Eine Einheit

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Dark Romance/Psycho Horror (zumindest Anflüge davon)

Authors Note: Entstanden durch die Schreibübung 'Schreibe eine Szene um den Begriff Ehemann'


Als sie mit dem Fahrrad die dunkle Einfahrt einbogen, richtete James seinen Blick augenblicklich zur Tür des Hotels. Der Empfang war nicht besetzt, dabei war es erst ein Uhr in der Nacht. Wo trieb sie sich denn nun schon wieder rum? War sie überhaupt auf der Arbeit gewesen? Und wenn ja, dann war mit Sicherheit auch ihre lesbische Chefin im Dienst.

Oliver hielt abrupt an. „Willst du nicht kurz warten und deiner Frau Hallo sagen? Ich meine ... wenn wir eh schon hier sind."

„Ne, lass mal. Sie hat doch offensichtlich genug zu tun", antwortete James beiläufig und winkte ab, fuhr weiter. Auf dem Rückweg ihrer nächtlichen Fahrradtour würde er sich sicher davon überzeugen können, ob sie wirklich auf der Arbeit war oder nicht, und James erinnerte sich zurück an einen Streit, den sie vor Kurzem hatten.

„Glaubst du ernsthaft, nur weil ich bi bin, ficke ich meine Chefin?", hatte sie gefragt - sie hatte ihn dabei nicht angeschrien, doch die Fassungslosigkeit stand ihr regelrecht ins Gesicht geschrieben. „Und das, obwohl du selbst bi bist, wow. Nach deiner Logik müsste ich mir dann auch ständig Gedanken zu dir machen, meinst du nicht? Was zur Hölle stimmt also mit dir nicht, mir sowas zu unterstellen? "

Mit ihm war alles in Ordnung, dachte er. Immerhin wusste er ganz genau, dass er ihr nicht fremdgehen würde, aber er konnte ja nicht in ihren Kopf sehen, oder? James schnaubte genervt. Kurz nach ihrer Hochzeit hatte sich ihre Beziehung drastisch geändert. Es war allein ihre Schuld, denn sie war es, die sich nicht an die Ehe anpassen wollte. Nach wie vor widmete sie ihren Hobbys dieselbe Zeit, und schenkte anderen Leuten via Skype und Discord und Whatsapp die gleiche Aufmerksamkeit, die sie auch ihm zukommen ließ. Das hätte so doch nicht mehr sein dürfen, schließlich bedeutete die Ehe, eine Einheit zu bilden - also hätte er jetzt noch viel mehr in ihren Fokus rücken müssen, tat es aber nicht. Im Gegenteil: Er hatte bemerkt, wie sie sich mit der Zeit sogar von ihm distanzierte.

Sie war so undankbar gewesen! Hat sie denn nicht gemerkt, was er alles für sie aufgegeben hatte, um mehr Zeit mit ihr verbringen zu können? Zu Tuningtreffen ging er nicht mehr, zumindest nicht ohne sie, aber sie hatte ihr Interesse daran seit einer Weile völlig verloren. Den Modellbau hat er auch zum Fenster raus geworfen, denn es beanspruchte zu viel Zeit, die er lieber mit ihr hätte verbringen wollen. Ihre gemeinsamen Freunde lud er auch nur noch selten ein, denn sie gehörten am Ende nicht zu ihrer Ehe und somit auch nicht zu ihrer Einheit. Sein Leben wandelte sich Stück für Stück zu einem Leben auf dem Sofa - alles nur für sie - James bester Freund der Fernseher, und da hatte sie sich erst recht geweigert, ihre Hobbys und Kontakte für ihn so einzuschränken, wie er es für sie getan hatte.

Dann nahmen die Zweifel, die schon immer da gewesen waren, er sie jedoch meist unter Kontrolle hatte, plötzlich völlig unkontrollierbare Züge an. Hatte sie einen Anderen? Eine Andere? Möglich war es, denn sie war eine attraktive Frau gewesen und die Neider lauerten hinter jeder Ecke. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand versuchte, sie ihm wegzunehmen und entgegen seiner vertrauensvollen Natur entschloss sich James letztlich unter quälenden Gewissensbissen, dem auf den Grund zu gehen. Ihr PC - er kannte das Passwort und wusste, dass sie sich aus ihren Messengern niemals abmeldete. Also durchforstete er Skype und Discord, stundenlang, um den Grund ihres emotionalen Rückzugs zu finden, und fand dort einige Leute, mit denen sie für seinen Geschmack viel zu vertraut gewesen war. Freunde aus ganz Deutschland, aber wer wusste, wie lange Einer oder Eine von ihnen noch ein bloßer Freund bleiben würde?

Und dann war da noch ihr Smartphone und die beste Zeit, um dran zu kommen, war, während sie schlief. Er kannte ihren Pin, hatte seine Frau bei der Eingabe oft genug für einen Notfall wie Diesen beobachtet, und geändert hatte sie ihn in der Zeit, in der sie nun schon zusammen waren, auch nicht. Also griff er sich ihr Handy, durchwühlte den Chat mit ihrer Mutter, denen ihrer Arbeitskollegen und ihren Freunden. Besonders ein Typ namens Aiden stach ihm ins Auge. James war der Name geläufig, denn seine Frau und er kannten sich seit über zehn Jahren. War er es?

James öffnete den Chat und die Zeilen, die er dort las, ließen ihm augenblicklich das Blut in den Adern gefrieren. Wut und Unverständnis machten sich in ihm breit. Es war einfach unfassbar.

Ich halte das nicht mehr aus, stand dort geschrieben. Er nimmt mir die Luft zum Atmen. Ich werde mich scheiden lassen.

„Erde an James?"

Olivers Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er blickte verwirrt auf. James hatte gar nicht gemerkt, dass sie bereits einmal um den Block gefahren und wieder vor dem Hotel gelandet waren, in dem seine Frau arbeitete. Er blinzelte. Dort saß sie doch tatsächlich, telefonierend am Empfang.

„Sorry, ich war nur in Gedanken." Eine Weile noch haftete sein Blick abwartend auf seiner Frau. Sie war wirklich bei der Arbeit gewesen, aber ... das hieß nicht zwangsläufig, dass sie ihn in ihrer Abwesenheit nicht doch betrogen hatte. Das Hotel hatte schließlich viele Mitarbeiter und eine Frau, die sich scheiden lassen wollte, keine Moral.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 20, 2022 ⏰

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