10. Tief in den nördlichen Wäldern

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Geld- Das Kind hatte viele Bedürfnisse. Die meisten von ihnen kosteten Geld. Der kluge Mann nahm eine Stelle als Wissenschaftler bei der Regierung an und wurde bald hochgeschätzt. Viele seiner Erfindungen wären ohne Misakis Hilfe nie zustande gekommen, doch ihre Pflicht war die Kinderbetreuung. Sein Sohn brauchte eine gute Mutter.

Das Ortschild von Starybol stand verschlissen und mit unzähligen Einschusslöchern versehen vor ihnen. Die Straße in das verlorene Dorf war gespickt mit Schlaglöchern, überwuchert mit dem sich vorwagenden Wald. Offenkundig waren die Ortschaft und ihre Bewohner schon vor langer Zeit aufgegeben worden. "Wir sollten zu Fuß weiter. Ich glaub nicht das dieses Auto, die unebene Straße überlebt."

"Okay. Dann fahren wir von der Straße und verstecken es ein wenig im Wald." William nickte und parkte den Wagen. Kaum war der Motor ausgeschaltet, umgab sie eine unheimliche Stille. Selbst die Vögel schienen nicht mehr singen zu wollen.

Mit einem unguten Gefühl im Bauch stieg Ava aus und trat zu dem Ortschild. Das gebrechliche Metall rostete vor ihren Augen, doch es war die Ähnlichkeit zu dem Foto im Schlafzimmer ihrer Großeltern, die sie erschaudern ließ. Dies waren ihre Wurzeln. Dieses Dorf und seine Geheimnisse waren Teil ihrer Geschichte.

"Ava! Komm wir müssen unsere Sachen packen.", rief William und riss sie aus ihren Gedanken. Tief durchatmend kehrte sie dem Schild den Rücken zu und stellte sich neben William vor den geöffneten Kofferraum. Sie hatten in der Früh keine Lust gehabt alles wieder ordentlich einzuräumen und daher lagen ihre Habseligkeiten in dem breiten Kofferraum verteilt als hätte über Nacht eine Bombe eingeschlagen.

Ava griff nach ihrem Rucksack und begann ihn zu füllen. "Wissen wir wie weit die Ruinen entfernt sind?" William schüttelte den Kopf und stopfte zwei Sandwiches in seinen Rucksack. "Starybol ist ein totes Dorf. Die Infos sind alle schon veraltet. Ich denke, wir werden es einfach ausprobieren müssen. Zur Sicherheit nehme ich unsere Taschenlampen und Schlafsäcke mit."

"Ich habe keine Lust auf einem Friedhof zu übernachten." "Ich auch nicht, aber noch schlimmer stelle ich es mir vor, in der Dunkelheit den Weg zurück zum Wagen finden zu müssen. Diese Wälder sind tief und naturbelassen. Die Wahrscheinlichkeit uns in ihnen zu verirren ist mir hoch." Murrend gab sie ihm recht. Egal wie furchtbar eine Nacht in den Ruinen von Starybol auch klang, schlimmer stellte sie sich diesen Wald im Mondschein vor. Das Ganze erinnerte sie viel zu sehr an Hänsel und Gretel. Sie hoffte nur keiner bösen Hexe über den Weg zu laufen.

"Wir sollten einfach schnell machen.", ermutigte William sie und wuchtete seinen Rucksack auf den Rücken. "Nichts lieber als das." Hastig packte Ava ihre Habseligkeiten ein und trat neben ihn zum Ortschild. Aus dem Wald kam ein kühler Wind und Ava hätte schwören können Lebkuchen zu riechen.

"Wird schon nicht so schlimm." Leicht lächelnd griff William nach ihrer Hand. Obwohl sie seine Zuversicht nicht teile, erwiderte sie das Lächeln. Wovor sollte sie auch Angst haben? Schließlich war alles in Starybol schon seit zwanzig Jahren tot. Hand in Hand folgten sie der kaputten Straße in die Tiefen des Waldes. Die warmen Sonnenstrahlen und das gleißende Licht des Tages wurden durch das hohe Blätterdach abgehalten. Es schien als wollte der Wald ihren Weg so dunkel und kühl, so unangenehm wie möglich machen.

"Das ist echt unheimlich.", wisperte William und presste die Kiefer zusammen. "Dieser Tripp fühlt sich immer mehr wie ein verfluchter Horrorfilm an."

"Ich hab das Gefühl der Wald beobachtet uns." Unsicher ließ Ava ihren Blick über das Unterholz wandern, auf der Suche nach neugieren Augen. Im dunklen Dickicht war es unmöglich etwas zu erkennen und frustriert versuchte sie es mit Telepathie. Vielleicht würde der Wald ihr gedanklich verraten, warum er so angepisst auf sie zu sein schien.

Vermächtnis #Wattys2022Where stories live. Discover now