Kapitel 9: Talfahrt

3.3K 134 107
                                    

Du sitzt gerade mit Maria in einer Gondel eines Riesenrades, denkst an Miss Johansson und fantasierst davon, wie es wäre mit ihr hier zu sein, als Maria ihre Lippen auf deine legt und dich küsst.

Du erstarrst. Damit hast du nicht gerechnet. Als Maria sich von dir löst, weißt du nicht ein mal ob du den Kuss erwidert hast, geschweige denn ob du geatmet hast.
Maria lächelt dich zaghaft an. Es wäre an der Zeit etwas zu sagen, Y/N. Aber was? Die Gondel nimmt Talfahrt auf. Die Fahrt geht zu Ende. Die Sonne ist fast im Meer untergegangen.

Du bringst keinen Mucks heraus. Du hattest nicht damit gerechnet, dass sie dich küssen würde, aber als sie es tat, sind deine Gefühle nicht übergespudelt. Was hat das zu bedeuten? Heißt das, dass du noch Zeit brauchst? Schließlich macht es nicht jedes Mal sofort Klick. Aber würde es jemals Klick machen, wenn du Johansson täglich in deinem Büro treffen würdest, trotz dass du mit Maria  ausgehst? Würdest du dich nicht weiter nach Johansson verzehren?

Ohne nachzudenken, nimmst du Marias Hand. Das Rad bleibt stehen, euch wird die Gondel geöffnet und ihr steigt aus.

Du hast noch immer nichts gesagt. Immer noch nicht sicher, was das richtige wäre. Doch je länger du nichts sagst, desto unangenehmer wird es. Maria schweigt ebenfalls. Sie hebt ihre Nase in die kühler werdende Abendluft.

"Lass uns gehen." Hat sie etwas gemerkt? Natürlich hat sie das. Die Frau würde nicht Jura studieren, wenn sie nicht clever wäre. "Okay" Ihr macht euch auf den Heimweg. Die Stimmung ist seit dem Kuss gekippt. Ihr sprecht kaum. Du hast den Punkt verpasst, an dem du noch etwas erwidern hättest können. Du fühlst dich mies.

In Gedanken versunken, merkst du kaum, dass ihr bereits in Marias Straße eingebogen seid. Hattest du überhaupt etwas gesagt? Dir ist zum heulen zumute. Deine Gefühle stehen dir im Weg Maria kennenzulernen und ihr eine echte Chance zu geben. Dir wird klar, dass du das mit Johansson  klären musst, damit du damit abschließen kannst.

Ihr bleibt vor Marias Haus stehen. Sie lächelt dich schwach an. "Da wären wir" "Sieht so aus"

"Also, das war...nett" Sie greift deine Wortwahl aus deiner SMS auf. Kein gutes Zeichen. "Das fand ich auch. Hör mal, Maria..." Zeit ehrlich zu sein, das hat sie verdient. Doch sie hebt eine Hand und unterbricht dich. "Schon gut, Y/N. Du brauchst nichts sagen."

Was? Nein. Du wolltest aber. Was heißt wollen, wollen tust du es eigentlich nicht... Aber du musst. Du bist nicht gut in sowas. Aber was ist sowas? Jemanden sagen, dass man kein Interesse hätte, weil die Chefin einem im Kopf herum geisterte? Das war dein erstes Mal. Eigentlich hast du Interesse an ihr, sie ist eine interessante Frau. Deine Gedanken beginnen wieder zu drehen, dass dir schwindelig wird.

"Gute Nacht, Y/N." Mist. Mist. Mist. "Maria, ich..." Sie gibt dir einen Kuss auf die Wange. Und geht ohne abzuwarten, was du zu sagen hast, die Treppen hoch und schließt ihre Wohnungstür auf. Du stehst da und siehst ihr nach.

"Es tut mir leid..." Du flüsterst fast, dass du nicht weißt, ob sie es überhaupt gehört hat. Spielt das eigentlich eine Rolle? Dann fällt die Haustür zu und Maria verschwindet aus deinem Sichtfeld. Hast du sie gerade verloren? Innerhalb weniger Tage hast du zwei tolle Frauen von dir weggeschossen, obwohl das das letzte war, was du wolltest.

Du merkst, wie es anfängt zu regnen. Die ersten Tropfen treffen deine Haut. Du stehst noch immer vor Marias Tür. Solltest du ihr hinterher? Was hättest du ihr zu sagen? Du hast eben schon kaum etwas raus bekommen...
Du beschließst zu gehen. Es würde im Augenblick vermutlich nichts bringen Maria hinterher zu gehen. Du musstest erstmal mit dir selbst klar kommen und mit deinen Gefühlen.

Langsam gehst du die Straße hoch, der Regen nimmt zu. Er fühlt sich angenehm warm an, du lässt den Kopf in den Nacken fallen und schließt die Augen. Du fühlst dich, als wärst du der letzte Mensch auf Erden. Niemand ist zu sehen, es brennen nur noch wenige Lichter in den Wohnungen. Wie spät es wohl ist? Du hast es nicht eilig nach Hause zu kommen.

Miss JohanssonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt