Akt 3 | Kapitel 38

1.5K 94 61
                                    

Drei Jahre später
 
[Akaashi-PoV]
 
Das leise Zwitschern der Vögel draußen lässt mich langsam aufwachen.
Ich spüre einen Arm auf meiner Seite, und nachdem ich mich einmal umdrehe, sehe ich, dass Kotaro noch immer tief und fest schläft.
 
Müde reibe ich meine Augen, in der Hoffnung, dadurch irgendwie wacher zu werden, doch immer wieder fallen sie mir zu.
Letzte Nacht war wieder eine dieser gewesen, in der wir beide kaum geschlafen haben, anstrengend war es, und ich kann nicht beschreiben, wie glücklich ich war, mich endlich wieder ins Bett fallen zu lassen und ein wenig zu schlafen – um zwei Uhr morgens.
 
Kotaro murmelt etwas in mein Ohr, und während ich gähne, drehe ich mich nun vollständig in seinen Armen um, sodass ich nun mit dem Gesicht bei seinem Hals liege.
Er streicht mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht, und lächelt mich an, während er mein Kinn zwischen die Finger nimmt und so dreht, dass er mir in die müden Augen sehen kann.
 
„Guten Morgen, Süßer.“ Kotaro drückt mir einen Kuss auf die Stirn, und wieder bin ich kurz davor einzuschlafen.
„Morgn…“, murmele ich, bevor ich mich doch irgendwie aufraffen kann und ihn auf die Lippen küsse.
 
Doch so, wie mein Mann ist, reicht ihm das nicht, und er fährt langsam mit seiner Hand meinen Oberkörper entlang, bis er an meiner Hüfte stehenbleibt, die Küsse vertieft.
Aus Gewohnheit öffne ich meinen Mund, und wieder liefern wir uns den gewöhnlichen Machtkampf mit unseren Zungen, bis ich schließlich nachgebe.
 
Ich berühre sanft seine Brust, streiche hinunter, bis zu seinen muskulösen Bauchmuskeln, und halte inne, löse mich für einen Moment von ihm.
Ich hebe meine Augenbraue, ein Zeichen, das er normalerweise sofort versteht. Doch es ist ein wenig länger her, seit wir es das letzte Mal so richtig getrieben haben, deswegen verstehe ich, dass er es jetzt nicht verstehen will.
„Bitte, jetzt haben wir einmal Ruhe und du willst es nicht ausnutzen“, haucht er in mein Ohr.
„Glaub mir, ich hätte richtig Lust drauf, aber ich bin todmüde. Also bitte-“
Kotaro unterbricht mich, indem er seine Lippen wieder auf meine presst, seine Hand unter mein T-Shirt schweifen lässt, und sich über mich platziert.
„Also bitte lass es uns tun“, beendet er meinen Satz. Genervt rolle ich mit meinen Augen und bringe dabei ein Lächeln hervor.
Unsere Küsse werden immer intensiver, und die Lust kommt immer weiter in mir hoch, mit jeder Berührung wächst sie.
 
Ich ziehe Kotaro sein T-Shirt aus, damit ich seinen muskulösen Oberkörper im Blick habe, der mich fast um den Verstand bringt.
 
Er macht dasselbe bei mir, küsst meinen Hals entlang bis zu meinem Schlüsselbein, platziert sich zwischen meinen Beinen, und bei der Berührung unserer Glieder stöhne ich für einen Moment auf.
 
Gerade will ich ihm die Hose öffnen, als ein allzu bekanntes Geräusch das Haus erfüllt.
 
Geschrei.
 
Erschöpft lege ich den Kopf in den Nacken, streiche mir über die müden Augen. „Deine Runde“, sage ich.
„Ich war gestern schon dran“, sagt er enttäuscht, als er sich neben mich fallen lässt.
„Nein, das war ich.“
Mein Mann hebt die Augenbrauen und ich betrachte ihn mit einem neutralen Gesichtsausdruck.
„Okay, ich geh schon“, sage ich genervt.
 
