Ärger im Rudel

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Viele Jahre vorher, fernab von der friedlichen Nachkriegszeit, kroch eine dicke, staubfarbene Ratte entglang der vielen Wurzeln und Gewächse auf dem Gelände und schaute immer wieder nach oben.
Der Himmel war nachtschwarz und in dessen Mitte, umringt von einem Meer leuchtender Sterne, war ein greller Vollmond, der blass in die Nacht hinunterleuchtete.
Doch es war nicht der Mond, den die Ratte beobachtete, sondern der riesenhafte Baum, der über ihr ragte. Dies war nämlich kein gewöhnlicher Baum - es war die Peitschende Weide in ihrer vollen gefährlichen Pracht.
Und das Gelände, auf dem sie sich befand, war das Schulgelände der berüchtigten Zaubererschule Hogwarts.

Die Ratte schaute immer wieder auf die riesige Weide und ihre unzähligen Äste und keulenartigen Stämme, die bedrohlich durch die Luft peitschten.
Sie wartete und wartete - und dann, wenige Augenblicke später, schien die Ratte eine Lücke gefunden zu haben und krabbelte im Blitztempo zwischen den angriffslustigen Ästen hindurch in einen versteckten Geheimgang.

Dieser Gang führte nämlich in die Heulende Hütte - ein Ort, um den sich viele Gerüchte rankten. Denn jedes Mal wenn der Vollmond am Himmel schien, wurde, was auch immer in der Hütte hauste, lebendig und füllte die Nacht mit furchterregendem Geheule und Gejaule.
Das war zumindest, was die meisten Menschen glaubten. Die Wahrheit wussten dagegen nur wenige; und zu denen gehörte unter anderem die Ratte.

„Endlich bist du da, Wormtail, das hat ja mal wieder ewig gedauert", ertönte eine jungenhafte Stimme am Ende des Ganges. Wormtail, der bis eben noch als Ratte durch den Gang gekrochen war, verwandelte sich im Nu zurück in seine wahre Gestalt. Er war nun keine dicke, graue Ratte mehr, sondern ein rundlicher, blonder Junge im Alter von Fünfzehn.
„Prongs? Was ist los? Warum bist du nicht bei Moony?", fragte er mit verwirrter Stimme.
Prongs warf die Arme in die Luft und erwiderte hitzköpfig: „Moony ist verdammt übellaunig. Ich meine, noch übellauniger als sonst wenn er ein Werwolf ist. Es ist ganz klar, dass es den Wolf stört, dass unser viertes Rudelmitglied nicht da ist."

„Warum ist Padfoot denn nicht gekommen?", fragte Wormtail verständnislos.
Daraufhin blickte ihn Prongs irritiert an. „Erinnerst du dich nicht mehr an den Streit?" Klar erinnerte er sich an den Streit. Es war schließlich der Streit, der ihre berüchtigte Freundesgruppe entzweit hatte und nun das beliebteste Gesprächsthema unter ihren Schulkameraden war.
„Doch, klar", entgegnete er mit piepsiger Stimme, „aber als Werwolf erinnert sich Remus doch bestimmt gar nicht daran."
„Wenn dir Remus fast die Nase brechen und zubrüllen würde, dass er dich nie wieder sehen will, würdest du auch nicht kommen, Peter, glaub mir", erwiderte James scharf. Doch dann wurde der Ausdruck auf seinem Gesicht weicher und er seufzte schwermütig.
„Ich meine, klar, ich kann Moony vollkommen verstehen. Was Sirius tat - das war wirklich nicht in Ordnung. Hätte ich niemals von ihm erwartet", gestand er und blickte unbehaglich zu Boden.

„Hättest du wirklich nicht erwartet?", dachte sich Peter, sprach diese Gedanken jedoch nicht laut aus. Er wusste, wie beschützerisch James denen gegenüber sein konnte, die ihm am Herzen lagen.
Es war jedoch keine Seltenheit, dass Sirius kopflos agierte und sich über die Folgen seiner Handlungen kaum Gedanken machte.
Impulsivität und Risikobereitschaft; das waren eine der vielen Dinge, die ihren temperamentvollen Freund ausmachten - und auch eine der Hauptpunkte, in denen Peter sich von ihm unterschied.

Wann immer eine streitlustige Gruppe grünuniformierter Slytherins sich zu ihnen begab und typischerweise Peter
verspottete - er war es gewohnt, die Fußmatte zu sein (was noch lange nicht bedeutete, dass er es genoss) - war es in erster Linie Sirius, der sie ebenso gehässig zurückverspottete und dies sogar so erfolgreich tat, dass das Wortduell in einen Fäusteduell ausartete.
Peter war meistens derjenige, der betreten zu Boden blicken würde.
„Wehr dich endlich!" würde es in seinem Kopf echoen, doch er würde all die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, herunterschlucken und sich von der Verachtung und dem Spott in den Augen seiner Peiniger herunterziehen lassen.

KatastropotterWhere stories live. Discover now