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Malina schläft in dieser Nacht erstaunlich gut und ruhig. Sie weckt mich nur zwei Mal, weil sie Hunger hat, aber da sie Nachts im Beistellbett in meinem Zimmer schläft, muss ich dazu nicht mal aufstehen. Daher bin ich am nächsten Morgen so ausgeruht wie noch nie in den letzten Wochen. Vielleicht ist mein Kopf deshalb auch zum ersten Mal wirklich klar und ich kann tatsächlich normal und logisch nachdenken. Irgendwie fühlt es sich so an als könnte ich seit Ibiza zum ersten Mal wirklich frei denken. Als wäre irgendetwas von mir abgefallen, dass jetzt wieder Platz macht für die wirkliche Stella.

Julians Auftritt gestern hat mich wirklich zum Nachdenken gedacht. Er hatte auch Angst... genau wie ich. Und wie immer wenn man Angst hat, tut man Dinge von denen man selbst denkt, dass es das Beste wäre. Dabei kann man dann eigentlich nicht mehr rational denken. Und vielleicht hat er deshalb so die Fassung verloren, vielleicht hat er mich deshalb so angeschrien, vielleicht wusste er einfach nicht mehr was er noch tun sollte.

Er hat in den letzten Wochen von allen Seiten nur einstecken müssen, Kompromisse eingehen und jemanden bei sich aufnehmen müssen, den er eigentlich nicht wirklich kannte. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Verständnis kann ich für ihn aufbringen. Er konnte sich immer auf den Rat seines Vaters verlassen und als der sich gegen Julians Bauchgefühl ausgesprochen hat da... kamen die ganze Zweifel zurück. Zweifel an meiner Geschichte, aber auch Selbstzweifel. Er hat seinem eigenen Urteilsvermögen nicht mehr vertraut und als er dann meine Liste gefunden hat... Das war wohl der Tropfen der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

Ich sollte mir also wirklich anhören was er zu sagen hat und wieso er... so misstrauisch ist. Ob ich dann allerdings nochmal mit ihm... also... Das weiß ich nicht. Denn auch wenn sein Verhalten einen logischen Grund hatte, er hat mir damit sehr weh getan. Das kann ich nicht einfach so ignorieren. Vielleicht sollten wir es dann doch einfach nur Freunde sein. Malina zu liebe. Denn das Beziehungs-/Liebesding scheint bei uns nicht wirklich zu funktionieren, auch wenn wir beide, warum auch immer, magisch voneinander angezogen werden. Diese Tatsache lässt sich wirklich nicht mehr leugnen.

Während ich die Sachen für das Frühstück auf den Tisch stelle, döst Linchen in der Trage an meiner Brust vor sich hin. Erstaunlich wie ruhig sie immer noch ist. Als hätte ihr der Tag zu dritt gestern wirklich gut getan. Ich konnte sogar schon in Ruhe duschen. Malina lag währenddessen in einem Nestchen auf dem Badezimmerboden und schaute mir durch die Glastür dabei zu. Das war bisher noch nie möglich gewesen, aber irgendwie hat es heute geklappt.

Lea hatte sich dann, während ich meine Haare geföhnt und mich halbwegs hergerichet habe um die kleine Maus gekümmert. Irgendwie war es mir unangenehm zu duschen, während Julian vor der Tür auf Malina aufpasste. Lea konnte das aufgrund unserer Situation nachvollziehen und hatte sich liebend gerne um ihr Patenkind gekümmert, bevor sie sich vor einer Stunde zu Marius verabschiedet und mich ganz fest gedrückt hatte. Sie wünscht Julian und mir heute viel Spaß und das alles gut werden wird. Aber was ist hier gut? Aktuell ist es gut, wenn wir uns unterhalten können und ich nicht das Gefühl habe mir zerreißt es mein Herz in der Brust. Es klingt total abgedroschen, aber Julians Gegenwart tut mir weh. Aber aktuell ist es das beste für Malina wenn er hier ist. Und vielleicht... nur vielleicht kann ich meinen Frieden mit dem machen was passiert ist.

Wieder merke ich, wie sich mein absolut wirres, verbissenes Denken geändert hat. Liegt vielleicht daran, dass die Hormone langsam verschwinden oder aber einfach an Malina. Mit ihr kann ich die Dinge einfach nicht so planen wie vorher. Weil jeder Tag anders ist, weil ich sie eben auch jeden Tag anders ist. Aber so ist das nun mal als Mensch. Wir sind nicht planbar. Und Babys erst Recht nicht. Daher muss ich es zwangsweise so nehmen wie es kommt.

Als ich den Kühlschrank schließe findet mein Blick meine Liste. Lea hat sie dorthin gepinnt, obwohl ich sie am liebsten verbrannt hätte. Meine Freundin meinte aber es wäre eine gute Erinnerung an die alte Stella. Lea war vom ersten Moment aufgefallen, dass ich anders war, als noch vor ihrem Abflug und sie wollte, dass ich mich immer daran erinnern konnte. Und was war ein besseres Beispiel für die alte Stella, als diese Liste.

When love takes overWhere stories live. Discover now