Prolog

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Er stand am Rand des Ufers und ließ unaufhörlich kleine Papierflieger in die Luft steigen. Es dauerte jedoch nie lange bis sie in kleinen Kreisen im Teich abstürzten. Die Enten schnatterten jedes Mal empört, wenn sie knapp verfehlt wurden.
Den Himmel, gefärbt im schönsten Azurblau, durchzogen in regelmäßigen Abständen riesige weiße Quellwolken und spendeten von Zeit zu Zeit etwas Schatten. Vogelschwärme ließen sich vom Wind über die Landschaft treiben.

Glücklicherweise hatte die Universitätsglocke heute Mittag die letzte Stunde beendet und das Wochenende eingeläutet. Er konnte also ganz entspannt hier bleiben und das Treiben am Horizont beobachten. Die Uniform zierte immer noch seinen schlanken Körper, weil er zu faul gewesen war, einen Umweg über sein zu Hause zu machen, um die Kleidung zu wechseln.
Seine Haare wurden von einem kühlen Luftstoß durcheinander gewirbelt. Die Blätter der umstehenden Bäume rauschten.
Vielleicht war jetzt der perfekte Augenblick gekommen. Einen Flieger hatte er noch. Er platzierte ihn zwischen seinen Fingerspitzen und hob den rechten Arm. Wenn er ihn im richtigen Moment losließ, würde das Miniflugzeug es womöglich mit genügend Auftrieb diesmal auch über den Teich schaffen.
Als die nächste Böe kam, gab er dem Flieger noch einen richtungsweisenden Schubs und beobachtete dann seine Flugbahn. Er stieg immer höher und höher und mit jedem Zentimeter wuchs in dem jungen Mann die Hoffnung.
Doch mittendrin machte der Flieger einen Looping und segelte, genauso wie seine Vorgänger, in Kreisform auf die Wasseroberfläche zu.
Schade. Heute hatte er wohl kein Glück.
Er schob die Hände in seine Hosentaschen und beobachtete gleichgültig die letzten Drehungen vor dem Aufprall.
In dem Moment, in dem die Nase des Fluggeräts das Wasser berührte, blendete ihn die Sonne zwischen den Wolken so sehr, dass er sich den Arm vor die Augen halten musste.
Als er endlich wieder freie Sicht hatte, stand plötzlich ein Mann mitten im Tümpel.
Neben ihm der Papierflieger.

Tooru starrte, dessen war er sich bewusst. Doch er konnte seine Augen nicht von dem Fremden abwenden, der völlig verloren in einer braunen Lederkluft im Gewässer stand und gen Himmel sah.
Auf dem Kopf trug er einen Helm, der aber eher einer Mütze mit einer riesigen Brille ähnelte. Um den Oberkörper war zusätzlich eine grüne Schutzweste geschnallt. Dicke Lederhandschuhe und breite Stiefel, die für die Jahreszeit sicher viel zu warm waren, komplettierten den Aufzug.
Wie war der Kerl denn hierher gekommen?
Als der Mann sich umdrehte, nahm Tooru seinen ganzen Mut zusammen und fragte mit klopfendem Herzen: „Wer sind Sie?"
Irgendwie überrascht öffnete der Fremde seinen Mund, wohl um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder. Er wirkte verwirrt.
Vielleicht hatte er ihn nicht gehört? Oder er war gar kein Japaner?
„Ha-llo? Kön-nen Sie mich ver-ste-hen?", versuchte er es diesmal im deutlichsten Schneckentempo.
Der Andere nickte. Gut, also sprachen sie beide die gleiche Sprache.
„Wer sind Sie?", probierte Tooru es noch einmal.
„Ich bin ... wer?"
Hä? Gab er die Frage jetzt etwa einfach wieder zurück? Der musste doch wissen, wer er war!
„Woher soll ich das denn wissen?!", erwiderte Tooru genervt und strich sich die Haare aus der Stirn. Er seufzte und schloss die Augen. Vielleicht war das auch alles nur Einbildung und er hatte zu lange in der Sonne gestanden. So musste es sein. Wenn er die Lider jetzt wieder öffnen würde, wäre die Person verschwunden.
Doch bevor er die Chance bekam dem Spuk ein Ende zu setzen, platschte es.
Tooru sah nur noch, wie der Fremde das Gleichgewicht verlor und vorwärts ins Wasser fiel.
Verdammt!
Er handelte reflexartig, watete in die Tiefe und zog den Verrückten aus dem See.


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Zur Feier des Tages gibt es heute den Einstieg zu meiner IwaOi AU. Es wird ein paar Zeitreise-Elemente enthalten haben. Zudem möchte ich sagen, dass die Story dem Manga "Im Fluss der Zeit" von Syaku nachempfunden ist. Ich habe das Ganze versucht für IwaOi etwas umzuschreiben und hoffe, dass es euch viel Freude bereitet. Mir liegt die Geschichte sehr am Herzen und ich mag sie sehr. Ich bin mir auch noch nicht sicher, wie sie enden wird. Also lasst euch überraschen!
Lasst mir gern ein paar Kommentare da. :3
Dankeschön!

xoxo chaos

PAPERPLANESWhere stories live. Discover now