18. Dezember

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Ein Gähnen unterdrückend halte ich mir den Handrücken vor den Mund und drehe mich zu Bayley und Kaylie um, die sich lachend gegenseitig über das Eis jagen. Beide haben anscheinend so gut geschlafen, dass sie schon um halb neun ohne Murren aufgestanden waren, als Hovan mit einem Hockeyschläger gegen unsere Tür schlug und, ohne erst einmal abzuwarten, ins Zimmer gestürzt kam.

Wenig begeistert und vollkommen übernächtigt war ich zwar, unter Protest, aufgestanden und hatte mich sogar dazu aufgerafft erst einmal meine Zähne zu putzen, aber im warmen Bett wäre ich nach der letzten Nacht doch lieber gewesen.

Ryker und ich hatten fast noch eine Stunde trainiert und anschließend waren wir wieder super leise ins Haus geschlichen, ohne einen der anderen aufzuwecken.

Herausgefunden, warum er überhaupt gestern mitten in der Nacht auf der Eisfläche gewesen war, hatte ich nicht, aber wenn ich ganz ehrlich bin, hatte ich auch gar nicht mehr nachgefragt.

„Na, müde?", grinst Riley und schubst mich leicht in die rechte Seite, sodass mein Körper leicht nach links schwingt, „jedenfalls hast du ziemlich krasse Augenringe."

Reflexartig ziehe ich meine Hand nach oben und fasse mir an den rechten Wangenknochen. Eigentlich hatte ich extra meinen Concealer unter den Augen verteilt, weil ich genau wusste, wie lila bläulich sie aussahen und ich dann aussah, als hätte ich die ganze Nacht durchgeweint, weil ich verprügelt worden war.

„Nein, gar nicht", sage ich ironisch und werfe aus dem Augenwinkel einen Blick auf Ryker, der quietschvergnügt einen Puck nach dem anderen im Netz versenkt, ohne auch nur den geringsten Anschein zu machen, als hätte er in der letzten Nacht keine acht Stunden Schlaf gemacht. Tatsächlich sieht er sogar ziemlich frisch aus.

Ich verreibe den Labello auf meinen Lippen noch einmal miteinander und muss beim Aufatmen wieder gähnen.

„Ahja", kommt es von Riley, der sich die Kappe abnimmt, einmal durch seine blonden Haare fährt, sie schüttelt und die Kappe dann wieder schwungvoll aufsetzt. Leicht belustigt schaut er auf mich herab, so lange, bis ich meine Arme vor der Brust verschränke und eine Augenbraue hochhebe.

„Was?"

„Och, gar nichts", winkt er ab und dreht sich mit einem Grinsen um, dass wahrscheinlich nur er deuten kann.

Hovan fährt mich einer halsbrecherischen Geschwindigkeit auf dem Eis herum und bleibt dann genau in der Mitte stehen. „So Leute", schreit er und klatscht in seine riesigen Hände, „dann machen wir doch einfach mal ein Testspiel."

Mehrmals hintereinander blinzele ich und fahre dann, wie alle anderen, zu ihm in die Mitte. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es heute besonders kalt ist, denn meine Wimpern fühlen sich so schwer an, als würden daran Eiszapfen hängen. Die weißen Wölkchen, welcher jeder wie eine Dampflockt ausstößt gehen in kleinen Bällen nach oben weg und verschwinden dann im Himmel, von welchem die Sonne schon den ganzen Morgen scheint. Auch wenn sie nicht mehr allzu hoch steigt, gibt sie wirklich ihr bestes, und ich schließe ganz kurz die Augen, um die Sonnenstrahlen wirklich komplett in mich aufnehmen zu können.

„Darf ich wählen?", ruft Kaylie und klopft aufgeregt mit ihrem Hockeyschläger auf das Eis unter ihren Schlittschuhen.

„Oh ich auch", ruft Riley und grinst Ryker an.

Hovan legt seinen Kopf schief und sieht erst Kaylie und dann Riley an. „Na gut, aber nicht die übliche Teams. Das ist langweilig."

„Na gut, dann nehme ich Alory", sagt Riley wie aus der Pistole geschossen und sieht mich mit einem so verschmitzten Lächeln an, dass ich es doch tatsächlich reflektiere und mit einem kleinen Schlittschuhschieber schon neben ihm stehe.

„Ich nehme Bud", schreit Kaylie und zerrt an seinem Arm, damit er schneller zu ihr kommt, bevor sie ihre Hand in die Taille stemmt und sich überlegend über die Unterlippe leckt. Ihr Blick gleitet über die anderen Anwesenden und man kann ihr förmlich ansehen, dass sie überlegt wen sie als nächstes nehmen soll.

„Hovan", sagt Riley.

„Riley."

„Dann bleibt ja nur noch Bayley übrig." Schulterzuckend sieht Riley in ihre Richtung.

Kichernd halte ich ihr die Hand hin, die sie ein wenig empört ergreift und sich von mir zu ihr ziehen lässt, damit wir endlich mit dem Spiel beginnen können.

-

Drei Stunden, zwei weitere Spiele und eine Dusche später, sitzen alle in ihren gemütlichsten Kleidungsstücken vor dem Fernseher und sehen sich die Santa Parade an, auf die ich mich wirklich jedes Jahr freue.

Zwar war ich selbst noch nie auf einer, aber das stört mich nicht wirklich, da es meiner Meinung nach dann eh viel besser ist, wenn man alles aus mehreren Perspektiven betrachten kann, und nicht nur langweilig in einer Reihe aus Menschen steht, zwischen denen man sich sowieso unwohl fühlt, weil sie einen zusammenquetschen und man aufgrund ihrer Größe auch gar nichts sehen kann. Bis auf die riesigen mit Luft gefüllten Figuren, die mit langen Seilen an deren Enden die Helfer sie durch die halbe Stadt führen.

Helen und meine Mutter kommen jeweils mit einem Tablett mit Tassen mit dampfenden Kakao und eines mit Egg Nog, den Helen eigens vorbereitet hat, in den Händen dazu und verteilen sie an die Runde.

„Uh uh", schüttelt meine Mutter den Kopf, als Kaylie nach dem Egg Nog greifen will und dreht das Tablett ein wenig in ihre Richtung, damit Kaylie den Kakao nehmen kann. Kaylie verdreht ihre braunen Augen, was mich kurz auflachen lässt. Meine kleine Schwester wird tatsächlich aufmüpfig.

Dankend nehme ich mir eine Kakaotasse von Helens Tablett und lecke mit der Zungenspitze über das Sähnehäubchen, auf dem sich ein guter Schuss Zimt befindet.

„Oh Helen", sagt meine Mutter und hält das Tablett zu Hovan, der sich einen Egg Nog nimmt und seinen Brüdern, sowie Riley auch einen reicht, „du musst mir unbedingt das Rezept für den Egg Nog geben."

„Ach", winkt sie ab und lässt sich auf den Schoß von Matty sinken, der einen Arm um ihren Bauch legt, „das ist ganz einfach. Du brauchst nur Eier, Zucker, Bourbon, Rum, Milch, Vanilleextrakt und Sahne. Die Milch erhitzen und würzen und den Rest im Mixer vermixen. Und wenn die Milch dann abgekühlt ist, wir beides einfach zusammengemischt und das wars."

Meine Mutter nickt und macht sich gedanklich wahrscheinlich gerade eine Notiz.

„Wie auch immer", kommt es von meinem Vater, der vom ersten Schluck des Egg Nogs einen kleinen Milchbart auf der Oberlippe hat, „es ist auf jeden Fall sehr lecker."

-

„Übrigens", unterbricht Matty mit einem mal alle Gespräche, „wann findet unser Eishockeyspiel eigentlich statt?"

Leicht zucke ich zusammen. Ganz kurz hatte ich meinen kleinen Patzer, der unsere Dads natürlich mal wieder anstachelte schon verdrängt, auch wenn es nur eine Sekunde war.

Gespannt lehnt mein Vater sich vor, die Tasse mit dem Egg Nog zwischen den großen Händen, und nickt. „Ja genau Leute. Wann? Wir warten da jetzt schon ziemlich lange drauf."

Tief atme ich ein, bevor ich erst kurz einen Blick zu Hovan werfe und dann meine Beine, die ich über Kaylie gelegt habe, auf dem Boden abstelle. „Uhm", beginne ich und schaue überlegend nach oben in die linke Ecke, „ich weiß nicht genau. Morgen wäre wahrscheinlich doof, nicht wahr? Aber wie wäre es mit Heiligabend? Das wäre doch ein schöner Start in die Feiertage, nicht wahr?"

Mit zusammengepressten Lippen nickt Ryker und lehnt sich mit einer Hand am Kinn nach vorne. „Ja, vielleicht ist das eine gute Idee", stimmt er mir zu und als unsere Väter sich kurz anblicken, zwinkert er mir ganz kurz grinsend zu, bevor er wieder seinen ernsten Gesichtsausdruck aufsetzt.

Ich beiße mir auf die Wangen, um das aufkommende Grinsen zu unterdrücken und ziehe meine Augenbrauen ein wenig hoch. Eine ungewohnte Wärme steigt in mir auf und ich sehe schnell zur Seite, damit niemand sieht wie meine längst abgeschminkten Wangen leicht rötlich werden.

Dass wir das Ganze schon von Anfang an so geplant hatten, mussten unsere Eltern, vorallem unsere begeisterten Väter, ja nicht wissen.



Noch 6 Tage bis Weihnachten.

Silent Sparkle - Adventskalender 2021Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt