Hass und Liebe

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Gut gelaunt schlenderten Sairo und ich zu unserem nächsten Unterricht. "Ich würde gerne die Gesichter der älteren Wächter sehen, wenn sie dich als Mädchen unter ihnen entdecken!", lachte Sairo und ich musste lächeln. "Die würden mich wahrscheinlich behandeln wie eine zarte Blume im Wind", antwortete ich. "Ich muss mich schnell umziehen gehen, treffen wir uns draußen?", fragte ich und schlenderte Richtung Zimmertür. "Aber klar doch", erwiderte Sairo. In diesem Moment kam Arwin dazu. Er warf mir einen fragenden Blick zu, und musterte Sairo nachdenklich. "Das ist Sairo", stellte ich ihn schnell vor, als ich Arwins lauernden Blick sah. "Warum warst du eben nur die letzten paar Minuten im Unterricht?", bellte dieser barsch und ich rümpfte die Nase. "Ich wurde aufgehalten", gab ich knapp zurück und Arwins zuckende Operlippe entging mir nicht. Eindrutig ein Zeichen dafür, dass er gereizt war. Ohne weitere Worte ging er weiter und ich folgte ihm schulterzuckend, während Sairo stumm in sein Zimmer tappte. Die beiden Jungen hatten kein einziges Wort miteinander gewechselt, und trotzdem sahen sie sich voller Hass an, als wären sie schon ihr ganzes Leben lang verfeindet. Ich schüttelte ratlos den Kopf. Jungslogik musste man nicht immer verstehen. "Hat Sairo dir etwas getan?", hakte ich trotzdem auf dem Weg zu unserem Zimmer nach. "Nein", meinte Arwin, der sich anscheinend wieder beruhigt hatte. Sein dunkles Haar wippte bei seinem schnellen Gang, und fiel ihm vor die Augen, woraufhin er heftig zu fluchen begang und schließlich seine Haare mit den Händen nach hinten bürstete, was vollkommen lächerlich aussah, denn seine Haare standen ihm nun vom Kopf ab, als hätte er einen Stromschlag bekommen. Ich musste mir ein Lachen verkneifen. "Und warum hast du dann etwas gegen ihn?" Ich ließ nicht locker. "Hab ich nicht", zischte Arwin und sah mich scheinheilig an. Ich zog ungläubig die Augenbraue hoch. "Er ist ein hochstabler!", meinte Arwin und sah mich finster an. Ich musste lachen. "Nur weil ich ein Mädchen bin?", sagte ich grinsend. Er zuckte zusammen und musterte mich erschrocken, als hätte er noch nicht begriffen, dass ich nicht eine Seinesgleichen war. "Natürlich nicht!", gab er nach einer Weile zurück und verschwand mürrisch im Zimmer. Ich verdrehte die Augen und betrat ebenfalls mein Zimmer. Arwin hatte sich schon im Bad eingeschlossen und ich hörte ihn wieder fluchen. Ich seufzte. Warum waren Jungs immer so anstrengend?Ich dachte an meine kleine Schwester. Zuhause war sie mir immer hinterhergerannt, bei allem was ich tat, und hatte alles verpetzt was ich tat. Und alles was sie sagte, schrie sie förmlich. "Amira, Amira", hörte ich ihre quäkende, nervige Kinderstimme in meinem Kopf, die durch das ganze Dorf geschallert war. Selbst sie war weniger nervig als umgeben von Jungen zu sein, die alle glaubten, sie seien besser und alle ihre eigene Logik hatten. Was meine Schwester wohl gerade tat? Wusste sie, dass ich an dieser Schule war? Sehnte sie sich nach mir? "Zieh dich um wir haben nur noch 5 Minuten!", krähte Arwin aus dem Bad heraus und ich rappelte mich schnell auf. Ich hatte meine Familie verlassen, und ich war mir sicher, dass ich das richtige tat. Ich durfte nicht schwach werden, nicht an sie denken, und mich voll und ganz auf meine Leistungen konzentrieren. Schnell kramte ich meine vorgesehenen Sportsachen heraus: Eine weiße Jogginghose, dazu ein blaues, viel zu großes T-Shirt und ein blau-weißes Haargummi. Am Schluss sah ich ziemlich wie ein Obdachloser Penner aus, zitierte Arwin jedenfalls, als er mich sah. "He, Amira", sagte da plötzlich jemand mit rauer Stimme. Ich drehte mich um und strahlte Juvan an, der ebenfalls eine weiße Jogginghose trug, dazu das selbe T-Shirt, nur passte es ihm im Gegensatz zu mir. "Wenigstens werde ich einmal behandelt wie jeder andere!", freute ich mich und lächelte die beiden Jungen an, beide mit denselben Klamotten wie ich. Lässig lehnten sie an dem Türrahmen und schauten mich auffordernd an, wie zwei Kumpels, die um ein und das selbe Mädchen kämpften. Ich unterdrückte ein geehrtes Schmunzeln und verbarg meine innerliche Freude. "Ihr steht da wie zwei Vollidioten. Das sieht total bescheuert aus, wie ihr da an der Tür steht", log ich und scheuchte die beiden Jungs in den Flur. Arwin war ein toller Freund, er war zwar eifersüchtig und nicht wirklich der hübscheste, aber er war ehrlich und vertraute mir. Juvan dagegen war de Perfektion in Gestalt, sein makelloses Gesicht war perfekt geformt und er war freundlich und höflich. Und doch hatten sie beide so gleich dargestanden, und für einen Moment war ich völlig überwältigt gewesen. Diese Pose und dieses zufriedene Grinsen, dass sie nicht verstecken konnten, war einfach nur nahezu traumhaft gewesen. Schnell schüttelte ich den Kopf und wollte den beiden folgen, doch da merkte ich erst, dass sie stehen geblieben waren. Beide verschränkten stur die Arme und stierten den blondhaarigen Jungen an, der selbstbewusst vor ihnen stand. "Was willst du?", knurrte Juvan und stellte sich zusammen mit Arwin vor mich wie ein Leibwächter. "Meine Freundin zum Unterricht abholen", antwortete Sairo gelassen. Für einen Moment lang verschlug es den beiden die Sprache. Sairo nutzte den Moment, packte mich am Handgelenk und zog mich weiter. "Nur gute Freunde!", rief ich abwehrend über die Schulter, doch Juvan starrte schon grimmig zu Boden und Arwin redete mit finsterem Blick auf ihn ein. Ich atmete tief ein und aus. Sie waren definitiv alle schlimmer als meine kleine Schwester.

Fights- Ich gegen alleWhere stories live. Discover now