1

316 17 21
                                    

"A-aber bitte beeil dich! Ich habe Angst!", schluchzte ich in den Hörer meines Handys, das ich mit zitternden Händen an mein Ohr presste.

"Ich bin so schnell wie möglich bei dir, versprochen", antwortete mir mein bester Freund Jungkook, bevor ich ein Tuten hörte, welches mir signalisierte, dass er aufgelegt hatte.

Langsam ließ ich mein Handy sinken und wischte mir einmal über die Augen. Allerdings brachte das nicht viel, da sofort neue Tränen kamen und meine, vom vielen Weinen ohnehin schon ganz rauen, Wangen hinabliefen.

Warum musste ausgerechnet mir das passieren? Was hatte ich getan, um soetwas zu verdienen?

Erneut aufschluchzend zog ich meine Beine an meinen Körper und legte meinen Kopf auf meinen Knien ab.

Ich stellte mir vor wie es wäre, wenn ich jetzt nicht hier im Dunkeln auf der Bank einer Bushaltestelle sitzen würde, sondern gemeinsam mit Jungkook und Jimin bei mir zuhause auf dem Sofa.

Wir könnten einen Film schauen, gemeinsam lachen und die beiden würden mich beschützen, sodass ich keine Angst vor dem Stalker haben musste.

Dem Stalker.

Meinem Stalker.

Meinem Verfolger.

Meiner persönlichen Hölle, die mein Leben zerstörte.

Alles hatte vor genau vier Wochen angefangen. Es war später Nachmittag gewesen und ich war gerade auf dem Weg zu mir nach Hause, als ich dieses Gefühl zum ersten Mal gespürt hatte. Dieses Gefühl, als würde mich jemand beobachten.

Ich habe mich umgeschaut, aber niemanden gesehen. Das Gefühl blieb den ganzen Weg bis zu meinem Haus und hörte erst auf, als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte.

Obwohl ich zuerst verängstigt gewesen war, schenkte ich dem Ganzen noch keine weitere Beachtung. Tatsächlich fragte ich mich einige Stunden später, ob ich es mir nicht vielleicht sogar nur eingebildet hatte.

Am nächsten Morgen verschwendete ich nicht mal mehr einen Gedanken daran und machte mich ganz normal auf den Weg zur Uni.

Doch sobald ich mein Grundstück verließ und an der Straße entlang ging, wurde mir augenblicklich wieder unwohl und ich sah unauffällig hinter mich.

Doch wieder war niemand zusehen. Trotzdem fühlte ich mich immer noch so, als würde ich angestarrt werden.

In den nächsten Tagen wurde es schlimmer und schlimmer und langsam beeinflusste es mich wirklich.

Ich hatte Angst davor, mich alleine in der Öffentlichkeit zu bewegen und verbrachte deshalb so viel Zeit wie möglich mit meinen Freunden. Nur bei ihnen fühlte ich mich sicher.

Doch sobald ich dann wieder alleine war, hatte ich nur noch Angst. Mein Körper war dauerhaft angespannt, ich war nervös und das Ganze raubte mir sogar Schlaf.

Irgendwann bekam ich auch noch Albträume, in denen mich ein dunkler Schatten verfolgte und nach mir greifen wollte.

Schließlich erzählte ich Jimin und Jungkook davon, die ab da immer bei mir waren und mich so gut es ging beschützten.

Doch heute, an diesem Abend, hatten beide etwas vorgehabt und meine Vorlesungen waren noch nicht zu Ende gewesen, weshalb sie mich nicht hatten begleiten können.

Ich dachte, ich würde es schaffen.

Aber dann habe ich Geräusche hinter mir gehört. Sie klangen wie Schritte. Ich bekam Panik, musste anfangen zu weinen und rettete mich erstmal in das Häuschen einer Bushaltestelle.

Dann rief ich Jungkook an, damit er mich abholte, weil ich nicht mehr alleine weiterlaufen konnte.

Und nun saß ich hier und wartete.

Meine Tränen waren inzwischen versiegt, doch nun hatten die Wolken begonnen zu weinen und es regnete sehr stark.

Das Geräusch der Tropfen, die auf das Dach des Haltestellenhäuschens prasselten, beruhigte mich ein wenig. Wenigstens war es jetzt nicht mehr so still und ich zuckte nicht bei jedem, noch so leisen, Geräusch zusammen, da der Regen diese verschluckte.

Nachdenklich nahm ich mein Handy und schaltete es an, um auf dem Lockscreen nach der Uhrzeit zu schauen. Seit meinem Telefonat mit Jungkook waren fünf Minuten vergangen.

Damit ich mich mental auf die Wartezeit, die mir noch bevorstand, vorbereiten konnte und weil ich sowieso nichts besseres zutun hatte, begann ich, mir auszurechnen wie lange mein Freund wohl brauchen würde.

Ich wusste, dass Jungkook jetzt gerade eigentlich in dem Café sein müsste, in welchem er neben seinem Studium noch jobbte.

Dieses lag allerdings so gut wie am anderen Ende der Stadt und als ich das realisierte, brach ich wieder in Tränen aus.

Das hieß, wenn auch noch der Verkehr und die Ampeln gegen uns sein würden, müsste ich mindestens eine halbe Stunde warten. Dabei wollte ich doch einfach nur in Sicherheit.

Dieses dauerhafte Gefühl von Unsicherheit, Angst und leichter Panik quälte mich und ich wusste, dass es erst aufhören würde, wenn ich sicher neben Jungkook im Auto saß.

Immer noch leise schluchzend sah ich mich um, da ich das Augenpaar, welches mich beobachtete ganz genau in meinem Rücken spüren konnte.

Wenn ich doch nur die Person, der es gehörte, sehen könnte. Wenn ich doch nur wüsste, wo mein Stalker war, damit ich vor ihm weglaufen und mich verstecken könnte.

Vielleicht würde ich mich sicher fühlen, wenn ich wüsste, wo er ist, aber er nicht wüsste, wo ich bin.

Doch zu dieser Zeit, in der ich mir all das wünschte, wusste ich noch nicht, dass einige der Wünsche in jener Nacht vielleicht sogar in Erfüllung gehen würden.

Stalker | ᵗᵃᵉᵍⁱDonde viven las historias. Descúbrelo ahora