Ich ziehe mir mein T-Shirt an und verlasse unser Schlafzimmer, gehe die wenigen Meter entlang im Flur, um zu dem Zimmer zu kommen, aus dem die Geräusche drangen.
 
Das Haus hatten wir kurz nach der Beerdigung gekauft, und bereits seit drei Jahren leben wir hier glücklich. Neben einem großen Garten mit Pool haben wir eine schöne Essküche, Wohnzimmer, Arbeitszimmer – perfekt dafür, wenn ich mal in Ruhe arbeiten möchte – und vier Schlafzimmer sowie natürlich zwei Badezimmer, eines in jedem Stockwerk.
 
Gähnend öffne ich die Türe und gehe sofort zu Moritas Gitterbett, um ihn dort raus zu heben und zu verhindern, dass Ittaka auch noch aufwacht, und trage ihn hinunter ins Wohnzimmer, um von dort neue Windeln zu holen.
Morita schreit mir unterdessen ins Ohr, und ich wippe ihn ruhig ein wenig auf und ab, streiche ihm über den Rücken, in der Hoffnung, dass er sich ein wenig beruhigt, doch wie immer bleibt der Sturkopf stur.
 
Ich lege ihn auf das Sofa, um ihn dort zu wickeln, als von oben wieder Geschrei ertönt. Schläfrig lege ich den Kopf in den Nacken, atme durch.
Schnell wickle ich Morita weiter, der wie immer wild mit den Beinen zappelt, und wie immer versuche ich, ihn ruhig zu halten.
 
Ein paar vergebliche Minuten später kommt Kotaro mit Ittaka die Treppen hinunter, legt ihn ebenfalls aufs Sofa, beginnt, ihn zu wickeln.
„Ich dachte, es wär nicht deine Runde.“
„Ich kann dich nicht alles alleine machen lassen.“
 
Gerade schaffe ich es, dem Jüngeren Zwilling die Windel auszuziehen, als Ittaka schon längst verstummt. Kotaro hat ihm bereits den Schnuller gegeben, und ruhig beschäftigt er sich nun mit diesem, während Morita mir bereits zum fünften Mal diesen entgegen wirft.
 
„Und dabei hast du dir den Einfacheren ausgesucht“, murmele ich, während ich verzweifelt versuche, ihm die Neue anzuziehen.
 
Währenddessen ist mein Mann bereits fertig mit Ittaka und nimmt ihn auf den Schoß, kitzelt ihn lächelnd ein wenig.
 
Die Beiden waren ziemlich genau Sechs Monate alt, und die beste Entscheidung, die wir hatten treffen können. Von den schlaflosen Nächten und anstrengenden Tagen mal abgesehen, verbringen wir gerne und viel Zeit mit den Zwillingen. Morita, der etwa zehn Minuten jünger ist, ist dabei deutlich der Lautere, wie man merkt, und was er nicht leiden kann, ist, wenn etwas nicht nach seinem Kopf geht. Er erinnert mich an Kotaro, um ehrlich zu sein.
Ittaka ist dafür umso ruhiger, solange er seine Ruhe hat, ist alles gut. Was bei ihm gefährlich ist, ist, wenn Morita ihn absichtlich nervt oder aufweckt, und dann kann es auch bei ihm ein wenig dauern, bis er sich beruhigt hat. Mom sagt des Öfteren, er wäre mir ähnlich, weil ich genauso ruhig gewesen bin, als ich so alt war.
 
Als ich es endlich geschafft habe, ihm die neue Windel überzuziehen, nimmt er sogar den Schnuller fröhlich an.
 
Erschöpft seufze ich und hebe ihn wieder hoch, um ihn zu seinem Vater zu setzen.
„Was machst du?“, fragt dieser.
„Irgendwer muss ihnen ja das Essen herrichten.“ Mit diesen Worten mache ich mich auf in die Küche, um den Beiden ihr Frühstück herzurichten.
 
