im Vorteil ist. Also sollte ich versuchen, ihn irgendwie aus der Nähe anzugreifen. Doch zunächst müsste ich zuerst, die Distanz zwischen uns verringern. Sollte ich es in Erwägung ziehen, mit meinen Klingen sofort auf ihn zu zustürmen, wird Revali die Initiative ergreifen und mich mit Pfeil und Bogen angreifen. Gut... Zunächst sollte ich ihn daher irgendwie ablenken.

Wie erwartet, wartet Revali meinen ersten Zug ab. So erhebe ich meine Waffen, tue so, als würde ich meinen Angriff planen, doch stattdessen beschwöre ich eine längst vergessene Wut und bediene mich an Bawos Macht. Ich stampfe mit dem Fuß auf, lasse zwei Felsen entstehen, einen genau unter Revali und einen vor mir. Erschrocken, doch gleichzeitig gefasst, springt der Orni in die Lüfte, lässt seinen Bogen in die Krallen fallen und hält sich flügelschlagend in der Luft. Sein Blick ist auf den Felsen gerichtet, der unter ihm aufgetaucht ist. Noch während Revali seinen Kopf hebt, springe ich schon auf den großen Stein vor mir ab und stürze mit den Schwertern auf meinen gefiederten Kampfpartner. Meine Idee wäre gar nicht so schlecht gewesen und ich bin mir sogar sicher, dass ich damit Revali beeindrucken konnte, doch leider muss ich am eigenen Leib feststellen, dass der oberste Recke irre schnell ist. Leichtfüßig weicht er mir aus und pariert meinen Angriff mit seinen Bogen, ehe er mich mit einem Fußkick zu Boden wirft. Kairus kampferprobten Fähigkeiten verhelfen mir, mich am Boden abzurollen und auf den Knien zu landen. Da prescht Revali schon von oben herab auf mich zu. Im nächsten Augenblick wird mir klar, dass ich mich mit meinem noch so grandiosen Plan, Revali aus der Nähe anzugreifen, überschätzt habe, denn mein Liebster glänzt auch mit Flügeln, Krallen und Schnabel als grandioser Nahkämpfer. Kampflaute entringen sich meiner Kehle, als ich damit beschäftigt bin, Revalis Angriffen auszuweichen und zu parieren. Anstatt den Orni anzugreifen, blocke ich die Hiebe seines Schnabels und seiner Krallen ab, weiche seinen Flügelschlägen aus.

Wacker schlage ich mich im Kampf gegen den obersten Orni-Krieger. Dennoch werde ich in diesem Tempo langsam müde. Lange werde ich Revali so nicht mehr standhalten können, da er weitaus mehr Ausdauer und Schnelligkeit besitzt, als ich. So bin ich dazu gezwungen, mir eine andere Strategie zu überlegen.

Bevor ich jedoch meine Taktik ändern kann, erwischt mich mein Recke mit dem Flügel am Kopf. Ich taumle rückwärts. Ein grober Fehler! Denn nun befindet sich wieder Distanz zwischen uns. Eine Tatsache, die der geschickte Orni sofort für sich nutzt. Revali spannt in Windeseile den Bogen, lässt eine Salve aus Pfeilen regnen. So lasse ich ein Schwert fallen und beschwöre einen Schild aus Licht, um mich vor den Angriffen meines Gatten zu schützen. Die Pfeile prallen an meiner Barriere ab. Doch als ich aufblicke, um zur nächsten Attacke überzugehen, schnellt Revali bereits mit blanken Krallen auf mich zu. Reflexartig halte ich ihm meinen Schild entgegen. Es wundert mich selbst, als der Orni mit seinen Krallen sich darin versehentlich verhakt. Ich nutze die Chance und pariere seine verpatzte Attacke mit einem aufgeladenen Lichtangriff meines Schwerts. Revalis grüne Augen leuchten überrascht auf, als er von der geballten Kraft des Lichts getroffen und gegen das große Holztor geschleudert wird. Doch noch ehe er aufprallt, lässt er seinen Sturm entstehen und entgeht einer Kollision. Der Wirbel trägt ihn in die Luft hinauf.

Soulhunter 4 - Buch des Lebens (Revali x Shania)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt