Kapitel 1: Der 20. September

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Roxy


Ich klammerte mich an die U-Bahn Stange und versuchte mein Gleichgewicht zu halten, während der Zug abbremste. Es war anstrengend. Vor allem, nachdem ich acht Stunden am Stück gearbeitet hatte. Mein Rücken tat weh, meine Hände waren rau und ich fühlte mich alt. Mit einundzwanzig sollte man sich noch nicht so alt fühlen. Als die U-Bahn endlich zum Stillstand kam, kramte ich mein Handy aus meiner Jackentasche und sah, dass Sarah mir wieder geschrieben hatte.

Ich habe uns schicke Klamotten besorgt. Der Abend wird großartig.

Sie hatte mir heute Mittag vorgeschlagen, dass wir uns auf eine dieser noblen schickimicki Veranstaltung schleichen könnten, um ein bisschen Spaß zu haben und mich von der Trennung abzulenken. Es war nicht das erste Mal, dass wir so etwas unternahmen. Immer wieder kam Sarah an Informationen über eine Gala, eine Party oder irgendein anderes High Society Event. Wir gingen hin, benutzten falsche Identitäten, zogen geliehene Designer-Klamotten an und aßen sündhaft teure Kaviarhäppchen. Es war witzig und für ein paar Stunden fühlte es sich nicht so an, als sei man der größte Versager New Yorks. Für ein paar Stunden fühlte ich mich tatsächlich wie ein Mensch, der etwas wert war.

Ablenkung konnte ich momentan wirklich gut gebrauchen, nachdem ich mich vor zwei Wochen von Drew getrennt hatte. Wir waren fast ein Jahr zusammen gewesen und auch, wenn es nicht immer leicht war, weil wir beide so impulsiv und streitlustig waren, tat es weh. Es tat weh, weil er so ein Dummkopf war und er allein die Schuld an unserer Trennung trug. Er gab mir keine andere Möglichkeit. Das machte mich wütend und meine Gedanken wanderten unwillkürlich an den Tag vor zwei Wochen zurück als ich das Päckchen Kokain in seinem Kleiderschrank fand. Ich dachte daran, wie ich ihn zur Rede stellte, wie er sagte, dass er das Zeug verkaufte, um mir ein besseres Leben zu ermöglichen. Die Worte hallten durch meinen Kopf. Für dich, Roxy. Und je länger ich über diese Worte grübelte, desto wütender wurde ich. Von wegen für mich! Zwei Jahre war ich süchtig nach dem Zeug und es hatte mich alles gekostet. Alles. Und er verkaufte es. Für mich? So ein Bullshit.

Gedankenversunken schreckte ich auf. Die Bahn war schon an meinem Zielort angekommen. Hastig schlängelte ich mich aus dem Wagon heraus und machte mich mit schnellen Schritten auf den Weg zu Sarahs Wohnung.


„Hey, Roxy!", begrüßte sie mich.

„Hi!"

„Alles klar bei dir?" Ich winkte ab.

„Ja, war bloß ein anstrengender Tag auf der Arbeit."

„Dann haben wir uns heute Abend auf jeden Fall etwas Spaß verdient." Sarah grinste breit.

„Ich habe uns Hosen und Blusen besorgt. Versteck das Preisschild und pass bitte auf, dass die Sachen nicht dreckig werden, sonst kann ich sie nicht mehr zurückgeben."

„Ja, natürlich." Ich kannte das Procedere nur zu gut.

Während wir uns umzogen und schminkten, redeten wir über die Trennung. Ich ließ meinem Frust freien Lauf, während Sarah geduldig zuhörte und immer mal wieder zustimmend mit dem Kopf nickte. Es tat gut sich die Sorgen von der Seele zu reden.

„Und wie sehe ich aus?", fragte ich, nachdem ich mich fertig gestylt hatte. Meine langen blonden Haare fielen lässig über meine Schultern. Es wirkte etwas wild und chaotisch, aber ich fand so stand es mir am besten. Sarah musterte mich.

„Ich hasse dich", sagte sie trocken.

„Was? Wieso?"

„Weil du gut aussiehst. Zu gut. Neben dir wirke ich wie ein hässliches Entlein. Das ist echt nicht fair."

Stars & SatellitesWhere stories live. Discover now