❥ Chapter 48

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Lyas POV

Die Tatsache, dass Alec sich vor Wochen distanziert hat, war zwar schwer für mich, aber es war noch erträglich. Wenigstens saß er da noch bei uns am Tisch. Mittlerweile ignoriert er mich komplett und verbringt seine Mittagspause mit Nate und seinen Freunden und Jonah scheint das nichts auszumachen. Er sitzt neben Maddie und tut so, als wäre nichts gewesen. Natürlich ist er noch mit ihm befreundet. Sie reden immer miteinander, aber nie in der Pause. Er setzt wirklich alles daran, mir aus dem Weg zu gehen und nicht in meiner Nähe zu sein, außer im Unterricht. Da sitzt er zwar noch neben mir, dreht sich aber kein einziges Mal zu mir um und will auf keinen Fall mit mir zusammenarbeiten. Obwohl Alec auf dem Platz neben mir sitzt, habe ich wieder das Gefühl, als wäre er wieder leer. Genauso leer wie nach Nicks Tod.

Maddie hat auch bemerkt, dass irgendwas vorgefallen sein musste, doch bisher hat sie mich nicht gefragt. Vielleicht hat sie auch schon mit Jonah darüber geredet. Wahrscheinlich hätte ich auch gar nichts gesagt, wie immer, wenn es um dieses Thema geht. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass er Bescheid weiß. Er jedoch ist gar nicht anders zu mir. Wahrscheinlich wegen Nick und Maddie.

"Jonah, könntest du mir bitte etwas holen?", fragt Maddie ihren Freund, als wir während der Mittagspause in der Mensa sitzen.

"Natürlich. Was denn?"

Sie überlegt kurz. "Ein Wasser, bitte", erwidert sie mit einem Lächeln.

"Kommt sofort." Er steht auf und stellt sich in die Schlange vor der Essensausgabe.

Sofort wendet sich Maddie an mich. "Gut. Ich hatte gehofft, du würdest von dir aus auf mich zukommen und habe deshalb etwas gewartet. Aber da scheint nichts mehr von dir zu kommen, also frage ich dich einfach. Was hast du mit Alec gemacht?"

Ich halte kurz inne in meiner Bewegung. "Nichts", antworte ich und führe die volle Gabel zu meinen Mund.

Maddie zieht eine Augenbraue hoch und schaut mich abwartend an. "Lya, du redest seit Tagen gar nicht mehr mit mir und noch wichtiger, du hast mir gar nichts über Tessas Party erzählt und das tust du sonst immer." In ihrer Stimme schwingt eine Spur Enttäuschung mit. Meine Freunde enttäuschen kann ich mittlerweile wohl anscheinend ziemlich gut. "Ich dachte, wir wären mittlerweile wieder auf dem Level unserer Freundschaft, wo wir uns wieder Dinge anvertrauen."

Ich lege die Gabel auf den Teller und schaue zu ihr hinauf. In ihren Augen ist Angst zu sehen. Angst, dass ich mich wieder zurückziehe und die Nächste bin, die sich verabschiedet. Bei diesem Anblick bildet sich ein Kloß in meinem Hals, den ich versuche runterzuschlucken.
Gerade öffne ich meinen Mund zu einer Antwort, doch schließe ihn sofort wieder, als Jonah sich wieder auf seinen Platz setzt.
"Ich musste diesmal nicht so lange anstehen. Hier, dein Wasser." Er stellt es vor sie hin. Maddie bedankt sich mit einem Kuss auf die Wange bei ihm und wirft mir danach einen flüchtigen Blick zu.

Es ist wirklich eine miese Angewohnheit, alles mit sich selbst ausmachen zu wollen. Im Grunde ist es nur eine blöde Ausrede, um dem Grund aus dem Weg zu gehen und ihn ganz tief in meinen Gedanken zu verdrängen. Und genau da liegt das Problem. Nur weil man es ignoriert, bedeutet es nicht, dass es sich automatisch in Luft auflöst. Es ist noch genauso präsent wie vorher. Und Maddie weiß das auch.

