4. Ihre Freiheit und seine Lüge

524 45 2
                                    

Pläne- Seit seiner Kindheit wusste er, dass seine Arbeit, der Mittelpunkt seines Lebens sein würde. Nichts und niemand schien wichtig genug um diese Sicherheit ins Wanken zu bringen. Sein Fund aus der Höhle faszinierte ihn nach wie vor, auch noch Jahre später. Mit jedem neuen Experiment, offenbarte das Gestein eine neue Eigenschaft und warf alles zuvor bekannte über den Haufen. Nichts war wichtiger...außer Misaki.

Er hatte gelogen. Gelogen. Dieses Wort geisterte in ihrem Verstand wie ein unwillkommener Gast. Wütend saß sie im Auto und fuhr zum Polizeiamt, um ihren Freund abzuholen. Eigentlich müsste er in diesem Moment bei Hutter sein und nicht in einer Zelle wegen Verdacht auf Mord.

Wie hatte es so weit kommen können. Verärgert packte sie das Lenkrad fester und beschleunigte. William würde einiges zu erklären haben. Angefangen mit seiner Lüge. Tief in kalter Rage versunken parkte sie das Auto schließlich auf dem ruhigen Parkplatz vor dem Polizeigebäude und stieg aus.

Die Umgebung war totenstill, der Mond und gelbe Straßenlampen wiesen ihr den Weg. Das helle Neonlicht im Gebäude selbst blendete für einen Moment, bevor ihre Augen sich daran gewöhnt hatten und sie sich angespannt umsehen konnte. Das Polizeiamt war alt, vermutlich stand es bereits seit vielen Jahrzehnten. Die Wände hatten den typischen Gelbstich der sechziger und die hohen Wände der dreißiger. Zudem schien es viel zu klein um wichtige Aufgaben zu übernehmen.

Wenn es in Williams Fall wirklich um Mordverdacht ging, hätten sie ihn sicherlich in ein moderneres, gut ausgestattetes Amt gebracht. Zweifellos lag ein Irrtum vor. Zu viele Augenpaare folgten ihrem Weg zur Rezeption. Die neugierigen Blicke hielten sich penetrant an jeder ihrer Bewegungen.

Ava räusperte sich und lächelte der Polizistin hinter der Scheibe freundlich zu.

"Ich bin hier um meinen Freund William Archer abzuholen." Sofort leuchteten die Augen der Frau auf. Ihr Gegenüber taxierend reichte sie Ava ein Formular. "Einmal ausfüllen Miss..."

"Park.", antwortete Ava, obwohl sie sicher war, dass die Polizistin genau wusste, wen sie da vor sich hatte. Ava biss den Kiefer zusammen, setzte sich an einen der kleinen Tische im Wartebereich und füllte das Abholdokument aus. Kurz bevor sie fertig war, brachte ein Polizist in Uniform William in den Wartebereich.

Mit säuerlicher Miene betrachtete sie ihren Freund und kam zu dem Schluss, dass sie sich bei weitem nicht so beeilen hätte müssen. Keine blauen Flecken, keine Verletzungen. Es ging ihm gut.

"Miss Park.", begrüßte sie der junge Polizist neben William. Seine Stimme triefte vor verhaltener Wut und Verachtung. Ava, die solche Reaktionen gewohnt war nickte gleichgültig.

"Haben Sie das Formular fertig ausgefüllt?"

"Ja, kann ich ihn mitnehmen?" Der Polizist nahm ihr den Zettel ab.

"Wenn Sie versprechen können, ihn nicht umzubringen." Ungeduldig legte Ava den Kopf schief. "Aha, okay. Wenn Sie was zu sagen haben, raus damit. Ich hab heute keine Geduld für diese passiv aggressive Kake." Ihr Gegenüber ballte die Fäuste und verzog zornig den Mund.

"Du hättest uns allen einen Gefallen tun und mit deiner Sippschaft sterben können. Wie wäre es damit, Monstertochter. Ich weiß, dass du was mit Milos Ausbruch zu tun hattest! Er hätte es nie allein geschafft. Tot hätten wir immerhin keine Probleme mehr mit dir. Du miese-"

"Das reicht!", trat William dazwischen, "so werden Sie nicht mit meiner Freundin sprechen."

"Aber sie-" "hatte nichts mit Milo zutun. Lassen Sie es einfach ruhen." Sprachlos klappte der Polizist seinen Mund zu und ging zur Rezeption, um das Formular abzustempeln. William sah ihm scharf nach, doch eigentlich vermied er nur ihren Blick. Mit verschränkten Armen wartete sie auf seine Aufmerksamkeit. William seufzte tief, ließ die Schultern hängen und wandte sich ihr zu.

Vermächtnis #Wattys2022Where stories live. Discover now