In der Küche angekommen höre ich das herzhafte Lachen von Ittaka, der wahrscheinlich gerade wieder gekitzelt wird, und auf meinem Gesicht erscheint ein kleines Lächeln.
 
Ich richte ihnen das Essen her, rufe schließlich ins Wohnzimmer, dass es fertig sei, und gehe in dieses, um den anstrengenderen Jungen auf seinen Stuhl zu tragen, während Kotaro sich wieder einmal den Einfacheren vorgenommen hat.
 
Auch beim Essen läuft immer dasselbe Theater, es sei denn, Morita hat einen guten Tag, dann spielt er nicht mit seinem Brei herum.
Ittaka hingegen genießt sein Essen, öffnet den Mund ganz weit, wenn der Löffel sich diesem nähert.
Morita greift mit seiner Hand in die Schüssel, nimmt sich etwas Brei heraus und schmeißt es auf den Boden, lacht dabei, weil ich es zu spät bemerke.
„Morita! Lass das!“
Doch er lacht weiter.
 
Kotaro wirft mir einen unsicheren Blick zu, stellt die Schüssel ab und geht zu mir. „Soll ich ihn heute übernehmen?“

Ich seufze. „Schaffst du’s?“
Er nickt.
 
Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, als ich zum ersten Mal, nachdem die Beiden zu uns kamen, wieder arbeiten gegangen bin. Bei meinem Eintreffen war die gesamte Küche ein reines Chaos gewesen, alles hatte sich im Spülbecken gestapelt und der Tisch war vollgekleckert mit Essen und, damals noch, Milch.
 
Also werfe ich Morita einen letzten, ermahnenden Blick zu, bevor ich zu Ittaka gehe, der schon die Hände nach seiner Schüssel ausstreckt und traurige Geräusche von sich gibt.
Immer wieder sehe ich zu meinem Mann, der versucht, das Essen durch die Flugzeug-Methode in Moritas Mund zu kriegen.
Einmal funktioniert es, dann nicht mehr.
 
Zehn Minuten vergehen, und während ich schon dabei bin, ein paar Bäuerchen aus ihm rauszukriegen, hat Morita noch nicht einmal die Hälfte seines Breis gegessen.
 
Erschöpft stützt sich Kotaro mit einem Arm auf dem Tisch ab, versucht es erneut mit dem Flugzeug, als der Kleine sich endlich dazu entschließt, es vielleicht doch zu probieren und den Mund öffnet.
 
„Geht doch“, murmelt Kotaro.
 
Ich betrachte die Beiden.
 
In diesen drei Jahren hatte sich so viel geändert, und zwar nicht nur, dass Kotaro und ich geheiratet haben, ich jetzt Keiji Bokuto heiße und wir zwei wundervolle Kinder bekommen haben.
Unsere Hochzeit war der schönste Tag meines Lebens gewesen, und ich kann mich noch daran erinnern, wie wir bis spät in die Nacht noch gefeiert hatten und sogar eine kleine “Bräutigamentführung“ veranstaltet haben, was sehr Spaß gemacht hat, da Kotaro – wie ich später gehört habe – verzweifelt versucht hat, die Fragen zu lösen, um mich zu finden, sogar aus anderen hat er versucht, eine mögliche Lösung heraus zu bekommen.
 
Kurz nach der Sache mit Dad und Miyu hat Mom beschlossen, Hilfe zu suchen und war in eine Entzugsklinik gegangen, um clean zu werden – diesmal richtig. Davor hat sie mich jedoch gebeten, dass ich mich ein wenig um Akio kümmere, da er doch zu dem Zeitpunkt erst Zwölf war.
 
Apropos: Akio ist jetzt Fünfzehn und lernt gerade fleißig für die Prüfungen in der Fukurodani. Dabei meine ich, dass ich alle paar Tage zu ihm komme, um ihm dabei zu helfen. Er spielt Volleyball, will es genauso in die Standardaufstellung schaffen.
 