*

Nach der Schule frage ich sie, ob sie Zeit hätte, mit zu mir zu kommen, weil ich bereit bin, zu reden. Natürlich sagt sie sofort zu. Also gehen wir gemeinsam zu mir und sitzen nun auf meinem Bett. Maddie sitzt mir gegenüber im Schneidersitz und sieht mich nun schon seit 5 Minuten fragend an.

Ich sitze ebenfalls im Schneidersitz und halte meine Hände gefaltet im Schoß. Noch einen tiefen Atmenzug und ich fasse endlich meinen Mut zusammen und erzähle ihr alles über Alec und mich. Sie sitzt einfach da und hört mir aufmerksam zu. Die ganze Zeit über lässt sie mich nicht aus den Augen und stellt keine Fragen, sondern lässt mich einfach ausreden.
Als ich fertig bin, schließe ich die Augen und atme tief durch. Ich möchte auf keinen Fall wieder wegen ihm weinen. Genau genommen gibt es nichts, worüber ich weinen sollte. Ich habe meine Entscheidung getroffen und habe ihn gehen lassen.

"Weißt du Lya, als ich mit Jonah zusammengekommen bin, habe ich mich zuerst auch schuldig gefühlt. Ihm ging es da nicht anders, aber wir haben darüber geredet. Es ist natürlich blöd, glücklich zu sein, wenn vor wenigen Monaten erst ein Freund gestorben ist, aber das Leben geht weiter. Ich weiß, das klingt etwas brutal, aber so es ist. Und weißt du, Nick hätte nicht gewollt, dass wir ewig in Trauer leben. Er selbst hat ja nicht gern getrauert." Maddies Stimme ist ruhig und einfühlsam, wie immer, wenn sie mich beruhigen möchte. Mit einer Hand steicht sie sanft über mein Knie und lächelt mich sanft an.

"Ich weiß. Aber es fühlt sich immer noch beschissen an. Ich habe ihn gehen lassen, Maddie. Nur ein Wort und er wäre geblieben. Aber ich stand nur da und hab den Mund nicht aufgekriegt. Schon wieder nicht." Ungewollt fange ich an zu schlurzen und ein paar Tränen bannen sich ihren Weg über meine Wangen und fallen auf die Bettdecke.

Maddie ändert ihre Sitzposition und setzt sich neben mich. Sie nimmt mich in die Arme und ich lege meinen Kopf auf ihre Schulter. Sie sagt nichts und ich heule mich an ihrer Seite aus. Wieder einmal. So sitzen wir für eine längere Zeit, bis ich mich wieder beruhigt habe und mich aus ihrer Umarmung winde. "Danke, Maddie. Ich weiß ehrlich nicht, was ich ohne dich tun würde. Und es tut mir leid, dass ich immer zu mit mir beschäftigt bin und kaum etwas anderes mitkriege."

"Ist schon okay, Lya. Wir sind alle mit uns selbst beschäftigt, aber glaub mir, du kriegst genug mit. Außerdem, wenn irgendetwas wäre, hätte ich es dir gesagt."

Maddie hat recht. Sie ist immer ehrlich zu mir. Obwohl sie so tut, als würde Nicks Tod sie nicht so sehr treffen wie mich, weiß ich, dass es doch so ist. Sie hat selbst damit zu kämpfen, aber sie ist diesem Thema gegenüber viel offener und geht es anscheinend auch richtig an.

Mrs Jensen hat mir in einer unserer ersten Therapiesitzungen gesagt, dass jeder Mensch anders trauert. Mache verdrängen ihre Trauer und schütten sich mit so viel Arbeit zu, dass sie an gar nichts anderes mehr denken können. Andere wiederum gehen es wohl richtig an. Sie lassen sich helfen und reden darüber. Ich gehöre eher zu der ersten Gruppe. Ich verdränge alles, was mit Nick oder seinem Tod zutun hat und starre nur Löcher in die Wand.

"Was soll ich denn jetzt machen, Maddie?", frage ich verzweifelt.

Nach einer kurzen Stille, ergreift sie das Wort und schaut mich ernst an. "Die Frage ist, was du überhaupt willst."

Wenn ich das nur wüsste...

Break The FallWhere stories live. Discover now