열 두번째 [12]

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Yoongi

Ich hatte noch nie so viel Angst vor einem Abendessen. Zu siebt saßen wir an dem Esstisch in der Küche. Alle aßen ihre Ramen und knabberten hier und da an dem Kimchi, das auf dem Tisch stand. Nur ich stocherte gedankenverloren mit meinen Stäbchen in den Nudeln herum. Ich dachte viel über meine Freunde nach. Ob es ihnen wohl gut ging? Ob sie sich Sorgen machten? Ob sie nach mir suchten? Was war mit Ahri? Würden Su Bin und Juhee ihr die Wahrheit erzählen? Sie war noch so jung, ich glaubte nicht dass sie das verstehen oder gar verkraften würde, würde sie erfahren dass ihr Lieblingsonkel weg war. 
Und nach dem Essen begann das Training mit Jimin.

Diese Gedanken beschäftigten mich die ganze Zeit über und dass so sehr, dass ich die ganzen Reize aus der Umwelt nicht mehr wahrnahm. Ich merkte wie mein Magen knurrte, dabei hatte ich vor ein paar Stunden erst gegessen. Mein Hunger wurde jedoch nicht gestillt, denn der Appetit fehlte. Trotz des Hungers aß ich nichts, ich hatte einfach nicht das Bedürfnis etwas zu essen. Ob Ahri mich schon vermisste? Ich vermisste die kleine. Ihre Eltern ebenfalls, genauso wie Yugyeom und Jackson. Jins Worte vorhin waren wirklich aufbauend gewesen, doch das half mir jetzt nicht. Alles was ich zu diesem Zeitpunkt wollte, war zu meiner Familie zurück zu gehen und diesen unfassbaren Schmerz zu beenden. Es tat so verdammt weh, als wären sie alle gestorben.

"Hey!" Stark zuckte ich zusammen, als eine laute Stimme durch den Raum hallte. Mein Blick zuckte nach oben und ich sah erschrocken in die Runde. Alle blickten mich an, jeder mit einer anderen Emotion, nur Jimin aß weiter. “Ist alles okay bei dir?”, fragte Hoseok mit einem besorgten Ausdruck im Gesicht. “Du bist so abwesend und scheinst nicht wirklich glücklich.”, hängte Jin dran, der mich mit dem gleichen Blick musterte wie Hoseok. Wieso sollte ich glücklich sein? Ich wurde aus meinem Leben gerissen, in dem ich eine Familie hatte. Aus einem Leben in dem ich glücklich war und das ich in Ruhe weiterleben könnte. Stattdessen saß ich hier bei Fremden die für eine Mafia arbeiteten am Tisch und würde nie zurückgehen können.

“Warum sollte ich bitte glücklich sein?”, fragte ich mit einem feindseligeren Ton als gedacht, “Ich könnte bei meiner Familie sitzen und mit ihnen zu Abend essen, mich mit ihnen zusammen über den baldigen Zuwachs unterhalten und über Namen für das Kind diskutieren, stattdesse sitze ich hier bei lauter Fremden die mich vermutlich ohne Zögern töten wenn ich was falsch mache. Vielleicht sollte ich absichtlich einen Fehler machen, dann kann ich wenigstens als Toter bei ihnen sein.” Während Jimin einfach weiter aß, sah Jack mich emotionslos an, Jin und Hoseok musterten mich geschockt, genauso wie JB und Namjoons Blick zeigte Wut. “Wie redest du hier mit uns?”, fragte der Waffenmeister und stand auf, stützte sich mit den Händen an den Tisch ab.

“Wenn du meinem Ehemann gegenüber noch mal so einen Ton benutzt, bist du einen Kopf kürzer!”, fauchte er und sah mich bedrohlich an. Jedoch machte sich statt der Angst, Wut in mir breit. Ich stand ruckartig auf, sodass der Stuhl auf dem ich saß zu Boden fiel und ich sah Namjoon mit dem gleichen aggressiven Blick an. “Ach ist das so? Na dann schreie ich deinen Liebsten am besten an, denn gerade wäre der Tod eine wirklich verlockende Alternative, wie du scheinbar eben überhört hast!”, schrie ich zurück, was ihn wütend mit der Augenbraue zucken ließ. Der größere stieß sich vom Tisch ab und will auf mich zu, doch hält Jin ihn auf. “Babe, hör auf! Er meint das nicht so.”

“Oh und wie ich das so meine! Na komm schon du Superschütze, mach mich ‘nen Kopf kürzer oder lässt du dich von deinem Göttergatten aufhalten?” Ich sah genau dass Namjoon wütender wurde doch das war mir in diesem Augenblick egal. Hoseok sah es ebenfalls und sprang auf, doch kam er zu mir und stellte sich vor mir. “Beruhig dich Yoongi! Er lässt dich wirklich ins Gras beißen, wenn du nicht aufhörst.”, sagte er, doch ich sah ihn nur genauso an wie Namjoon und schob ihn zur Seite, um wieder zu Namjoon sehen zu können. Dieser hatte sich scheinbar ein wenig beruhigt, durch das was Jin ihm gesagt hatte. “So schnell gibst du auf? Und du willst dich Mafiamitglied schimpfen? Das ich nicht lache!”

Namjoon sah mich kalt an. “Die beiden haben recht. Ich sollte mich nicht so einfach von dir provozieren lassen. Ich töte dich nicht, nur damit du von uns erlöst wirst.”, sagte er und setzte sich wieder. Meine Wut verschwand und machte der Verzweiflung platz. Ich senkte den Kopf und krallte mich in meinen Haaren fest. “Ich will nicht von euch erlöst werden!”, schrie ich und merke wie die erste Träne meine Augen verlässt. “Ich will von diesem Schmerz erlöst werden.” Meine Stimme wurde zu einem Hauchen und ich ging in die Hocke. “Jetzt mach nicht so ein Theater.”, hörte ich Namjoon sagen, doch bevor ich etwas darauf erwidern konnte, tat Jin es. Den folgenden Lauten nach zu urteilen hatte er seinem Ehemann gegen den Hinterkopf geschlagen.

“Jetzt sei nicht so ein Arschloch, Kim Namjoon!”, sagte er. “Wo ist der einfühlsame Teddybär den ich geheiratet habe? Ich weiß dass du dich in Yoongis Lage versetzen und ihn verstehen kannst, also warum tust du es nicht? Der Junge hat von einer Sekunde zur anderen seine Familie verloren und jetzt sieh mir in die Augen und sage mir du würdest anders reagieren wenn ich auf einmal sterben würde.” Stille machte sich im Raum breit. Ich saß mittlerweile komplett auf den Boden und versuchte nicht komplett zusammen zu brechen. “Das kann ich nicht.”, sagte Namjoon.

Ich hörte wie jemand aufstand und auf mich zukam, dann hockte sich jemand vor mich. “Es tut mir leid Yoongi.” Ich sah auf und in die Augen des älteren, doch dieses mal waren sie warm und verständnisvoll. “Ich war misstrauisch und wollte die nicht wirklich glauben. Bitte verzeih mir und lass mich den versauten Start wieder gut machen.” Schwer schluckte ich und schüttelte mir den Kopf. “Mir tut’s leid dass ich euch so angefahren habe.”, sagte ich und sah in die Runde. Bei jedem sah ich ein verständnisvolles Lächeln, außer bei Jack und Jimin. Jack schien generell nicht wirklich viele Emotionen zu zeigen und Jimin hatte sich nicht einmal von seinem Essen abgewendet.

Namjoon hockte sich neber mich und umgriff meinen Arm. “Na komm, iss etwas. Das macht es normalerweise ein wenig besser.” Ich nickte und ließ mir von dem älteren aufhelfen. Er setzte sich wieder an seinen Platz und ich mich an meinen. “Willst du uns etwas über sie erzählen? Deiner Familie?”, fragte JB, doch ich schüttelte den Kopf. “Ich brauche Ablenkung.” 
“Wie wäre es mit der Story von Namjoons und meinem ersten Date?”, fragte Jin und alle begannen zu grinsen, außer Namjoon. Dieser stöhnte gequält auf und sah seinen Ehemann flehend an. “Bitte nicht Baby, er ist erst seit heute richtig dabei.”, sagte er und Jin begann zu lachen. Er klang wie ein Scheibenwischer und ich begann zu grinsen. “Doch Joonie, die Story ist zu gut als dass wir sie ihm vorenthalten können.” Namjoon gab seufzend nach und ich bekam die wohl beste Ablenkung in der Geschichte der Menschheit.

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1210 Wörter

05062021

For Every ScarWo Geschichten leben. Entdecke jetzt