Erst Letztens hatten wir wieder ein kleines Team-Treffen, und es ist doch irgendwie unfassbar, wie sehr sich alle verändert haben, wenn man so darüber nachdenkt. Während Kotaro, Konoha, Washio und Onaga alle mit Volleyball weitergemacht haben, ist Komi Schauspieler geworden, Sarukui arbeitet als Beamter und Suzumeda ist Sport Promoter. Und ich bin immer noch als Editor und Journalist in dem Shonen Jump Magazin tätig.
 
Kotaro spielt noch immer mit unter anderem Hinata, Atsumu und Sakusa bei den MSBY Black Jackals, und hat letztens die Bestätigung bekommen, dass er im Japanischen Nationalteam spielen darf. Ich freue mich mindestens genauso wie er, auch wenn es heißt, dass ich dann wohl für eine Zeit allein auf mich gestellt bin, was die Zwillinge betrifft, doch zum Glück haben wir beide Familien, die uns dabei unterstützen.
 
Ich vergesse die Zeit, wie ich so darüber nachdenke, und erst, als Kotaro mich fragt, ob wir uns ins Wohnzimmer setzen, wache ich wieder richtig auf.
 
Eine Stunde später sitzen wir noch immer auf dem Sofa, eingewickelt in eine Decke, der Fernseher aufgedreht, Ittaka in meinen und Morita in Kotaros Armen, ich an ihn gekuschelt.
 
Die Kleinen schlafen ruhig, und ich merke, wie mich ein wenig die Müdigkeit überrumpelt.
Mein Ehemann merkt das sofort und streichelt mir über den Kopf. „Ruh dich aus, solange die zwei schlafen.“
Unsicher sehe ich zu ihm auf, und sachte lege ich Ittaka neben mich, lasse meinen Kopf auf Kotaros Oberschenkel ruhen, während ich nach vorne, auf den Tisch, sehe.
 
Er stellt den Fernseher ein wenig leiser, streicht mir über den Kopf, was mich noch ein wenig schläfriger macht. „Wirklich okay?“, frage ich müde.
 
Kotaro nickt. „Klar.“
 
Ich drehe meinen Kopf zu ihm, sehe in seine wunderschönen, goldbraunen Augen.
 
 
April 2011. Mein erster Tag an der Fukurodani, ich war ein Junge, der von seinen Ängsten, von seinem Vater, von Mobbern, kontrolliert wurde, der seine Gefühle versteckt hatte, der meinte, Volleyball wäre nichts Besonderes.
An diesem Tag wurde ich von Kotaro gerettet, einem Menschen, der mir gezeigt hat, was es heißt, zu leben, zu lieben, glücklich zu sein.
Was es heißt, jemanden zu lieben.
Was es heißt, geliebt zu werden.
Dieser Junge hatte mich von Anfang an verändert, ohne, dass ich es gemerkt habe.
 
Er war für mich da, als ich am Boden war, er war für mich da, als Dad mich rausgeworfen hatte.
 
Jeden Tag, an dem ich ihn sah und sehe, jede Sekunde, die wir zusammen verbrachten und verbringen lässt mich spüren, wie glücklich ich bin, noch am Leben zu sein. Wie froh ich bin, dass mein Versuch, mir das Leben zu nehmen, nicht funktioniert hat.
 
Kotaro war für mich immer soviel mehr gewesen als mein Schwarm, meine Jugendliebe, mein Freund, mein Verlobter, oder mein Ehemann.
 
Während ich so darüber nachdenke, werden meine Augenlider immer schwerer, und langsam, aber doch, verschwimmt meine Sicht, und um mich herum taucht die Welt ins Dunkel, ich versinke ins Traumland, und das in seinen Armen, neben unseren Kindern.
 
Er ist der Grund, der mich über diese ganzen Jahre am Leben gehalten hat.
 
Der Grund, der mich am Leben hält.

The reason that keeps me alive - BokuAkaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt