19. Dezember

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„Könnt ihr jetzt bitte einfach mal alle still halten?", ranzt meine Mutter mich an, als ich mir mit dem Zeigefinger kurz über das juckende Nasenbein streiche, darauf bedacht, den Highlighter darauf, nicht komplett zu verwischen.

Wortlos verdrehe ich die Augen und zwinge mir ein Lächeln auf die roten Lipglosslippen, die ich am liebsten noch einmal aneinander reiben würde, wenn meine Mutter nicht so einen Trubel darum machen würde, dass ich mich ja nicht bewegen soll.

Ich hasse es Weihnachtskartenbilder zu machen. Jedes Jahr endet es in einer großen Eskalation, alle hassen sich und die Stimmung bleibt für den Rest des Tages so angespannt, dass man sich nicht einmal gegenseitig ansehen möchte.

„Kann man die große Eskalation eigentlich präventionieren?", murmelt Riley passend zu meinem Gedanken direkt neben mir. „Ich halte es nämlich nicht mehr lange aus, wenn ich noch lange hier mit allen zusammengequetscht in der Kälte stehen muss und mir eure Ellenbogen in die Seiten schlagen lassen muss."

Ich intensiviere mein Lächeln und werfe ihm einen kurzen Blick zu. „Wenn du deine Hände einfach bei dir behalten würdest, dann wäre es wahrscheinlich auch nicht so ein krasser Körperkontakt", presse ich zwischen meinen aufeinandergepressten Zähnen hindurch und drücke meinen spitzen Ellenbogen noch ein wenig mehr in seinen durchtrainierten Bauch.

„Alory", schreit meine Mutter, und lehnt sich aus der Reihe von Menschen mit weit aufgerissenen Augen nach vorne, wobei ihre sorgfältig geglätteten Haare nach vorne fallen, „würdest du jetzt bitte aufhören die ganze Zeit zu quatschen? Bestimmt sieht man auf allen Bildern deinen Mund offenstehen."

Mein Blick fällt auf das schlecht improvisierte Stativ, auf welchem wir Mattys Hand platziert haben, das im Intervallmodus alle fünf Sekunden ein Bild macht. Dass sein Speicher noch nicht voll ist, wundert mich schon ein wenig, da wir schon seit geschlagenen zwanzig Minuten hier stehen.

Die Kälte, welche mich seit neunzehn Minuten ergriffen hat, lässt mich meine Finger so langsam schon nicht mehr spüren, weil meine Mutter ja unbedingt darauf bestehen musste, dass wir alle einen Weihnachtspullover tragen, der für die draußen herrschenden Temperaturen einfach nicht ausreicht.

Helen macht einen Schritt nach vorne und dreht sich mit einer Hand am Kinn überlegend zu uns um. „Vielleicht sollten wir ein wenig mehr durchmischen, meint ihr nicht? Kaylie stell dich mal neben Rea und Isa. Ryker geh mal neben Bayley und Hovan und Bud tauscht mal die Plätze."

Fast jeder stöhnt genervt auf, als sie die Anweisungen gibt und murrend bewegen sich die angesprochenen Personen auf ihre ihnen zugewiesen Plätze.

Ryker stellt sich zwischen Bayley und mich, wobei er uns in die Wolke seines Parfums hüllt, das sich mit dem von Riley vermischt und zusammen überhaupt gar keine gute Mischung ergibt. Sein Arm legt sich um mich und seine Hand rutscht auf meinem Rücken so weit hoch, bis er seine schlanken Finger auf meine Taille legt.

Ein Schauer fährt meinen Rücken herunter und ich muss mich wirklich anstrengen nicht zusammenzuzucken, weil das ein vollkommen falsches Bild vermitteln würde.

„Ja, sehr gut", nickt Helen und stellt sich wieder neben ihren Mann, der natürlich direkt neben meinem Vater steht, der seit geschlagenen zehn Minuten einfach gar nichts mehr sagt. Schlauer Mann.

„Und Lächeln natürlich nicht vergessen", fügt meine Mutter hinzu.

Wieder setze ich das falsche Lächeln auf, dass man auf den Endbildern hoffentlich nicht als ein solches identifizieren kann. Ein Kitzeln durch die Parfumwolke, welche mich durch die beiden männlichen, und wahrscheinlich ohne Geruchssinn gesegneten, Personen neben mir umgibt, kommt in meiner Nase hoch.

Silent Sparkle - Adventskalender 2021Donde viven las historias. Descúbrelo ahora