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Irgendwie hat Markus es wieder einmal geschafft, dass ich ihn nicht mehr hasse.
*
Lilli

Die letzte halbe Stunde habe ich damit verbracht mich umzuziehen, die Wohnung ein wenig aufzuräumen und den Tisch zu decken. Ich stand vor dem Kleiderschrank und hatte überhaupt keine Ahnung, was ich anziehen sollte. Was zieht man den bitte an, wenn man den Ex zum Essen eingeladen hat? Schlussendlich habe ich eine blaue Jeans und ein schwarzes Shirt angezogen und mich selbst für verrückt erklärt. Ich bin aufgeregt, weil Markus kommt. Verdammt, ich kann es nicht leugnen. Allerdings weiß ich selbst nicht, ob es im guten oder im schlechtem ist.

Mittlerweile ist das Telefonat zwischen mir und Vanessa bereits vierunddreißig Minuten her. Ich sitze am runden Esstisch und versuche mein Herz zu beruhigen. Das kann nicht gut enden. Um Gottes Willen, zwischen Markus und mir ist es noch nie gut gegangen. Als es klingelt zähle ich langsam bis zehn, bevor ich aufstehe und die Tür öffne. Ich öffne die Wohnungstür und zähle bis neununddreißig, bevor ich Leon sehe, der die Treppen hochstapft. Hinter ihm Vanessa und dann kommt Markus. Ich schlucke, als seine Augen meine entdecken. Wie benommen trete ich auf Seite und lasse meine Besucher herein. Ich lächle sie an und schließe die Tür. Markus folgt den anderen in die Küche. Ich atme mich einmal tief durch, bevor ich ihnen folge. Dann bringen wir es mal hinter uns.

„Hier duftet es köstlich!", schwärmt Vanessa, die sich auf ihren persönlichen Stammplatz fallen lässt. Leon setzt sich neben sie und ich setze mich zwischen Markus und Leon. „Gegen Joschka's und Raban's Essen aus der Tube, ist das hier gar nichts.", sage ich lachend und schöpfe der erste Portion auf Vanessa's Teller. Ich versuche nicht zu zittern, während ich auch auf Markus Teller Nudeln gebe. „Wartet, ich hole noch Käse.", sage ich und stehe auf. Mit dem Käse laufe ich zurück zum Tisch. „Danke.", sagt Markus und lächelt mich an. Es ist gezwungen. Ihm ist die Situation genauso unangenehm, wie mir. „Gerne.", gebe ich zurück. Ich nehme den Blick zwischen Vanessa und Leon durchaus wahr, aber ich sage nichts dazu.

Irgendwann sind wir in ein Gespräch gekommen. Vanessa und Leon wissen über meine Verlobung, aber dieses Thema schieben wir unter den Tisch. Ich habe Markus eingeladen und es sollte möglich sein, dass wir uns benehmen. Auch wenn es merkwürdig ist. „Du arbeitest im Krankenhaus?", fragt Markus nach. Er sieht interessiert zu mir. Ich nicke. „Ja. Ich habe letztes Jahr meine Ausbildung beendet.", erkläre ich. Markus nickt und sieht gedankenverloren aus dem Fenster. „Gefällt es dir?", fragt er. Ich zucke mit den Schultern. „Ich glaube, ich habe einen guten Mittelweg gefunden. Ich verdiene mein Geld, indem ich Menschen helfe. Es ist anstrengend, an manchen Tagen mehr, an anderen weniger. Ich habe aber immer Abwechslung und sitze nicht den ganzen Tag vor dem Computer oder so.", sage ich. Markus sieht wieder zu mir. „Das klingt irgendwie, als würdest du lieber was anderes machen.", stellt er fest. Ich seufze. „Ich liebe diesen Beruf, aber ich weiß nicht, ob ich das bis zur Rente durchziehen will.", gebe ich zu. „Was möchtest du den?", hackt er nach. Ich zucke mit den Schultern. „Das ist es ja. Ich weiß es nicht.", meine ich und schiebe mir eine Gabel voller Nudeln in den Mund. „Du hast erzählt, dass du gerne geschrieben hast. Warum fängst du damit nicht wieder an?", hackt er weiter nach. Überrascht sehe ich ihn an. Ich habe siegessicher mal erwähnt, aber ich weiß nicht mehr, ob Markus dabei war. Aber dennoch bin ich überrascht, dass er es noch weiß. Ich sehe bedrückt auf meinen Teller und hoffe, dass die anderen das nicht mitbekommen. Ben hat sich nie die Zeit genommen, um mit mir darüber zu reden. Er sagt immer, dass ich arbeite, um zu leben. Er war nicht wirklich glücklich darüber, dass ich im Krankenhaus angefangen habe. Er sagte, dass ich Zuwenig verdienen würde „Ich habe auch zwischenzeitlich wieder angefangen. Aber ich habe keine Zeit dafür. Irgendwie muss ich Geld verdienen und ich glaube kaum, dass ich gut genug bin, um ein Buch zu veröffentlichen.", erkläre ich. „Wenn du es nicht versuchst, dann wirst du es nie wissen.", gibt Markus zu bedenken. Dankbar lächle ich ihm zu. Dass er mir so einen Glauben zuspricht, rührt mich irgendwie. Aber das ändert nichts. „Das geht nicht. Ich muss an die Zukunft denken.", sage ich schließlich. „Was ist mit deinem Verlobten?", fragt Markus. Fragend sehe ich ihn an. Woher weiß er von meiner Verlobung?
„Er muss dich doch unterstützen.", fügt Markus hinzu. „Naja, er war nicht wirklich begeistert, als im Krankenhaus angefangen habe. Er würde es nicht zulassen.", sage ich und esse weiter. Markus schnaubt. Fragend sehe ich ihn an. „Dein Verlobter sollte dich in allem unterstützen. Was hält er den von seinem Job?", hackt er nach. „Er liebt ihn.", sage ich leise. „Siehst du? Warum solltest du dir keinen Jon suchen, den du wirklich liebst? Wenn schreiben das ist, was du wirklich willst, dann solltest du alles dafür geben, um das zu machen. Und dein Verlobter sollte zu hundert Prozent hinter dir stehen.", sagt Markus. Verwirrt von der jetzigen Situation sehe ich zu ihm. Die Tatsache, dass er recht hat, lässt mich wirklich an meinen Entscheidungen zweifeln. Und das ist ein wirklich schlechtes Zeichen!

„Wow.", gibt Vanessa von sich. Als ich zu ihr blicke, sehe ich auch Leon, der belustigt zu ihr sieht. Verdattert sieht Vanessa zwischen mir und Markus hin und her. „Ich hätte mit allem gerechnet. Ich war sogar schon darauf gefasst einen Krankenwagen zu rufen, aber damit. Damit hab ich wirklich nicht gerechnet. Ich dachte, dass hier wird völlig eskalieren.", sagt Vanessa. Grinsend zucke ich mit den Schultern. „Wir sind zivilisierte Leute, Vanessa.", sage ich. Vanessa zieht eine Augenbraue in die Höhe. „Zivilisiert? Du zeigst fremden Menschen bei jeder sich bietenden Gelegenheit deinen Mittelfinger.", erinnert sie mich. „Menschen sind auch einfach dämlich.", entgegne ich. Markus neben mir lacht. „Und du arbeitest im Krankenhaus?", hackt er belustigt nach. „Ich behandle manchmal Menschen, die sich einen Nagel in die Hand gerammt haben. Wirklich, dieser Beruf hat mich keines besseren belehrt.", meine ich und esse weiter.

„Es war wirklich..", Vanessa sucht nach den richtigen Wort, „Interessant. Es war interessant."
Lächelnd verabschiede ich die drei und schließe glücklich und verwirrt die Tür hinter ihnen. Ich setze mich auf die Couch und schalte den Fernseher sein. Es ist neunzehn Uhr und ich muss noch duschen und die Küche sauber machen, aber ich nehme mir zehn Minuten, um über das Essen nachzudenken. Wir hatten Spaß. Markus und ich haben uns kein einziges Mal gestritten. Im Gegenteil. Markus hat mich unterstützt. Er hat kein einziges abfälliges Wort über mich oder meine Verlobung fallen gelassen. Und das was er über Ben gesagt hat, entspricht der Wahrheit. Das Problem an dem ist, es verkompliziert alles nur noch. Irgendwie hat Markus es wieder einmal geschafft, dass ich ihn nicht mehr hasse. Dabei hat er sich nicht einmal für seine Worte entschuldigt.

Ich raffe mich auf und verdränge Markus aus meinen Gedanken. Ich räume die Küche und stelle einen Teller auf Seite, falls Ben doch noch Hunger hat. Anschließend gehe ich duschen. Mehr mache ich nicht mehr. Ich lege mich ins Bett und schlafe alleine und mit mulmigen Gefühl ein.

*
Hey du,

Ich weiß die Zeit ist hart. Vielleicht gehst du noch zur Schule und ich weiß, dass Schule hart sein kann, schon ohne Corona. Vielleicht gehst du auch schon arbeiten und es hat es dir heute noch keiner gesagt, deshalb sage ich es dir jetzt: Ich bin verdammt stolz auf dich. Es war vielleicht ein harter Tag, aber hey, du hast den Tag schon fast geschafft. Ich bin mir sicher du hast dein bestes gegeben und wünsche mir von Herzen, dass es dir gut geht. Wenn nicht, dann ist das auch okay. Es gibt gute und es gibt schlechte Tage. Aber vergiss niemals, dass du nicht alleine bist. Wenn Du vielleicht irgendwann mal jemanden zum reden brauchst, dann schreib mir. Ich will dir kein Versprechen geben, dass ich dir helfen kann, aber ich verspreche, dass ich mein bestes geben werde, dir zu helfen. Ich bin da!
Vergiss niemals, dass dein Körper ein Tempel ist, der Liebe verdient hat. Es kümmert mich nicht, was du vielleicht mal falsch gemacht hast und welche Fehler du noch begehen wirst. Ich werde dich nicht verurteilen. Du musst Frust abbauen? Bau ihn bei mir ab.
Du willst einfach mal reden? Rede mit mir.
Du hast Probleme? Komm, wir versuchen sie zusammen zu lösen.
Du willst nicht hören, wie perfekt du bist? Kein Ding, niemand ist das. Aber du musst verstehen, dass DU gut genug bist. Du bist es wert geliebt zu werden. Meinen Lesern soll es gut gehen. Ich möchte nicht, dass einer von euch einschläft, ohne einmal gehört zu haben, wie besonders du bist. Denn genau das bist du! Auch ohne, dass du den von der Gesellschaft Schönheitsideal entsprichst und auch wenn du das Gefühl hast, dass du den Anforderungen nicht gerecht wirst, glaub mir, keiner tut das. Du bist auf deine eigene Weise schön und du solltest einen Fick darauf geben, was andere Leute von dir halten. Ich weiß wie schwer das ist in unserer Gesellschaft. Denn Selbstliebe wird oft mit Hochnäsigkeit verwechselt. Sobald man anfängt zu reden, was man an sich mag, wird man als eingebildet gesehen. Aber was ist falsch daran? Solange du dir selbst treu bleibst und niemanden verletzt, ist alles in Ordnung!
Also wie war dein Tag? Wie geht es dir? Kannst du mir versprechen, dass du durchhältst?

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