Kapitel 63

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Pov Markus
"Maxi...", wispert Evi und ihre Stimme bricht. Aber Maxi reagiert nicht. Er steht bloß wie angewurzelt da und sieht bestürzt zwischen uns beiden hin und her. Auch ohne irgendwelche Worte verstehe ich, was in ihm vorgeht. Seine schmerzerfüllten, trüben Augen sprechen Bände.
Er schüttelt langsam den Kopf und taumelt ein paar Schritte rückwärts.
"Sorry", murmelt er und dreht sich um. Er klang völlig weggetreten von der Situation.
"Maxi warte bitte", ruft Evi ihm verzweifelt nach und macht Anstalten, sich an mir vorbeizudrängeln. Aber ich halte sie am Handgelenk zurück.
"Diesmal bin ich dran, okay? Ich wollte sowieso noch mit ihm sprechen", raune ich ihr zu und sie schaut unsicher zu mir hoch.
"Sollen wir nicht lieber zu dritt reden?"
Ich schüttele den Kopf.
"Nein. Ihr hattet euer Gespräch schon. Jetzt muss ich noch ein paar Sachen mit ihm klären", spreche ich sanft, aber mit bestimmendem Unterton. Sie nickt und ich umgreife eine ihrer Hände, die ich kurz drücke.
"Geh raus zu den anderen oder so", verabschiede ich mich noch, bevor ich Maxi hinterherlaufe, der mittlerweile schon wieder weit den Flur hinuntergegangen ist.
Ich muss mich beeilen, um ihn noch einzuholen und spüre wie mein Herz mit jedem Schritt, den ich ihm näher komme, stärker klopft. Keine Ahnung ob es noch ein Nachklang des Kusses oder doch die Angst vor dem Gespräch mit Maxi jetzt ist.
"Ey, warte mal bitte", fordere ich ihn auf und er dreht sich um. Lächelt halbherzig. Aber ziemlich gezwungen.
"Können wir reden?"
"Klar", meint er langsam und mustert mich prüfend. Auch wenn er es zu überspielen versucht, ist sein Blick unendlich zerrissen. Er sieht gekränkt, aber gleichzeitig auch leicht wütend aus. Mit einer so verwirrenden Mischung aus verschiedensten Emotionen im Gesicht habe ich Maxi noch nie erlebt. Sie irritiert mich und ich kann nicht abschätzen, was er zu sagen hat. Sonst ist er immer die Ruhe in Person, aber gerade jetzt bin ich mir unsicher, ob er seine Geduld noch bewahren und weiter so tun kann, als würde ihm das alles nichts ausmachen. Wenn nicht, wäre mir das nämlich auch komplett verständlich. An seiner Stelle wäre ich wahrscheinlich schon längst unter die Decke gegangen.

Ich stoße die Tür zu einem leeren Klassenraum neben uns auf und wir treten gemeinsam ein.
"Du solltest das eigentlich nicht sehen...", fange ich zögerlich an und schwinge mich auf einen Tisch. Maxis Augen huschen kurz auf den freien Platz neben mir, bevor er sich seufzend umdreht und ans Fenster tritt.
Anscheinend will er sein Gesicht von mir abwenden. Kein gutes Zeichen.
"Hab ich aber", brummt er trocken.
Fast schon emotionslos. Und genau das macht mir Angst. Die Kälte die er ausstrahlt, steht im völligen Kontrast zu der Art, wie er sonst ist.
"Ich-", stocke ich, aber es ist als hätte ich eine innere Blockade in mir, die ich nicht überwinden kann und die verhindert, dass ich weiterspreche. Alles was ich ihm sagen wollte, scheint wie aus meinem Gedächtnis gelöscht zu sein.
"Was, du?"
Maxi dreht den Kopf wieder mir zu und schaut mich erwartungsvoll an.
"Ach, keine Ahnung. Ich will nicht, dass das jetzt etwas zwischen uns beiden verändert. Das es komisch ist oder so", spreche ich vorsichtig und er zuckt die Schultern.
"Dann mach es nicht komisch, Markus.
Du bist doch derjenige, der gerade absolut verkrampft mit der Situation umgeht und keine Worte findet", stellt er mit ein wenig Vorwurf in der Stimme fest.
Er hat ja Recht.
"Hm", erwidere ich nur. "Sorry."
Maxi nickt und sieht erneut aus dem Fenster. Ich kann diese angespannte Stimmung nicht mehr ab. Wir beide brauchen Klarheit. Von daher atme ich tief durch und setzte dann zur wichtigsten Frage an, die ich ihm stellen muss. Sonst kommen wir nicht weiter.
"Wie fühlst du dich damit?"
Ich spüre, wie meine Fingernägel schmerzhaft in meine Handflächen drücken und halte unterbewusst den Atem an, während ich auf seine Antwort warte.
Aber Maxi braucht lange, um sich zu äußern und es macht mich nur noch nervöser, dass ich nur auf seinen Hinterkopf blicken kann.
Würde ich sein Gesicht sehen, könnte ich vielleicht wenigstens ein bisschen lesen, was in ihm vorgeht. Aber so habe ich keinen blassen Schimmer.
"Was erwartest du?", fragt er irgendwann leise. "Beschissen natürlich."
Mein Herz verkrampft sich und all die Schuldgefühle, die ich erfolgreich weggedrängt habe, prasseln wieder auf mich ein. Wie ein Gewitterregen.
Unaufhaltbar, stark und schmerzhaft.
Aber bevor ich die Chance habe, zu antworten, streut er nur noch mehr Salz in die Wunde.
"Hätte echt nicht sein müssen, dass ihr direkt vor meinen Augen rummacht", beschwert er sich und diesmal ist seine Stimme definitiv vorwurfsvoll.
Ich muss seufzen und schlenkere unruhig meine Beine.
"Ich weiß, man. Das war ehrlich nicht absichtlich", versuche ich mich rauszureden, aber gleichzeitig wird mir klar, dass ich mich nicht rechtfertigen kann. Es gibt keine vernünftige Antwort und erst recht keine, die die ganze Situation nicht unangebracht beschönigt.
Von daher stehe ich auf und trete neben Maxi ans Fenster heran. Stütze die Arme auf der Fensterbank ab und drehe den Blick zu ihm, woraufhin er auch zu mir schaut.
"Wir wollten dich damit wirklich nicht verletzten, Maxi", erkläre ich ihm bestimmt und er zieht traurig einen Mundwinkel leicht hoch. In mir macht sich ein Fünkchen Erleichterung breit. Dieses kleine Lächeln lässt die Mauer der Anspannung zwischen uns bröckeln und genau das brauchen wir.
"Das weiß ich doch", lächelt er gezwungen, aber wendet den Blick wieder ab. Ich kann es ihm nicht verübeln und tue es ihm nach.

Unbezwingbar, unerreichbar? - DWKWo Geschichten leben. Entdecke jetzt